Denn an diesem Mittwochmorgen klopfte es an Madisons Tür. Sie rannte, wie von der Tarantel gestochen, in der Hoffnung, ihre Aiko wieder in die Arme schließen zu können. Aber im Treppenhaus stand nicht Aiko, sondern ihre Nachbarin, die ihr stumm die heutige Zeitung hinhielt. Bevor Madi noch etwas sagen konnte, war die Alte schon wieder in ihrer Wohnung verschwunden.
Verwirrt setzte sie sich auf das quietschende Bett und blätterte durch das Tagesblatt. Nichts besonders. Bis sie auf der letzten Seite ankam. Wäre es im mittleren Teil gewesen, hätte sie wahrscheinlich einfach nicht darauf geachtet. Doch so ging sie die Todesanzeigen durch. Und fast hätte sie sie beiseitegelegt. Fast. Denn ganz unten stand ein Name in weißen Lettern auf schwarzem Untergrund. Madisons Hände um das Papier verkrampften und zitterten zur selben Zeit.
Aiko Itchou.
„Nein." Das konnte nicht sein. „Nein, nein, nein, NEIN! NEEEIN!" Sie schleuderte die Zeitung gegen die Wand, wobei es den Farbbecher traf, der nach unten fiel und sich so das dreckige Wasser auf dem ganzen Boden verteilte. Aber in diesem Moment war es ihr egal. Die Frau nahm das Handy zur Hand und tippt mit letztem Verstand die Zahlen ihrer Freundin ein.
Es rief. Und rief. Es musste sich um eine Verwechslung handeln. Es gab bestimmt so einige Aiko Itchou in Tokyo um die 20, auf die die Beschreibung passen würde. Gleich ...
Madisons Lippen verzogen sich zu einem hoffnungsvollen Lächeln.
„Diese Nummer existiert nicht meh-" Das Handy fiel zu Boden und das Display zersplitterte. Im nächsten Moment hörte man nur einen grellen Schrei. Madison nahm eine Staffelei und warf sie gegen die Wand, wobei es einige Bilder mit sich nach unten riss. Sie fuhr sich durch die blaugrünen Haare, zerrte an ihnen und Tränen rannen ihr übers Gesicht. Erneut hielt sie die große Staffelei in den Händen, schlug sie gegen den Beton bis das Holz zerbrach und splitterte. Wie einen Dolch oder ein spitzes Messer zog und stach sie es durch ihre Werke, schleuderte es von sich. Das machte nicht genug Schaden.
Aiko konnte nicht tot sein. Nicht ihre kleine Aiko. „FUCK!" Mit bloßen Händen zerriss sie ihre Zeichnungen und Entwürfe. Trat auf ihnen herum. „SCHEIßE!"
Ihre Faust schlug sie gegen die Wand, Haut platzte auf, Blut schoss hervor. Noch einmal traf ihre geballte Hand auf bloßen Beton, ihre Knochen knackten warnend.
Schließlich rutschte sie auf der Pfütze aus und landete unsanft auf den Boden. Und dort blieb sie liegen, während sie das Salz ihrer Tränen schmeckte.
Ihr Schreien wich dem Flüstern, ihr Flüstern dem Hauchen und das Hauchen dem Verstummen.
-DK
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PAINT ME.
Short Story"Ich bin noch am Leben, oder? Scheiße." Madison war eine Künstlerin. Sie spielte mit den Farben. Dann spielte die Liebe mit ihr. Und daran zerbrach sie. ° 299 in Kurzgeschichten, 26072017