In der Schule
"Saphira!", eine Hand hielt mich an der Schulter zurück. Mein Spind wurde zugeschlagen und diese Hand begann mich sogar ruckartig in eine andere Richtung zu ziehen. Rückwärts stolperte ich den Gang hinunter mit dem mysteriösem Typen, der mich gerade wortwörtlich gekidnappt hatte. Seine Hand lag nicht mehr an meiner Schulter, sondern in meinen Haaren und er zog fest daran.
"Las mich los!", schrie ich mit schmerzerfülltem Gesicht. Es tat höllisch weh! Aber was an all dem am unangebrachtesten war, dass die Schüler nicht mal in meine Richtung blickten, als ich vor ihnen weggezogen wurde. Mit aller Kraft versuchte ich diese Hand wegzuschütteln, was dazu führte, dass sie noch fester um meine Haare umklammerte. Der Gang, in dem wir nach einer Zeit eingebogen waren, war menschenleer. Niemand war hier, der mir mit diesem Psycho helfen konnte. Nach weiteren Schritten in den Gang liess mich dieser Jemand los. Schnell rappelte ich mich auf, denn kurz nachdem er mich los gelassen hatte, fiel ich auf den Boden, und machte mich bereit zu rennen. Aber leider wollte mich diese Hand anscheinend nicht los lassen, denn sie packte diesmal meinen Arm, um meine Flucht zu verhindern.
"Saphira, wenn ich du wäre, würde ich nicht wegrennen."
In Gedanken wiederholte ich den Satz, bis ich die Stimmer wieder erkannte. Wut kroch langsam durch meine Venen, ich drehte mich um und holte aus. Es fühlte sich wie ein Déjà-vu an, denn meine Hand landete wieder auf sein gepiercetes Gesicht.
"Au, musst du mir jedes Mal eine Ohrfeige verpassen?"
"Musst du mich kidnappen?", antwortete ich mit einer Gegenfrage.
"Ich wollte doch nur mit dir reden."
"Und dafür zerrst du mich den Gang entlang?" Langsam sah er genervt aus. Ein vergnügtes Grinsen breitete sich in meinem Gesicht aus, als ich das feststellte. Mein Ziel war, wie man bemerkt, ihn so lange ärgern, bis er durchdrehte. Natürlich aber geheim. Die Streber-Masche durfte nicht darunter leiden.
"Schluss mit dem blöden Gequatsche. Was bist du?", die Frage kam so unerwartet, dass es mich überrumpelte. Ich erstickte fast sogar an meiner eigener Spucke.
"Wie meinst du das? Ich bin ein Mensch, oder wie mich die meisten nennen: Streberin oder Nerd. Such dir eins aus."
"Ich weiss ganz genau, dass du kein Mensch bist. Du gehörst nicht hierher. Du passt zu gut hier rein.", ich gab zu; jetzt verstand ich ihn gar nicht mehr.
"Kannst du das bitte nochmal in Deutsch wiederholen?"
"Ich meinte, keine Streberin könnte so lange aushalten, ohne irgendwann auszurasten oder zu weinen. Wenn du ein Mensch gewesen wärst, hättest du mir früher oder später eine geschlagen."
"Das habe ich doch.", jetzt war ich endgültig verwirrt.
"Ich meine in der Schule oder vor Leuten. Ich habe dich so lange genervt, dass ein normaler Mensch nach ein paar Monaten das nicht aushalten könnte."
"Dann bin ich halt kein normaler Mensch". Mit einem Schulterzucken drehte ich mich um und wollte wieder einen Versuch zum Weggehen starten, doch auch der lief schief.
"Hey, warte, ich war noch nicht fertig!"
"Was denn noch?", schrie ich.
"Was ich auch noch gemerkt hatte, war, dass du gar nicht traurig warst, nach dem Tot deines besten Freundes."
Jetzt reichte es. Warum mussten alle denken, dass er mir etwas bedeutet hatte? "Warum denkst du, dass wir befreundet waren?"
"Ihr wart zusammen viel gesehen worden."
"Das heisst noch lange nichts."
"Ich will nur wissen, was du bist!" Die Situation wurde von Sekunde zu Sekunde immer gespannter. In meinen Venen loderte schon meine Wut, die kaum zu besänftigen war. Mein Blickfeld wurde an den Ecken rötlich. Keine Angst, ich wurde nicht zum Hulk, aber leider konnte ich, wie er, meine Wut nicht kontrollieren. Mit tiefen Atemzügen verhalf ich mir einen halbwegs klaren Kopf und lächelte.
Ich lächelte sehr grimmig. Fast wie ein böser Clown, bevor ich meine Finger schnippte.
Ein Knall ertönte und die Spinde neben uns flogen auf. Blätter raschelten durch den Aufprall und wurden durch die Luft katapultiert. Der Boden wurde innert Sekunden mit Schulblättern übersät. Für einen Moment war ich selber aus der Fassung. Nie hätte ich gedacht, dass der Knall so erschreckend laut war. Casper hingegen hatte kaum mit den Wimpern gezuckt und dann war seine Hand schon an meiner Kehle. Aus Reflex machte ich einen Schritt zurück und stiess mit dem Rücken gegen die Wand.
Na toll. Jetzt war ich eingekesselt mit einem Psycho, der kurz davor war, mein Geheimnis zu lüften.
"Also Saphira, wie willst du mir das erklären?"
Seine Hand drückte fester zu und schnürte somit meine Kehle zu. Verzweifelt versuchte ich nach Luft zu schnappen. Meine Hände versuchten kraftlos, mich aus dem Würgegriff zu befreien.
"WAS BIST DU SAPHIRA?", schrie er mir ins Gesicht. Schnell merkte ich, dass es sinnlos war, gegen ihn zu kämpfen. Von irgendwo musste seine Kraft kommen; ich wusste nur nicht woher.
Jetzt mit trockener Zunge und wundem Hals krächzte ich die Wörter hervor, die mein Leben retten könnten.
"Was denkst du, was ich bin?", kurz machte ich eine Pause, um herunter zu schlucken. Was nicht besonders leicht im Würgegriff war. "Ich bin der Teufel selbst!"
Sein Gesicht versteinerte sich. Sein Griff wurde lockerer um meinen Hals. Und man sah die Angst in seinen Augen. Jeder normaler Mensch hätte sicher gelacht oder mich höchstpersönlich zum Psychiater gebracht. Aber nicht Casper. Er stand nur da und sah so aus, als realisierte er das Ganze erst jetzt.
"Du bist der Teufel... du bist der Teufel... du bist es wirklich...", murmelte er und wiederholte das noch weitere Male.
"Ja, ich bin es. Hast du ein Problem?", sagte ich mit einem langweiligem Tonfall. Es gab nichts Nervigeres als dass jemand den gleichen Satz zehntausend Mal wiederholte.
"Sicher habe ich ein Problem. Und zwar ein grosses!", mit diesen Worten stürmte er Richtung Ausgang und hinaus.
Mir war egal, dass die Schule schon lange angefangen hatte. Das Problem war anscheinend noch grösser und ernster.
Mein Füsse trugen mich schnell zum Ausgang. Draussen war es kühl und Wolken verzogen den blauen Himmel. Vor dem Schultor stand eine schwarz gekleidete Figur. Als ich näher trat, erkannte ich Casper, der gegen das Tor lehnte.
"Du bist also der Teufel.", sprach er mit dem Rücken gegen mich gewandt.
Mit einem Schulterzucken erwiderte ich: "Ich habe viele Namen. Satan zum Beispiel." Frech grinste ich und boxte ihm spielerisch gegen die Schulter.
Er lachte nicht.
"Saphira, weisst du, wie ernst die Sache ist?", fragte er für meine Verhältnisse viel zu wichtigtuerisch.
"Ehm, nein?"
"Wusste ich's doch." Seine beiden Hände hielten mich ruckartig fest. Und die samtweichen, rosa Lippen sprachen die Wörter aus, die mir erspart bleiben konnten.
"Saphira, ich bin der Engel."
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Wenn man vom Teufel spricht...
Fantasy"Hey, Streberin!" "Nerd!" "Nichtsnutz!" Solche Namen werden mir oft zugeworfen, doch wenn sie nur wüssten, wer ich wirklich bin.