4. Die neue Krankenschwester

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Es vergingen drei Tage.

Länger hielt ich es nicht aus.

Ich fühlte mich wie eine Motte, die das Licht erblickt hatte und stetig von ihr angezogen wurde. Seitdem ich mich daran erinnert hatte, dass es auch in diesem Jahrhundert kranke Menschen gab, die meine Hilfe brauchten, drifteten meine Gedanken immer wieder zum Krankenhaus zurück.

Ja, ich vergaß sogar meine Pläne in meine Zeit zurückzukehren...

Es juckte mir in den Fingerspitzen aus dem Anwesen zu flüchten, mir einen Kittel überzuziehen und in dem gottverdammten Krankenhaus Leben zu retten.

Als ich an jenem Tag aus dem Krankenhaus zurück nach Hause gekommen war, hätte Mathilda mich an Ort und Stelle erdrosseln können. Sie war entsetzt, dass ich von Peters Seite gewichen war - Noch schlimmer wurde es, als der sehr geehrte Mr Kurt am Abend nach Hause kam und sich bei Mathilda erkundige, ob ich bereits zurückgekehrt war.

„Was hast du getan, Mädchen?!", fragte sie entsetzt und schlug sich auf die Oberschenkel, „Wieso fragt der Herr, ob du schon da bist?" Klatsch -auf die Schenkel "Hat er dich draußen alleine gesehen?" Klatsch „Willst du mich umbringen, Mädchen?" Klatsch „Oh Gott, bitte hab erbarmen!" Klatsch „Hast du denn gar nicht dran gedacht, was die Leute sagen werden, Mädchen?" Klatsch.

Ich erspare mir die Fortsetzung der Unterhaltung zu erläutern.

Ich war mir sicher, dass Mathildas Schenkel am Ende des Tages völlig blau-grün war.

Das hielt mich dennoch nicht ab; Tag ein, Tag aus dachte ich daran wieder ins Krankenhaus zu gehen. Ich hatte es vermisst - schrecklich vermisst.

Der Adrenalinstoß, die Herausforderung, das Kribbeln in den Händen, die Kontrolle über die Situation und das Gefühl, das man bekam, gleich nach der erfolgreichen Rettung und du wusstest, dass du alles richtig gemacht hattest.

Als ich nun am nächsten Tag nach dem Frühstück die Aufgabe bekam die Wäsche zu waschen, wusste ich, ich hätte meine Chance. In meinem Kopf setzte sich Stück für Stück ein Plan zusammen.

Also nahm ich den Wäschekorb und machte mich daran die Wäsche im ganzen Haus zusammen zu sammeln. Dazu stieg ich auch ins obere Stockwerk - da ich wusste, dass Mr Kurt schon lange das Haus verlassen hatte, konnte ich mich frei bewegen. Ich trat ohne zu klopfen in sein Schlafzimmer und erstarrte mitten im Türrahmen.

Eine Hand um den Korb geschlungen, die andere auf der Türklinke, stand ich nun da und sah in die weit aufgerissenen grünen Augen von Rosalie.

Wir sahen uns einen langen Moment schweigend an.

Sie stand direkt neben dem Bett von Mr Kurt und hatte sich eins seiner Hemden übergezogen.

Ich meine es ernst, sie hatte es sich über das Kleid gezogen.

Als ich eingetreten war, hatte sie sogar dran gerochen.

In ihren Augen war zwar für den ersten Moment Überraschung zu sehen, aber nachdem sie sich fasste, zeigte sie weder Reue noch Scham.

Ich meine, sie wurde eben erwischt, wie sie sich an der Kleidung des Hausherrn angegeilt hatte! Von wo kam diese Selbstsicherheit?

Ich zog eine Augenbraue hoch, doch sie sah mich unbekümmert an.

„Du solltest besser gehen.", sagte ich ruhig.

Trotzig sah sie mich an, während sie mit zwei schnellen Bewegungen das Hemd auszog und auf mich zutrat. „Du hast besser nichts gesehen.", zischte sie und warf mir das Hemd in den Korb, ehe sie an mir vorbeiflitzte.

Ella - Die Stille nach dem SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt