4. Getting closer

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Am nächsten Morgen wache ich mit Kopfschmerzen auf. Ich hatte  gestern Abend definitiv zu viel getrunken. Als ich mit Jamie am  Frühstückstisch sitze, der wie immer frisch und munter aussieht, mustert  er mich argwöhnisch.

„Hattet ihr einen schönen Abend?"

Ich nicke und schiebe mir einen Löffel Müsli in den Mund.

„Wie geht es Carolina? Hab sie lange nicht mehr gesehen."

„Es geht ihr gut."

Immer noch beobachtet er mich, wodurch ich mich unwohl fühle.

„Woher kennt ihr diesen Paddy? Anscheinend noch nicht lange, sonst  hättest du mir ja schon mal von ihm erzählt, oder?"

Genervt sehe ich ihn  an. Wieso muss er immer alles analysieren?

„Wir haben ihn vor ein paar Wochen am Flughafen kennen gelernt", sage ich. Es ist ja nicht gelogen.

„Aha."

Ich bin froh als seine Fragerei aufhört und ergreife gleich die nächste Gelegenheit, um ins Badezimmer zu flüchten.

„Ich bin duschen."

Jamie stopft sich den letzten Rest seines Brötchens in den Mund und  schaut mir nach. Ich weiß das, weil er mir immer nachschaut. Er steht  auf Hintern. Leider ist das nicht nur bei mir so, weswegen es schon so  manchen Streit gegeben hat.
Die nächsten Tage sehe ich Patrick nicht. Es wundert mich nicht, Köln  ist ja groß, doch immer wieder ertappe ich mich, wie ich Ausschau nach  ihm halte. Es ärgert mich dass ich nichtmal seine Nummer habe. Aber er  weiß, wo ich wohne. Wenn er Kontakt will, könnte er jederzeit  vorbeikommen. Doch er will keinen Kontakt, muss ich mir nach zwei Wochen  eingestehen.



-



Es ist wieder einer dieser regnerischen Tage, an  denen man am liebsten nicht aus dem Haus gehen will. Doch ich habe Jamie  versprochen, seinen alkoholkranken Bruder von der Suchtberatung  abzuholen. Ich ziehe mein gelbes Regencape an, das ich aus England  mitgebracht habe, und betrachte mich im Spiegel. Ich muss grinsen, hier  in Deutschland ist es bestimmt ungewöhnlich, so etwas zu tragen. Doch  das ist mir egal, so lange ich trocken bleibe ziehe ich alles an. Ich  binde meine Haare zu einem Dutt und gehe aus dem Haus. Den kurzen Weg  zum Auto bleibe ich trocken, und aus dem Auto heraus betrachte ich  mitleidig die Leute, die nicht an einen Regenschirm gedacht haben. Ich  betrete das große Gebäude und fahre mit dem Fahrstuhl ganz nach oben.  Luke ist anscheinend noch nicht fertig, also setze ich mich auf einen  der Stühle vor der Tür. Schon einmal habe ich ihn hier abgeholt, und mir  war unwohl als ich zwischen den ganzen Alkoholikern saß, darum bin ich  jetzt froh, dass der Flur menschenleer ist.  Ich sehe auf die Uhr.  Anscheinend dauert es heute etwas länger. Mit Luke komme ich trotz  seiner Sucht ziemlich gut klar. Er ist wie ein kleiner Bruder für mich  und ich würde vieles für ihn tun, damit es ihm gut geht. Jamie passt das  nicht, er meckert immer dass ich so viel Zeit mit seinem Bruder  verbringe. Sie haben kein besonders gutes Verhältnis zueinander, was ich  schade finde. Darum hat es mich auch gewundert, als Jamie mich heute  morgen gebeten hat, Luke abzuholen.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als eine Tür aufgeht und jemand  den Flur betritt. Als ich den Kopf hebe, traue ich meinen Augen nicht.  Patrick verabschiedet sich von einem Mann und dreht sich dann zu mir um.  Als er mich sieht, hält er inne und seine Augen werden groß.

„Hallo", sage ich leise und versuche zu lächeln.
Patrick lächelt  ebenfalls, doch er wirkt wie ein scheues Tier, das verschreckt wurde.  Mit schnellen Schritten geht er zum Aufzug und wartet, dass die Türen  sich öffnen. Dann geht auch die andere Tür auf und Luke tritt auf den  Flur. Gut gelaunt kommt er auf mich zu.

AmelieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt