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Genervt ziehe ich meine Tasche zurecht und werfe der Frau noch einen bösen Blick zu, bevor ich in die nächste Straße biege. Durch unseren Zusammenstoß reibe ich mir meinen Ellenbogen, jetzt wünschte ich mir Lexa an meiner Seite. Meine Freundin – ja inzwischen ist es offiziell – hat mich zum ersten Mal seit Wochen wieder alleine aus dem Haus, wofür jede Menge Überredungskraft nötig war. Ich war zwar nur kurz in der Galerie, wo ich dann zu hören bekommen habe, dass mir noch 10 Tage für das Gemälde bleiben, aber immerhin ein Anfang.

Wieder in Jaspers Loft angekommen rieche ich bereits die fertigen Cocktails, die mein Bruder jeden Freitag für uns macht, selbst Lexa lehnt diese Tradition nicht mehr ganz so sehr ab wie früher. Ohne Rücksicht zu nehmen knalle ich meine Tasche auf das Sofa, gefolgt von einem Seufzen von Jasper.

„Schon wieder da? Wo ist Lexa?"

„Wie ‚wo ist Lexa'?", frage ich verwirrt, erst jetzt durchsuche ich den Raum nach ihr. „Sie müsste doch hier sein?"

„Du hast ihr vor ein paar Minuten geschrieben ihr trefft euch in der Wohnung.", erklärt er als wäre es das Offensichtlichste der Welt. Ich ignoriere sein enges, durchsichtiges Oberteil und schüttle irritiert mit dem Kopf. „Oder, hast du nicht?"

Frustriert davon mich bewegen zu müssen greife ich nach meiner Tasche. Natürlich haben wir abgesprochen neue Klamotten zu holen, aber ich habe ihr doch keine Nachricht darüber geschickt. Ein unheimliches Gefühl macht sich in meiner Brust breit, als ich mein Handy nirgendwo finden kann.

„Jas...", beginne ich, sofort lässt mein Bruder von den Getränken ab und kommt zu mir. „es ist nicht hier, mein Handy, es ist weg."

„Okay, ganz ruhig. Irgendwo muss es doch sein." Unbeirrt zieht er mir meine Tasche aus der Hand und kippt sie über dem Tisch aus.

„Danke Jas."

„Es ist hier wirklich nicht."

Plötzlich fällt mir die Situation mit der Frau wieder ein, die mich angerempelt hat. Schon in diesem Moment hatte ich das Gefühl, etwas würde nicht stimmen, habe es aber ignoriert. Ohne es weiter zu erklären greife ich nach dem Laptop vor mir und öffne das Programm, mit dem die Kameras in Lexas und meiner Wohnung laufen. Obwohl sie damals eine gefunden hat – die andere Kamera ist noch immer aktiv.

Mein Atem stockt, auch Jasper atmet scharf neben mir ein, denn vor uns sehen wir einen Großteil der Küche, an der Lexa lehnt und immer wieder aufmerksam nickt. Sekunden später kommt eine zweite Person ins Bild, vor Schreck greife ich fest in Jaspers Oberschenkel, welcher meine Hand wegschlägt.

„Wer ist das?"

„Das bin ich!"

„Aber offensichtlich nicht!" Jasper zoomt näher heran, aber durch die schlechte Qualität können wir nicht viel erkennen, nur dass sie Person in der Wohnung genau so aussieht wie ich. „Es muss Rachel sein. Mit einer Perücke." Ich schüttle ungläubig mit dem Kopf.

„Was will sie? Ich meine, was soll das?"

„Das ist gerade ziemlich egal Clarkie.", äußert sich Jasper neben mir, als er nach seinem Handy greift. „Wir müssen so schnell es geht da hin."

„Denkst du das weiß ich nicht?", antworte ich genervt, ziehe meine Waffe unter dem Sofa hervor und lade sie.

„Oh shit..."

Ich schaue erst zu Jasper, der aber mit offenem Mund auf den Bildschirm starrt. Meine Kehle schnürt sich zu, als ich dort sehe, wie Rachel ganz nah vor meiner Freundin steht. Zielbewusst streicht sie mit ihrer Hand über Lexas Arm, meine Hände ballen sich zu Fäusten als das Gefühl der Eifersucht in mir aufsteigt.

The OrphanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt