Kapitel 8: „Konsequenzen"

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„Was hast du getan? Prinzessin Miranda kam ganz aufgelöst zu ihren Eltern gelaufen und sagte irgendetwas davon, dass du eure Verlobung heute Abend auflösen würdest. Ihre Eltern, der König und die Königin von Flor, waren außer sich vor Zorn, dass du ihre Tochter so verletzt hast. Und ich war es ebenso! Also sag' mir, dass das nicht wahr ist?!", schrie Richard erzürnt und packte seinen Sohn am Kragen der silberglänzenden Anzugjacke, um ihn auf die Beine zu ziehen und gleich darauf gegen die Wand zu schleudern. Sein schwarzer Umhang schwebte dabei in der Luft und schmiegte sich dann wieder perfekt an die Schultern von Hans' Vater. Generell trug der König in letzter Zeit sehr oft schwarz, seit seine Frau verstorben war. Darüber konnte Hans allerdings nur lachen, denn zu den Lebzeiten seiner Mutter hatte sich sein Vater nie sonderlich für seine Frau interessiert. Warum sollte das jetzt auf einmal anders sein, fragte sein jüngster Sohn sich und starrte den stattlichen, etwas ergrauten, jedoch immer noch eindrucksvollen Mann vor sich an.
Der junge Prinz keuchte leicht, als er sich an der Wand abstützte und seinem Vater etwas wankend entgegentrat. „Das kann ich nicht. Aber es ist das Richtige, Vater!" – „Das Richtige für wen? Für dich selbst!"
„Ja, durchaus! Ich werde ein guter König werden und tue alles Nötige für mein Volk, aber nicht ohne die unterstützende Hand einer Frau, die ich liebe und die mich liebt.", Hans schluckte und sah seinem Vormund nun direkt in die dunklen Augen, „Ich bin nicht wie du, Vater! Ich kann nun mal niemanden heiraten, den ich nicht liebe..."
„Du kannst und du wirst!", zischte Richard zurück und verschränkte dann seufzend die Arme vor der Brust, nur damit der Ton seiner Stimme noch etwas kräftiger klang, „Selbst wenn ich deine Mutter nicht von Anfang an geliebt habe, habe ich sie lieben gelernt. Und das wirst du mit Prinzessin Miranda auch schaffen, hörst du?" Er trat erneut auf seinen jüngsten Sohn zu, packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn durch.
„Aber man kann doch Liebe nicht erzwingen...", protestierte Hans noch immer und umfasste die muskulösen Arme seines Vaters, um ihn so zum Aufhören zu bringen. Dieser jedoch nutzte dies um seinen Sohn nochmals von sich wegzustoßen. Dabei ging er zur Tür und öffnete sie. „Oh, doch! Und jetzt keine Wiederrede mehr. Ich will nichts davon hören. Du wirst Prinzessin Miranda eines Tages heiraten und das ist mein letztes Wort. Das Fest heute Abend ist für dich gestrichen. Denk' über dein Verhalten nach! Morgen heißt es für dich jedoch wieder Pflicht zur dritten und letzten Ballnacht zu erscheinen. Das bist du deinem Bruder Damon schuldig und auch deiner Ehre als Prinzen. Sei endlich einmal ein Mann und verhalte dich auch so – Steh' zu deinen Taten, denn das musst du irgendwann so oder so! Hans, du bist nun mal ein Prinz und ich erwarte von dir, dass du dich auch wie einer benimmst.", mahnte er ihn noch ein letztes Mal laut an und knallte dann so stark die Tür zu, sodass selbst das Fensterglas anfing zu klirren.

Vor der Tür hörte er dabei leise Stimmen, die seines Vaters unter anderen. Nach einer Weile kam Cedric herein und schloss dann die Tür hinter sich ab. „Der König, also Euer werter Vater, meinte ich soll Euch einschließen, aber dürfe Euch Gesellschaft leisten. Ich weiß, dass ich nur ein Dienstbote bin, aber er vertraut mir wohl – was bei Eurem Vater äußerst selten vorkommt –, weil ich Euch schon vor langem zweimal den königlichen Hintern retten durfte. Aber jetzt mal zu 'was anderem: Warum lässt er Euch einschließen?", fragte Cedric mit versucht tonloser Stimme, doch ein Grinsen huschte am Ende nun doch über seine Lippen. „Habt Ihr etwa irgendetwas ausgefressen? Was..." Er räusperte sich und schmunzelte, „...verbotenes?" Der junge Prinz stöhnte hörbar auf und trottete zu seinem Bett herüber, einem Traum aus grün, auf das er sich dann auch schon rücklings fallen ließ, wobei er die Arme und Beine von sich streckte. Dabei zog sein Diener ihm die unbequemen Stiefel von den Füßen und stellte sie daneben ordentlich auf. Beide genossen nun die letzten Sonnenstrahlen des Tages, die durch das Buntglasfenster fielen, das hinter dem Schreibtisch an der Wand prangte. Dieser stand hinter dem Himmelbett etwas mittig vom Raum. „Ja, wenn es verboten ist, seine eigene Entscheidung und seine Meinung geradeheraus zu sagen. Und wenn man sein Leben auf seine Art leben möchte und nicht wie ein anderer es einem befiehlt, ja, dann hab' ich wohlmöglich wirklich 'was Verbotenes getan.", schnaubte Hans leicht säuerlich und drehte sich aufs Bett hinauf, seitwärts, sodass Cedric nur noch auf seinen Rücken blicken konnte. Dieser seufzte nun frustriert auf und verdrehte die Augen. Der Braunhaarige erhob sich aus seiner Hocke und setzte sich auf die Bettkante, um sich sogleich gegen den hinteren Bettpfosten zu lehnen und seine Arme vor der Brust zu verschränken. „Was ist los?", fragte er und machte dabei ein fast schon genervtes, wenn auch mitleidiges Gesicht. Doch der junge Prinz hob beschwichtigend einen Arm in die Höhe und wedelte ab, nur um diesen dann wieder auf der Bettdecke vor seinem Gesicht abzulegen: „Nichts! Du weißt ja nicht, wie es ist, ein Schicksal zu haben, dem man nicht entkommen kann..." Jetzt mischte sich sogar ein leichtes, glucksiges Lachen in die Stille, die zwischen den beiden entstanden war, und das kam von niemand anderem als von Cedric. „Schicksale, hm? Sie können einem alles verleihen. Man fühlt sich aber dennoch gefangen, so als wäre das ganze Leben für einen geplant worden und man keine Kontrolle darüber hat. Tja, und dann weiß man am Ende gar nicht, ob das, was das Schicksal für einen entschieden hat, das Beste für einen ist?", meinte der Braunhaarige, zum Ende hin immer noch etwas prustend. Daraufhin setzte sich der junge Prinz auf und drehte sich zu seinem Diener um. „Woher weißt du denn sowas?", fragte Hans und sah ihn irritiert und gleichermaßen überrascht an. Dieser nahm angeklagt eine Hand an die Brust und formte mit den Lippen ein stummes „Oh!". Dann fiel er jedoch sofort in erneutes Gelächter und klopfte wie wild auf die Bettkannte unter ihm.
Nach einer Weile beruhigte Cedric sich wieder und räusperte sich schließlich: „Nun ja, woher...? Oh, ich hab 'ne Buch gelesen! Das sollte ein Diener wohl eigentlich nicht können, oder? Aber ich kann's trotzdem." Der braunhaarige Diener grinste und zupfte dann an den engen Ärmeln seiner schlichten Dienstbotentracht. „Und was würde das Buch dir raten?", fragte Hans jetzt plötzlich und sah Cedric dabei eindringlich an. Damit riss er seinen Freund aus dem eigentlichen Gedankengang. Aber dieser schüttelte nur unsagend mit dem Kopf. „Es steht mir nicht zu..."
„Ich hab' dich nun mal aber gefragt, also antworte gefälligst!"
„Ihr wollt wissen, was ich denke?!", fragte der Braunhaarige nun doch etwas verzögert, ehe er letztlich fortfuhr, „Nun, ich denke, dass Ihr verrückt seid – ich denke, dass hier alle verrückt sind –, heiraten darf man nur aus Liebe. Nicht aus Vernunft. Und wenn Euer Vater glaubt, dass ein unglücklicher König ein stärkeres Königreich zur Folge hätte, dann irrt er sich. Aber Ihr habt eine Wahl. Es ist Eure Entscheidung, Prinz Hans!" Cedric hob eine seiner dunklen Augenbrauen, woraufhin der junge Prinz sachte den Kopf senkte. „Aber wie kann jemals irgendetwas zwischen uns sein?", sagte Hans jetzt, ohne Zusammenhang, und formte seine Hände zu Fäusten, die sich an der Bettdecke festkrallten. Sein Leibdiener verstand dennoch, was er meinte, denn er hatte ihm schon von dem Mädchen mit den feuerroten Locken erzählt, dass er nicht mehr aus dem Kopf bekam. Und mit dem er um jeden Preis befreundet sein wollte. „Wenn Ihr König seid, könntet Ihr das ändern! Oder Ihr verzichtet für das Mädchen darauf? Aber das wollt Ihr ja nicht, wegen Eurer Mutter, habe ich Recht?", konterte Cedric und nahm den Prinzen dabei sehr gut in Augenschein, um eine Reaktion in dessen Gesicht erahnen zu können. Hans jedoch nickte nur eingestehend und verankerte seine Hände in den braun-rötlichen Haaren, was zeigte, wie verwirrt er eigentlich war. Der Prinz zog die Knie an und rutschte an die Lehne des Bettes heran, wo er seine Ellenbogen auf den Knien abstützte, aber die Hände nicht aus den Haaren löste. „Ja!", sagte er jetzt mit tonloser Stimme und weiterhin gesenktem Blick, „Ich will das Versprechen meiner Mutter nicht aufgeben müssen, Gott, ich will sie aber auch nicht verlieren – auch wenn das wahrscheinlich schon geschehen ist. Was soll ich denn bloß tun?" „Ich denke...", machte der Braunhaarige und strich sich nachdenklich über das raue Kinn, das von unzähligen Bartstoppeln geziert wurde, „Dann sollten Sie erst einmal alles so belassen, wie es momentan ist. Irgendwann erkennen Sie vielleicht, dass Sie der Letzte in der Thronfolge sind und damit keine Chance haben in diesem Königreich König zu werden, es sei denn, sie heiraten in ein anderes ein. Und dann sind Sie auch bereit dafür, das Amt abzulegen und mit dem Mädchen zusammen zu sein. Egal, ob als Freund oder als Partner."
Stille breitete sich einen Moment zwischen den Prinz und Leibdiener aus. Eine beunruhigende und gleichzeitig bedrückende Stille. Doch dann durchbrach der junge Prinz sie, in dem er einen lauten Schrei aus seiner Kehle löste. „Denkst du, daran hab' ich nicht schon selbst gedacht?!", schrie er Cedric nun wutentbrannt entgegen, wobei ein leichtes Feuer in seine Augen trat, das ebenso schnell auch wieder verschwand, „Alles bin ich längst schon durchgegangen, aber es gibt keine Lösung. Vermutlich wäre es wirklich besser, mich einfach von meinem Königshaus abzuwenden. Doch..." Hans warf den Kopf zurück und betrachtete somit den grünen Baldachin seines Himmelbettes. Er kniff seine Augen zusammen und konnte spüren, wie Tränen daraus hervortraten, um ihm sogleich über die Wangen zu laufen. „Doch es ist... alles, was ich noch habe. Meine Familie lebt hier. Auch wenn mein Vater und meine Brüder mich nicht immer gut behandeln, so sind sie doch meine Familie. Und die lässt man einfach nicht im Stich, um sich nur für sich selbst zu interessieren. Außerdem, wer wäre ich denn, ohne sie? Ohne meinen Titel, meine Pflichten und meinem Thronanspruch?", fragte Hans niemand bestimmten und öffnete langsam wieder seine Lider, um deren Ränder sich Rückstände der Tränenspuren gebildet hatten. „Ihr wärt frei. Und glücklich!", konterte der braunhaarige Dienstbote unbeeindruckt, „Wäre das so schlimm?" Doch der junge Prinz schüttelte bloß unsagend den Kopf. „Bitte, geh' jetzt! Ich würde gerne alleine sein.", sagte er ganz kalt und ignorierte sämtliche Dinge, die Cedric ihm gegen den Kopf warf. „Schön!", machte dieser nun und klopfte sich seine Tracht ab, nur um sich danach nochmals zu verbeugen, was selbst für ihn sehr formell aussah, „Aber, ich warne Euch, noch einmal sage ich es nicht. Wenn Ihr Euch weiter benehmt, als wärt Ihr der König, auf den alle gewartet haben – auch wenn Eure Mutter das Euch so sagte –, dann werdet Ihr dieser niemals werden; so sehr Ihr Euch dies auch wünscht." Er zupfte erneut seine engen Ärmel auf Handgelenkhöhe und schritt dann zur Tür hinüber, in die er dann auch schon den Schlüssel steckte, der an seinem Gürtel hing. Der Braunhaarige drehte ihn ein paar Mal herum, bis er die Tür schließlich öffnete. „So, ich wünsche Ihnen eine angenehme Nacht, Prinz Hans!", verabschiedete sich Cedric nochmals mit einer angedeuteten Verbeugung und schloss die Tür hinter sich, als er aus dem Zimmer hinaustrat. Der junge Prinz hörte nur noch das Klicken im Schloss, das ihm zeigte, dass er in seinem eigenen Zuhause nun ein Gefangener war.

Frozen & Tangled: Eine Erinnerung an vergangene ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt