Ich verschränke die Arme vor der Brust. "Lilly? Wie würdest du dich beschreiben?" fragt sie mich direkt. Eingeschüchtert starre ich auf den Boden und würde mich am liebsten in Luft auflösen. Diese Frau ist mir unheimlich. Ich zucke desinteressiert mit den Schultern.
Als die Psychotante merkt, dass sie mich so nicht zum reden bringen kann, versucht sie es anders. "Dann frage ich dich jetzt einfach Mal direkt, Lilly. Du weißt schon, dass Mary und Chloe nicht existieren sollten?" setzt sie an. Ich nicke zaghaft. Es hat eine Zeit gegeben, in der die beiden nicht existiert haben, an die ich mich noch ziemlich gut erinnern kann.
"Ich möchte dir helfen, dass du Mary und Chloe nicht mehr brauchst! Was ist passiert, dass du Mary und Chloe ins Leben rufen musstest? Ich will dir helfen, das aufzuarbeiten!" informiert sie mich. Entsetzt reiße ich meine Augen auf und schüttele energisch mit dem Kopf. Dieses Thema ist und bleibt tabu, das habe ich mir geschworen!
Ich blicke die Psychotante verwirrt an. Lillian hat sich so plötzlich zurückgezogen, dass ich nur mit dem Kopf schütteln kann. "Bitte, Lilly. Es ist für alle Beteiligten das Beste so!" redet die Frau auf mich ein und ich ziehe amüsiert meine Augenbrauen nach oben. "Dann würde ich an Ihrer Stelle mal ganz schnell die Taktik ändern, so vertreiben sie die Arme Lillian nur!" meine ich und grinse sie schwach an.
"Mary oder Chloe?" fragt mich mein Gegenüber wachsam. "Ich bin die nette von den beiden. Da haben sie echt Glück, mich erwischt zu haben!" verkünde ich geheimnisvoll. "Also Chloe. Mary durfte ich ja vorhin schon kennenlernen!" meint sie, ersteres eher zu sich selbst.
War ja auch nicht so schwer zu erraten!
Nörgel nicht rum, sonst darfst du dich mit der lieben Frau Doktor unterhalten!
Ja, ja. Ist ja schon gut. Lass dich von mir nicht stören!
Danke!
Bitte!
"Also Chloe! Wie viel weißt du denn von dem, nennen wir es Problem, das euch heraufbeschworen hat?" fragt sie mich, woraufhin ich mit den Schultern zucke. "Ich weiß wahrscheinlich genauso viel wie Sie, nämlich gar nichts!" stelle ich klar. "Dann werden wir nicht drum herum kommen, ich würde gerne wieder mit Lilly sprechen!" verlangt die Psychotante.
Ich will nicht!
Das ist mir klar, aber letztendlich bleibt dir keine Wahl. Ich will keinen Liebeskummer mehr haben und wenn man es genau nimmt, macht Mary dir nur Ärger!
Na danke!
Tut mir ja Leid, Mary, aber es ist nun mal so!
Missmutig starre ich ins nichts. Die Psychotante redet auf mich ein, doch ich höre ihr nicht zu. Es ist schon schlimm genug, dass ich mich hier nicht verstecken kann und Mary und Chloe mir keine Rückendeckung mehr geben.
Hey Träumerin, aufwachen! Die Psychotante hat gesagt, dass sie eine kurze Pause machen will!
Ich zucke zusammen, als Marys laute Stimme plötzlich ertönt. Als Marys Nachricht zu mir durchdringt, atme ich erleichtert auf. Schonfrist, yuchu! "Möchtest du was trinken, Lilly?" fragt die Frau mich vorsichtig und ich nicke zaghaft. Ich trinke den Saft, den sie mir reicht und gehe noch kurz aufs Klo. Dort hege ich Fluchtgedanken, die sich erübrigen, weil wir gleichzeitig dort fertig sind. Dann ist die Pause auch schon wieder vorbei.
"Okay, Lilly. Fangen wir nochmal ganz von vorne an. Ich will dir helfen. Außerdem ist die Methode des Verdrängens nicht die beste. Ich kann verstehen, dass du das alles verdrängt hast, weil du alleine mit dem erlebten nicht fertig wirst. Ich kann dich beruhigen. Du bist nicht mehr alleine. Ich bin für dich da und stehe dir bei! Ich weiß zwar noch nicht was vorgefallen ist, aber in den meisten Fällen kann man auch noch rechtliche Schritte einleiten! Das hilft auch!" erkläre sie mir.
"Rechtliche Schritte?" echoe ich. "Ja. Nehmen wir mal an, jemand hätte dich verprügelt, dann kannst du denjenigen wegen Körperverletzung anzeigen und er kommt vor Gericht. Dort kann man dann eine einstweilige Verfügung gegen denjenigen erwirken, dann darf er sich dir nicht mehr als beispielsweise 100 Meter nähern. Vielleicht bekommt er eine Haftstrafe oder muss Sozialstunden ableisten!" macht sie mir ein Beispiel.
"Das ist ja alles schön und gut. Aber was ist, wenn ich das alles nicht will?" meine ich bissig. "Dann werde ich dich zu deinem Glück zwingen müssen. Da du noch minderjährig bist, ich jedoch die Erlaubnis deiner Mutter habe habe ich dafür freie Hand!" meint sie entschlossen.
"Sie wollen es also unbedingt wissen? Sind Sie so scharf darauf, dass jemand in den Knast kommt? Ich werde Ihnen beweisen, dass das in diesem Fall unmöglich sein wird!" fauche ich sie an und lasse die Erinnerungen auf mich einströmen.
"Ich muss für heute absagen!" sagt Dean schuldbewusst. "Schon wieder?" frage ich ihn enttäuscht. Er weiß doch ganz genau, dass der Donnerstag unser Tag ist. Seit Jahren schon! "Ja, wir müssen das Projekt fertig machen und sie ist über das Wochenende weg!" erklärt er mir. Pah! Das kann sich auch nur sie erlauben.
Von wem ich rede? Von Nathalie Porter natürlich. Zickig, hirntot und eine Nervensäge hoch zehn. Achja und meine ehemalige beste Freundin, bis wir uns letztes Jahr in den selben Jungen verliebt haben und sie sich ihn trotz unserer Abmachung gekrallt hat. Und jetzt krallt sie sich meinen besten Freund, indem sie mit ihm das Projekt macht. Denn sie kennt schließlich unsere Gewohnheiten.
"Wir holen es nach, versprochen!" versichert er mir leise, bevor er sich einfach umdreht und geht. Verdattert stehe ich auf dem sich leerenden Schulflur und sehe ihm stumm nach. Das hat er nicht wirklich getan? Die Klingel, die das Ende der Mittagspause ankündigt, weckt mich aus meiner Starre und ich hetze in den Unterricht, der einfach an mir vorbei zieht.
Langsam packe ich meine sieben Sachen ein und trotte zu meinem Spind, um die Hälfte davon darin zu verstauen. Plötzlich höre ich das unverkennbare Lachen von Nathalie und dann Dean. Mein Herz hört für eine Sekunde auf zu schlagen. Ein ungutes Gefühl beschleicht mich und ich gehe langsam in die Richtung, aus der ich die Stimme der Beiden gehört habe.
Vorsichtig schaue ich um eine Ecke und sehe sie auf dem Flur stehen. Mein Herz stockt, als ich bemerke, wie nah sich die beiden sind. Keinen Wimpernschlag später küssen sie sich. Was??? Sie küssen sich??? Entsetzt zucke ich zurück und mache auf dem Absatz kehrt. Ich muss hier unbedingt weg!
Einige Minuten vergehen, in denen es totenstill ist. "Das ist alles?" fragt sie mich schließlich ungläubig und starrt mich verstört an.

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For Three. Pandora.
Short StoryDrei Mädchen in der Pubertät. Drei unterschiedliche Geschichten. Wenige Stunden in drei Leben. Es tut mir Leid, aber leider sind es nur noch zwei Geschichten.