Teil13

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Wiggins gab ein Grinsen von sich und putzte sich mit der Pfote über die Schnauze.
Sherlocks Schnurrhaare zitterten.
„Herrgott, Wiggins, nun sag schon!"

„Tja, mein lieber Sherlock", maunzte der hässliche kleine Streuner, „der Lover unseres guten Mr. Perrish Junior ist niemand anders als ... der allseits geschätzte Dr. Miller."
Sherlock riss die Augen auf.
„Was? Nicht dein Ernst ..."
„Oh doch", maunzte der andere, „und sie sind schon richtig lange zusammen. Der Doktor wohnt zwar über der Praxis, hat aber ein Haus am Stadtrand gekauft, das der Junge Perrish gerade für die beide einrichtet. Sie haben große Pläne, wollen zusammenziehen, wollen heiraten ..."
„Wiggins", sagte Sherlock, „ich danke dir. Komm heute Abend zu uns, da kriegst du die erste Futterration."
„Ich habe noch eine Information für dich."
Wiggins Augen glühten.
„Nun sag schon!", fauchte Sherlock.
„Na ja, miau, der junge Perrish hat den Job gewechselt. Zu einem anderen Hersteller für Hundefutter. Hensson & Co."
Nun, das war sehr interessant. Das gab dem ganzen einen neuen Anstrich...
„Danke", sagte Sherlock. „Wiggins, du bist mir wirklich eine große Hilfe gewesen."
Wiggins gab ein zufriedenes Schnurren von sich und trollte sich um die nächste Hausecke.

Sherlock dagegen dachte nach. Er hatte die Augen geschlossen und die Ohren angelegt. Seine Vorderpfoten lagen über Kreuz und sein Schwanz umwand seinen Körper. So hatte er sich der Außenwelt entzogen und durchwanderte seinen Gedankenpalast.
So nannte er die Sammlung aller Erinnerungen, aller jemals aufgenommen Fakten, Blicke, Wortfetzen ... er bewahrte darin alles auf, was jemals in den Bereich seines klugen Gehirns geraten war.

Dr. Miller also.
Dr. Miller war der Freund des jungen Perrish und hatte das verschwiegen.
Nun, das konnte harmlose Gründe haben, aber ...
Sherlock beschloss, die ganze Geschichte noch mal von Anfang an zu durchdenken, und alle losen Enden aufzugreifen.

Angefangen hatte alles mit Mrs. Wilsons Tod.
Warum war sie getötet worden? Nun, vermutlich, weil sie irgendwie heraus gefunden hatte, dass das Futter in ihrem Koffer, das sie als Gratismuster verteilte um Werbung zu machen und neue Verträge zu schließen, vergiftet war.
Der Koffer mit dem vergifteten Inhalt war aus dem Weg geschafft worden.
Warum? Und warum ausgerechnet in den Schuppen der Perrishs?
Nun, ganz klar: damit niemand den Grund für die Ermordung der Frau herausfand, denn wenn nicht Sherlock auf die Existenz des Koffers geschlossen hätte und ihn nicht gezielt gesucht hätte, wäre er nie entdeckt worden.
Gut, also weiter.
Vielleicht wäre die Vergiftung des Futters ebenfalls nie entdeckt worden, wenn nicht durch eine Verkettung von Zufällen ausgerechnet John davon zu fressen bekommen hätte.
Und da Mycroft das Futter vom altern Mr. Perrish bekommen hatte, konnte man den eigentlich als Tatverdächtigen ausschließen.

Warum aber war es vergiftet worden?
Etwas spukte in seinem Kopf herum. Etwas, was er in der Praxis des Doktors gesehen hatte.
Er schlich auf leisen Pfoten durch seinen Gedankenpalast und suchte nach dem richtigen Gegenstand.
Und dann fand er ihn.
Er hatte an der Wand des Wartezimmers gehangen.
Es war ein Poster, genauer gesagt ein Werbeplakat für eine neue Sorte Hundefutter.
Es zeigte einen Hund und eine Katze vor der Silhouette Londons und hatte die Aufschrift:
„Dr. Millers Finest. Bestes Futter für Katzen und Hunde.
Demnächst hier erhältlich."
Und ganz klein darunter:
„Hergestellt von Hensson & Co."

Hensson & Co. Die Konkurrenzfirma des Unternehmens, bei dem Claras Mutter gearbeitet hatte und auch der junge Perrish bis vor kurzem noch beschäftigt gewesen war.
Hensson & Co. Die Firma bei der jener jetzt angestellt war.
Und schon fielen alle Puzzle Teile an ihren richtigen Platz und ergaben zusammen ein passendes Bild.

Das Futter war vergiftet worden, um die lästige Konkurrenz auszuschalten, damit Dr. Miller sein eigenes Futter um so besser absetzen konnte. Der Kauf des Landhauses war wohl doch zu viel für seinen Geldbeutel gewesen, so dass er sich zu solchen Mitteln gezwungen sah ...
Man stelle sich vor, was es für Auswirkungen gehabt haben würde, wenn all das vergiftetet Futter in Umlauf gekommen wäre. Mrs. Wilsons Firma hätte dicht machen können. Die ganze Angelegenheit war so schon schwer genug zu stemmen, aber unter solchen Umstanden wäre es der Ruin gewesen.
Doch Mrs. Wilson hatte die Sabotage entdeckt, wie auch immer ihr das gelungen war.
Man hatte sie erschlagen, den Koffer fortgeschafft und gehofft, der Mord würde als Selbstmord durchgehen, eingebettet in die Reihe seltsamer Selbstmorde, die die Stadt seit einiger Zeit erschütterten.
Und sicher hätte das auch funktioniert, wenn es nicht Sherlock gegeben hätte, der der ganzen Sache auf die Schliche gekommen war.

Und John.
Denn John hatte ihn immerhin erst auf die Sache angesetzt, John hatte ihm geholfen und wäre beinahe gestorben ...
Oh Gott, John! Der Welpe war immer noch in den Händen des Doktors!
Einen Augenblick erschrak Sherlock zu Tode, doch dann sagte er sich, dass der Doktor es jetzt nicht wagen könne, dem Kleinen etwas anzutun.
Dennoch machte er sich sofort wieder auf den Weg zur Praxis. Sicher ist sicher.
Erst würde er für Johns Sicherheit sorgen.
Hinterher dann würde er versuchen herauszufinden, wer Mrs. Wilson denn nun tatsächlich ermordet hatte: der Doktor oder sein Freund.
Und danach würde er sich Gedanken machen müssen, wie er das Lestrade klarmachen könne.

Aber zuerst, ja, zuerst einmal musste er sich um John kümmern

Wie Hund und KatzeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt