Kapitel 3

3.5K 180 6
                                    

Kaum war ich aus dem Schulgelände, versteckte ich mich hinter dem Baum, hinter dem ich gestern verschwunden war. Wieder schloss ich meine Augen und konzentrierte mich auf die kleinen Sterne in den Gläsern. Der warme Luftzug strich mir wie gewöhnlich über die Haut. Unter meinen Füssen wurde der Boden für einen Moment weggenommen und durch einen Holzboden ersetzt. Ich öffnete die Augen und wie gewohnt blickte ich auf die Regale mit den Gläsern. Es sah aus, als wären Glühwürmchen in ihnen.

Nach einer kurzen Zeit setzte ich mich auf das Sofa und nahm mein Lieblingsbuch City of Bones aus der Tasche. Kaum hatte ich den grünen Umschlag des Buches aufgeklappt, war ich in die Geschichte hineingezogen. Mit voller Gierde, als wäre es eine Droge, las ich das Buch.

Cassy hatte sich gerade mit einer der Schattenjäger gestritten, als ich eine Anwesenheit einer zweiten Person im Raum spürte.

Es war bestimmt nur Adrian, der wieder zu Besuch kam.

Mit diesem Gedanken konzentrierte ich mich wieder auf das Buch und wartete, dass Adrian etwas sagte.

"Wo zum Teufel bin ich?", kam eine wütende Stimme aus der Ecke des Raumes. Und ich erkannte sie. Konnte er mich nie für einen Tag in Ruhe lassen? Ich drehte mich um und dort stand er. In einem weissen Shirt und schwarzen Jeans. Die tättowierten Arme hinter dem Rücken. Seine braunen Locken waren noch ein bisschen nass. Sicher vom Duschen nach dem Basketball-Training. Seine grünen Augen sahen sich fast ängstlich umher. Ich fragte mich, wie er überhaupt hierher kam.

"Was bist du?", war meine erste Frage. Wir standen uns jetzt gegenüber und sahen einander einfach nur blöd an.

"Wo bin ich?", wiederholte er sich statt einer Antwort.

Sein angsterfülltes Gesicht sah sich im Zimmer herum. Ein Zimmer ohne Fenster oder Türen.

Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie geschockt ich war, als ich das erste Mal hier hereingeplatzt war. Ich hatte an die Holzwand gehämmert, bis meine Hand Blut verschmiert war, in der Absicht, hinauszukommen. Doch so einfach ging es leider nicht. Und jetzt musste ich mit diesem Typen hier die gleiche Konversation machen, die ich mit Adrian schon durchgemacht hatte;

Woher kommst du?

Wie bist du hierher gelandet?

Was bist du?

Niemand darf über diesen Raum erfahren oder sonst bist du tot.

Das Übliche, wenn ich ehrlich bin.

"Du bist in einem Raum ohne Türen und Fenster, wie du siehst.", antwortete ich mit einem sarkastischen Ton, auf seine vorherige Frage.

"Das sehe ich. Aber wie komme ich denn hierher?"

"Die gleiche Frage wollte ich dir gerade stellen.", misstrauisch begann ich Runden um ihn zu drehen. Ich musterte ihn genau an. Jedes noch so kleine Detail zog ich ein. Er konnte unmöglich ein Mensch sein. Nur bestimmte Kreaturen konnten hier Zutritt erhalten. Kreaturen, die von einer mächtigen Blutlinie kamen. Meine Blutlinie kam von der Hölle höchst persönlich. Ich meine das ernst! Meine Vorfahren hatten den Raum als Kontrollzentrum benutzt. Sie hatten auch die Vorfahren von Adrian erschaffen. Adrian war ein Dämon. Seine Familie war eine der Mächtigsten, die je in einer dieser Gläser gelebt hatte.

"Du bist kein Mensch.", sprach ich meine Vermutung laut aus.

"Wie willst du das wissen?", er hob eine gepiercte Augenbraue. Seine grünen Augen verfolgten jede Bewegung, die ich machte, genau wie ich seine.

"Kein Mensch könnte hierher kommen."

Eine Weile lang sahen wir uns nur an. Jeder studierte den anderen. Ganze 10 Minuten verstrichen, als sich Casper räusperte und auf die Couch zeigte. Ich nickte nur.

Nun sassen wir nebeneinander und starrten auf die gegenüber liegende Wand. Ab und zu huschte Caspers Blick zu den Gläsern, doch nach einer Zeit richtete er ihn wieder der Wand zu. Und so ging es weiter, bis ich es nicht mehr aushalten konnte.

Mit einem Stöhnen sprach ich die Wörter aus, die in meinem Kopf eingenistet waren: "Weisst du überhaupt, was du bist?"

Ein wohl wissendes Grinsen lag auf seinen pinken Lippen. Er wusste es.

"Warum sagst du es mir nicht?"

"Erstens, ich kann dich nicht leiden", er stoppte abrupt und korrigierte sich, „nein, ich hasse dich. Du bist eine kleine nervige Zicke. Streberin, die sogar ihren einzigen Freund verloren hatte. Niemand mag dich. Du ärgerst mich andauernd und-„

"STOP stop stop!", unterbrach ich ihn barsch. "Du bist derjenige, der alle nervt! Du bist derjenige, der mir im Unterricht immer Papierkugeln in das Haar wirft. Du bist derjenige, der mich fast zusammenschlägt ohne Grund! DU bist derjenige, der mich gestern zum Bluten gebracht hatte!", meine Stimme wurde mit jedem Satz lauter und am Schluss schrie ich ihm ins Gesicht. "Und ich hasse dich auch.". Wütend drehte ich mich um und zeigte ihm die kalte Schulter.

"Sei nicht so unschuldig! Du hast mich heute mit dem Basketball geschlagen!"

Ich prustete los. Meinte er das ernst? Es sah doch wie ein Unfall aus. Oder?

"Ich habe keine Ahnung, was das war, aber es war sicher kein Unfall. Ich werde schon herausfinden, was mit dir anders ist."

"Viel Spass damit. Das Gleiche gilt anscheinend auch für mich." Ich stand auf und setzte mich auf den weit entferntesten Stuhl und las in Ruhe weiter. Wenn man es Ruhe nennen konnte. Casper fing an, die Wand abzuschlagen. Mehrere laute Schläge kam es aus der Ecke. Die Mühe machte ich mir nicht, ihm alles, was ich wusste, zu sagen. Es gab nur einen Weg zurück. Wenn man das gleiche Verfahren machte, einfach nur umgekehrt. Man stellte sich den Ort vor, wo man sich zu hause fühlte. Und dann befand man sich auch dort. Leider ging das nicht überall. Es war keine Teleportierfähigkeit, sondern einfach der Ein- oder Austritt vom Raum.

"Bitte", stöhnend sackte er auf den kalten Holzboden, nachdem er seine Hände blutig geschlagen hatte. "Bitte, verrate mir wie man hier raus kommt." Ein Hundeblick erschien auf seinem Gesicht. Was für ein Schleimer.

"Nagut. Ich will immerhin nicht mit dir hier sitzen und Kaffee trinken. Also, mach die Augen zu." Er gehorchte. Die Augenlider verdeckten die samaragdgrünen Augen und ich konnte es nicht lassen. Kaum hatte er die Augen geschlossen, holte ich aus. Ein lauter Knall war zu hören und als ich realisierte, was ich getan hatte, zog ich meine Hand weg von seiner Wange. Ich hatte ihm wirklich eine Ohrfeige verpasst. Ein kleines Kichern wich aus meinem Mund, als Casper seine Hand hob, um den roten Fleck zu berühren. Die Augen öffneten sich und sahen mich frech an.

"Gehört das auch dazu?", ein unverschämtes Grinsen breitete sich auf dem schönen Gesicht.

Was? Habe ich "schönes Gesicht" gesagt? Das habe ich hoffentlich nicht gedacht. Nein! Es musste ein Denkfehler gewesen sein.

"Nein, es war nur ein Bonus für mich.", ich schenkte ihm das Lächeln zurück und widmete mich wieder der Sache zu.

"Jetzt mach wieder die Augen zu und stell dir dein gottverdammtes Haus vor. Und dort bist du dann schneller angekommen, als du f*ck dich sagen kannst."

"Das klingt spannend. Und du bist wirklich eine Streberin?", sagte er sarkastisch.

"Das wirst du früh genug erfahren." Und dann war er weg.

Wenn man vom Teufel spricht...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt