7. Vergammelt

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Kaneki war seit länger Zeit ein Ghoul. Es fiel ihm schwer Menschenfleisch zu essen, gerade weil er den Geschmack von normalem Essen gewohnt war... Für einen Ghoul schmeckt dieses Zeug einfach nur widerlich. Ken beschrieb es mit "Knete, vergammeltem Fleisch, faulen Eier und schlechter Milch". Ich hatte ihm nur erklärt, dass seine Zunge nicht mehr für diesen Geschmack ausgelegt war.
Ken konnte das nicht so leicht akzeptieren. Gerade noch Mensch, dann eine falsche Entscheidung und schon ist er ein Menschenfresser.
"Was soll ich nur machen? Was soll ich tun?", fragte er mich weinend.
"Naja, für's erste müssen wir dich im Auge behalten, Ken. Du musst lernen mit deinem Hunger umzugehen. Dann kannst du dein normales Leben einfach weiterführen."
"Wie soll ich mein Leben weiterführen? Wie soll das bitte gehen?!"
Ich schnaufe, setzte mich zu ihm und legte ihm tröstend den Arm um die Schulter.
"Ken, es gibt viel mehr Ghoule als du denkst. Viele leben unter den Menschen. Lass mich dir einfach etwas erklären. Du musst essen. Daran kann man nichts ändern. Solltest du das nicht regelmäßig tun, fängst du an wahllos irgendwelche Leute anzugreifen und zu töten. Wenn du mit dem Jagen gar nicht erst anfängst, dann stehen die Chancen gut das du es nie tust. So einem Ghoul ist der Hunger deutlich einfacher abzugewöhnen, als einem, der schon immer gejagt hat. Du hast den Hunger ja schon erlebt und weißt welche Folgen er hat. Die Magenschmerzem, die Halluzinationen und am schlimmsten ist der Kontrollverlust. Wenn man sich selbst nicht mehr unter Kontrolle hat, dann ist das eine einschneidende Erfahrung. Man fängt an das Vertrauen in den eigenen Körper und den eigenen Verstand zu verlieren. Glaub mir, ich kenne das Gefühl. Ich kann dir entweder helfen, dafür musst du das aber auch zulassen oder ich überlasse dich deinem Schicksal als jagender Ghoul und in einigen Wochen... bringe ich dich dann um."
Angst blitzte in seinen Augen auf. Er fürchte sich. Ich hatte ihm ja auch gerade gedroht. Trotzdem war diese Reaktion gut. Er war noch sehr menschlich und das würde es leichter machen ihn an ein normales Leben zu gewöhnen.
Gleichzeitig sorgte ich dafür, dass er gleich, von Anfang an, Angst vor den richtigen Leuten hatte.
Die Tränen hörten langsam auf über seine Wangen zu rollen. Ich griff also in meine Tasche, um ihm ein Taschentuch zu geben. Dann stand ich auf, um in Richtung Tür zu gehen.
Er würde sich gut im Antik machen.
"Wie...", er schniefte. "Wie geht es jetzt weiter?"
Seine Stimme war leise, gedämpft und teils auch verängstigt.
Meine Hand lag bereits auf dem Türknauf, als ich mich nochmals umdrehte und zu ihm sprach.
"Keine Sorge, wir kümmern uns um dich.", dann ging ich raus, schloss die Tür hinter mir und stand direkt vor Yomo.
"Und? Was machen wir mit ihm?"
Ich blickte an Yomo vorbei, direkt zu Yoshimura. Unsere Blicke trafen sich und wir nickten uns zu.
"Kann er hier bleiben?", fragte ich.
Yomos Blick wanderte von mir zu Yoshimura, der nun von leichter Anspannung zu einem sanften Lächeln wechselte.
"Ja, natürlich kann er. Wir freuen uns immer über ein weiteres Mitglied in unserer Familie. Was denkst du, Shay? Wie ist er so?"
"Nett, vielleicht etwas zu nett. Er ist ruhig, zart und definitiv beeinflussbar. Wir müssen ihn von den falschen Leuten fernhalten. Irgendwie ist er so ein bisschen wie das Gegenteil von Shuu... Aber ich bin mir sicher er schafft das."
Yoshimura nickte.
"Gut, vielen Dank, Shay. Ich hoffe wir haben dich nicht irgendwie von dem was du eigentlich tun wolltest abgehalten oder dich sonst in irgendeiner Art und Weise aufgehalten..."
"Nein, nein... Alles gut. Ich komme doch immer wieder gerne her.", antwortete ich, während ich gerade meine Tasche zusammen packte und zog mir dann meine schwarze Jacke an.
Mit den Rücken stand ich zu den Beiden. Sie konnten also weder mein Gesicht, noch das verschlagene Lächeln, darauf sehen.
Ich musste dann den süßen Agenten des CCGs denken. Amon.
Er hatte einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Er war anders, nicht wie die anderen Ermittler mit denen ich bis jetzt zusammen war.
Er war anders als Kenta.
Amon war nicht arrogant, zeigte seine Abscheu den Ghoulen gegenüber nicht so offen, er war allgemein zurückhaltend und er war nicht herablassend.
Nur weil ich Model und er Ermittler war, ließ er mich nicht spüren dass er etwas scheinbar Besseres war.
Kenta war damals schon von Anfang an anders gewesen. Er ließ mich meine scheinbare Unterlegenheit von Anfang an spüren.
Abgesehen davon, war die Unterhaltung mit Amon sehr angeregt und entspannt gewesen. Ich hatte es einfach nur genossen.
Dann wurde ich ja aber leider zum Antik gerufen. Es machte mir wie bereits gesagt nichts aus her zu kommen, aber heute war es wirklich schade gewesen.
Yoshimura brauchte manchmal einfach meine Hilfe. Ich hatte, laut einigen Leuten in meinem näheren Umfeld, eine erstaunlich gute Menschenkenntnis. Ich konnte in einem einzigen Gespräch herausfinden, ob jemand ein Leben unter Menschen meistern würde oder eben nicht. Es handelte sich dabei eigentlich weniger um Kenntnis. Ich wusste einfach nur die Zeichen, egal ob groß oder klein, zu deuten. Jeder, selbst wenn er versuchte sich zu verstellen, verriet sich selbst durch bestimmte Gesten, seine Wortwahl oder auf irgendeine andere Art.
Ich wusste einfach worauf ich mich musste und wie das, was ich sah, zu deuten war.
Vielleicht hatte Kenntnis schon etwas damit zu tun, aber nicht so viel wie sie alle annahmen. Ich hatte schließlich auch genug mit Menschen und Ghoulen zu tun, um sie richtig einschätzen zu können.
Menschenkenntnis? Das ist hier vielleicht nicht der richtige Begriff. Ghoulkenntnis? Naja, das klingt irgendwie komisch aber egal.
Jedenfalls verabschiedete ich mich von den Anderen im Antik und machte mich auf den Weg zu einem meiner Informanten.
Wir trafen uns in einer kleinen Gasse im 19. Bezirk. Er hatte einige Informationen über Aogiri für mich, leider aber nichts über ihre Anführer oder Sonstiges. Das Einzige was er mir noch sagen konnte war, dass ein Ghoul namens Jason auf Jagd war und auch mich irgendwie als Ziel sah. Ob er mit Aogiri arbeitete konnte ich nicht sagen, aber ich wusste, dass Aogiri meinen Tod wollte. Ich stand schließlich für alles was sie verabscheuten.
Nach dem Treffen fuhr ich wieder zu meiner Wohnung und gerade als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, hatte ich einen Anruf. Auf dem Display stand der Name in großen, weißen Buchstaben.
Amon.

Control - Tokyo Ghoul FF [PAUSIERT] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt