"Das kann nicht sein. Unmöglich", platzte es Toni nach einer Weile heraus. Ich seufzte schwer. Ich wollte das genauso wenig wahr haben wie er, doch warum sollte mein Vater lügen und das auch noch im Sterbebett? "Er hat es mir selbst gesagt, kurz bevor er gestorben ist. Wieso sollte er es nicht ernst meinen?" fragte ich ihn. Er zuckte mit den Schultern. Für das, was er gerade erfahren hatte, wirkte er sehr gefasst. Schließlich hatte ich ihm nicht irgendwas belangloses gesagt, sondern etwas sehr einschneidendes.
"Das ist krass", meinte er schließlich. Er schüttelte den Kopf. "Puh. Wow. Abartig", murmelte er vor sich hin. Das kann ich so gut nachvollziehen. Mit dieser Offenbarung hatte mein Vater mein komplettes Leben aus den Fugen gerissen, einfach so. Da saßen wir nun und starrten ins nichts. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Plötzlich sprang Toni, wie von einer Tarantel gestochen, auf und meinte: "Bin gleich wieder da." Dann war er verschwunden. Während ich wartete, brachte ich meinen Wasserhaushalt auf stand.
'Du bist so erbärmlich. Wieso hast du es nicht einfach für dich behalten? Dann hättest du auch noch bessere Chancen gehabt, von ihm durchgenommen zu werden', blöckte meine nervige und manchmal etwas perverse innere Stimme. Die hatte ja echt Probleme. Zuerst mich anmotzen, dass ich ihn wieder in mein Herz schleichen lasse und jetzt ist er auf einmal, zumindest für Sex gut genug? 'Halt die Klappe. Wie du weißt habe ich gerade andere Sorgen', schrie ich meine innere Stimme an. Wo blieb Toni denn nur?
"Ich habs gefunden. Hier, schau. Das ist das einzige Bild, was ich von meinem Erzeuger habe", trompetete Toni und hielt mir ein Foto unter die Nase. Ich nahm es ihm ab und schaute es mir genau an. "Von wann ist das Bild?" fragte ich ihn. "Von Februar 1997", antwortete er. Ich kniff meiner Augen zusammen. Eine gewisse Ähnlichkeit zu meinem Vater besaß der Mann auf dem Foto. "Und? Ist das dein Vater?" fragte er mich gespannt. "Es besteht eine gewisse Ähnlichkeit, aber sicher bin ich mir nicht", gab ich zu.
Er seufzte. "Dann heißt es wohl warten", murmelte er. "Warten? Worauf?" fragte ich ihn verwirrt. "Ja darauf, dass meine Mutter wieder heim kommt, damit ich sie nach meinem Vater fragen kann", erklärte er mir, als wäre ich ein kleines Kind. Ok. Das klang nach einem Plan. "Wann ist ihre Schicht denn zu Ende?" fragte ich ihn. "Um elf. Ich schätze, dass sie dann um kurz vor halb zwölf da ist", beantwortete Toni meine Frage. Dann hieß es jetzt also wirklich warten. Wie ich sowas hasste.
Wir warteten zuerst schweigend. Dann wurde mir die Stille unangenehm. "Verdammt. Ich muss mich ablenken, sonst bringt die Warterei mich bald um", platzte es aus mir heraus. Er lachte kurz auf. "Ungeduldig wie eh und je. Aber du kannst gerne einen Vorschlag machen, mit was wir uns ablenken sollen. Ganz egal wie idiotisch es auch ist", bemerkte er gedankenverloren. Na super. Ich hatte keinen blassen Schimmer was ich ihm vorschlagen könnte. Da kam mir die Idee.
"Das Bioprojekt", rief ich, vielleicht ein wenig zu begeistert, denn Toni schaute mich etwas komisch an. "Was denn? Du hast doch gemeint, dass es keine Rolle spielt was ich vorschlage. Du hättest ja auch selbst was vorschlagen können", schmollte ich, ohne eine Antwort seinerseits abzuwarten. Er hob beschwichtigend die Hände. "Ich habe doch gar nichts gesagt. Aber wenn wir hier schon zusammen sitzen, scheint das keine schlechte Idee zu sein", behauptete er.
Gesagt getan. Toni stapfte durchs Haus und kam wenig später, bewaffnet mit Laptop, Stiften und einem Block zurück. Dann pflanzte er sich neben mich und wir erforschten zusammen den Blutkreislauf. Zweieinhalb Stunden später klappte Toni den Laptop erschöpft zu. "Ich brauche unbedingt eine Pause. Du bist eine furchtbare Projektpartnerin", stöhnte er genervt. Oopsi! Ich wusste ja, dass ich, was sowas betrifft, anstrengend war, doch heute hatte ich mich scheinbar selbst übertroffen.
"Und ich dachte du kennst mich", maulte ich eingeschnappt. Er lachte. "Bis jetzt hatte ich aber noch nicht das Verknügen mit dir ein Referat vorzubereiten. Warum hast du mich nicht gewarnt?" sagte er amüsiert. Ich starrte ihn böse an. "Attacke!" rief er plötzlich, wie aus dem nichts und fing an mich zu kitzeln. Ich kreischte überrascht und versuchte mich zu befreien. "Hilfe! Lass das. Gnade!" kicherte ich atemlos. Kurz darauf hielt er inne. Ich sah ihn mit großen Augen an und musste schlucken.
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For Three. Pandora.
Short StoryDrei Mädchen in der Pubertät. Drei unterschiedliche Geschichten. Wenige Stunden in drei Leben. Es tut mir Leid, aber leider sind es nur noch zwei Geschichten.