Sie waren eingeschlafen. Es war so ruhig und friedlich in diesem Raum, dass sie einfach eingeschlafen waren.
Sherlock erwachte, als die Tür zum Behandlungszimmer sich öffnete. Zuerst blinzelte er verschlafen, doch dann erkannte er, wer da in den Raum trat: Dr. Miller selber. Sofort war er hellwach. Seine Schnurrhaare zitterten.
Der Tierarzt beachtete die beiden im Körbchen allerdings nicht. Er hatte ein Handy am Ohr und sprach mit vor Ärger verzerrtem Gesicht und beißender Stimme:
„Du solltest mich doch nicht anrufen! Verdammt!"
Sherlock hielt die Augen fast geschlossen und atmete ruhig, so dass man ihn für schlafend halten konnte. John schien von seinen Medikamenten und all der Aufregung so erschöpft zu sein, dass er zu tief schlief, um davon zu erwachen.
„Nein, hör zu", schimpfte der Doktor leise in das Telefon.
„..."
„Nein, du hörst jetzt mir zu! Es war notwendig! Du weißt genau, dass ich pleite bin, wenn der Verkauf der neuen Tiernahrung nicht schnell und gut anläuft. Und dann sind all unsere Träume geplatzt ..."
„..."
„Nein, mein lieber, du warst ..."
Seine Stimme hatte sich erhoben. Er nahm sich zusammen und sprach wieder leiser, wenngleich immer noch wütend.
„Du warst derjenige der unbedingt ein Haus auf dem Lande ... Also komm mir jetzt nicht so moralisch!"
„..."
„Du bleibst wo du bist, rühr dich da nicht weg. Ich mache eher Schluss. Ich komme zu dir. Ja, ich bin bald bei dir, schließlich war ich ein paar Tage nicht in unserem Traumhaus, und ich möchte das doch mit dir genießen ... und dann reden wir. Einverstanden?"
Er stellte seine Stimme weich und freundlich. Doch der feinsinnige Kater spürte genau, dass der Zorn in ihm brodelte. Und als er dann aufgelegt hatte, hörte man den Doktor unterdrückt schimpfen: „Verdammt! Verdammt, verdammt!"
Der. Miller sah sich unschlüssig im Raum um. Den beiden Tieren schenkte er weiterhin keine Beachtung, und in diesem Augenblick war Sherlock das erste mal dankbar, dass die Menschen die Sprache der Tiere nicht verstanden, vor allem aber keinen Schimmer hatten, dass die Tiere jedes Wort von dem verstanden, was in Menschensprache geredet wurde.
Der Arzt ging zu einem der Schränke und nahm eine Packung mit Ampullen heraus sowie eine Spritze. Sherlock kannte das Mittel Er hatte es schon in der Praxis gesehen und seinen Zweck erkannt. Es war ein Medikament, um Tiere vor einer Operation oder etwas ähnlichem in einen Betäubungsschlaf zu bringen. Ein Pferd war auf der Packung abgebildet, was darauf schließen ließ, dass es das mit der stärksten Dosierung war.
Und so, wie Doktor Miller aussah, hatte er damit mit Sicherheit nichts gutes im Sinn.
Sherlock dachte nach. Sein Gehirn ratterte, Blitze schossen durch seine Synapsen.
Es war sicher, dass der Tierarzt mit seinem Freund, dem jungen Perrish, telefoniert hatte.
Aus dem was er eben gesagt hatte, schloss Sherlock zum einen, dass er es gewesen war, der Claras Mum getötet hatte. Und zum anderen, dass sein Freund wohl offensichtlich dahinter gekommen war und nun moralische Bedenken hatte.
Und so, wie der Doktor reagiert hatte, schwante Sherlock nichts gutes.
Kaum hatte der Arzt das Zimmer verlassen, schleckte Sherlock dem kleinen Hund über das Gesicht und flüsterte: „John! John! Wach auf!"
John blinzelte.
„Was ist denn los?"
Er sah Sherlock verschlafen an und nieste.
„John, ich weiß jetzt, wer der Täter ist! Hör zu!"
Und er erzählte seinem Freund in aller eile von dem eben belauschte Gespräch.
John war fassungslos.
„Sherlock!", bellte er leise.
„Wir müssen etwas unternehmen!"
Ja, zum Teufel, das mussten sie. Aber was?
„Sherlock", fiepte John, „du musst hier raus. Ich komme klar. Ich werde ja ohnehin bald von Harriet abgeholt. Und jetzt, da ich weiß, dass es hier nicht ganz ungefährlich ist, werde ich gut auf mich aufpassen. Ich bin immerhin schon bald kein Welpe mehr sondern bald ausgewachsen!"
Ach Kleiner, dachte Sherlock mit einem milden Lächeln. Aber John hatte insofern recht, als dass Sherlock sich jetzt einfach mal darauf verlassen musste, dass John zurechtkommen würde.
„Also Sherlock, am besten gehst du zur Tür, und ich werde laut bellen. Und wenn dann die Helferin kommt, springe ich um sie herum, als müsste ich Gassi ... na ja, wenn ich ehrlich bin, muss ich tatsächlich. Sie wird mich an die Leine nehmen. Aber du kannst mit raus schlüpfen und dann einfach verschwinden."
Sherlock nickte.
Ja, man musste zugeben, John war, wenn es drauf ankam, ausgesprochen praktisch veranlagt.
„Gut", sagte Sherlock, „so machen wir das."
Und wie würde es dann weitergehen?
Nun, er hatte noch keine rechte Idee. Aber egal, irgendwie musste er Lestrade klar machen, dass er den Mörder gefunden hatte. Und er musste verhindern, dass der Doktor noch einmal zum Mörder würde ... an seinem Freund.
Gesagt, getan. Kurze Zeit später war John an der Leine, gehalten von der netten Sprechstundenhelferin, im Garten des Hauses zum Pipi-machen. Und Sherlock war mitgekommen, war dann an einem Baum hinauf gehuscht und über ein Schuppendach auf und davon. Er hörte noch Johns Bellen hinter sich: „Pass auf dich auf!"
„Mach ich", miaute er und huschte ein paar Straßen weiter.
So, aber was jetzt?
Könnte er Mycroft irgendwie klar machen, dass er seine Hilfe brauchte? Aber was sollte Mycroft tun und wie sollte er es ihm vermitteln?
Oder sollte er versuchen, Lestrade zu finden? Aber er hatte keine Ahnung, wo der Polizist jetzt war!
Und das Haus ... irgendwie dorthin gelangen, und versuchen, den jungen Perrish zu beschützen? Aber auch hier wusste er nicht, wo das Haus war ... nun, das könnte vielleicht Wiggins raus finden, aber möglicherweise wäre es dann schon zu spät.
Ach Mann, er hätte Johns Hilfe jetzt wirklich gut gebrauchen können.
Er maunzte verzweifelt. Es kam selten genug vor, dass er, der kluge, den meisten Tieren und so gut wie allen Menschen mit Ausnahme vielleicht von Mycroft intellektuell überlegene Kater sich hilflos fühlte und einfach nicht wusste, was er tun sollte.
Plötzlich hörte er ein wohlbekanntes Bellen, und zu seinem größten Erstaunen sah er John auf sich zugelaufen kommen.
„Sherlock!", bellte der junge Labrador.
„Ich bin ihnen ausgerissen! Ich konnte einfach nicht anders!"
Und über Sherlocks Gesicht breitete sich ein erleichtertes Grinsen.
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Wie Hund und Katze
Fanfiction"Der neugierige und kluge Kater Sherlock Holmes schleicht auf leisen Pfoten umher. John Watson, der junge Labrador, ist sein bester Freund, mutig und herzensgut. Gemeinsam lösen sie einen Kriminalfall und stellen fest, dass ihre Freundschaft allen S...