3. Retterin in der Not

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Es verging eine ganze Woche, ohne dass Mr Kurt mich zu Gesicht bekam.

Nicht, weil ich seine Befehle unbedingt befolgen wollte, aber Mathilda gab ihr Bestes mich von ihm fernzuhalten. Sie hatte mich sogar beauftragt, Peter beim Einkaufen zu begleiten. Ich konnte meinen Ohren nicht trauen.

Sie nahm ihre Aufgabe sehr ernst. Die meisten Hausarbeiten fanden entweder in der Küche oder im Waschraum statt.

Ich hatte ehrlich gesagt kein Problem damit. Allein der Anblick von diesem arroganten Sack hätte meine Laune in die Tiefe eines Erdlochs versenkt und mein Blutdruck hoch bis zum Mars katapultiert. Allein bei dem Gedanken an unser Gespräch kochte ich vor Wut.

An einem späten Nachmittag machte ich mich daran die Wäsche im Hinterhof aufzuhängen und hätte schwören können eine Bewegung hinter dem Fenster im zweiten Stockwerk wahrgenommen zu haben. Aber als ich aufsah, waren die dicken Gardinen bewegungslos und ließen keinen Blick ins Haus zu. Überzeugt davon, dass ich es mir nur eingebildet hatte, hing ich die restlichen Sachen auf und verschwand wieder im Haus.

Ob ich keine weiteren Versuche gestartet hatte zurück in meine Zeit zu kehren?

Mehr als einmal.

Aber alle waren vergeblich. Einmal zwang ich Peter dazu einen Umweg beim Einkaufen zu machen und an der Laterne vorbeizuschauen. Dort hatte ich mich wieder hingekniet und versucht nach einem versteckten Schalter an der vermutlichen Zeitmaschine zu suchen, aber Peter war dermaßen peinlich berührt von meinem Auftreten, dass er das Einkaufen verkürzte und mich wieder zum Anwesen zerrte.

Abgesehen davon verliefen die Tage ohne irgendwelche Vorkommnisse.

Bis zu diesem Tag.

Ich legte mir grad ein Tuch um, während Peter draußen auf mich wartete, da trat Mathilda zu mir und drückte mir etwas in die Hände. „Nimm das und schau, ob du dir ein schönes Kleid kaufen kannst.", sagte sie. Ich sah auf das Geld in meiner Hand.

Entschieden schüttelte ich den Kopf. „Ich kann das nicht annehmen."

„Aber du kannst auch nicht weiterhin Rosalies Kleider tragen.", erwiderte Mathilda, „Also nimm das Geld jetzt und kauf dir etwas Anständiges. Und dass du das Geld ja nicht verlierst, hörst du? Bleib immer an Peters Seite, dann geschieht dir nichts." Sie sprach so, als würde sie mich an die Front schicken.

Ich nickte ihr zuversichtlich zu. „Keine Sorge. Und das Geld kriegst du am Ende des Monats zurück, sobald ich mein Gehalt bekomme."

Sie blinzelte einen Moment verwirrt, bevor sie mir sanft über die Wange strich. „Oh, Mäuschen, du wirst nicht bezahlt."

Was?

„Du arbeitest, damit du hier wohnen und essen darfst. Die Hausarbeit ist unbezahlte Arbeit. Aber wenn du Wünsche hast, um dir etwas Zusätzliches zu kaufen, kannst du den Hausherrn um Geld bitten."

WAS?

Sie muss mein entsetztes Gesicht gesehen haben, denn sie erklärte weiter: „Bei uns dürfen unverheiratete Frauen kein eigenes Geld besitzen, Mäuschen. Ist das bei euch nicht so?"

Ich würde nicht bezahlt werden für meine Arbeit?

Gott... In was für eine Welt lebten diese Menschen? So wie ich das verstand, waren Frauen, die unverheiratet war, im Grunde völlig wertlos.

„Nein.", antwortete ich ihr schließlich. Meine Stimme war nicht mehr als ein Hauch.

„Wie dem auch sei.", verwarf Mathilda das Thema, als wäre nichts dabei, „Peter wartet draußen schon. Jetzt geht und kommt noch vor Sonnenuntergang wieder."

Ella - Die Stille nach dem SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt