Erstes Kapitel

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Nach nur vier Stufen hörte ich die ersten Geräusche der Reporter und Fotografen, die einen Blick auf mich und meine Tante erhaschen wollten. Ganz automatisch straffte ich meine Schultern und hob das Kinn. Sie sollten nicht sehen wie traurig ich wirklich war.

„Miss Newsome, sagen Sie, wie kommen Sie mit dieser Situation zurecht?"

„Ein hübsches Kleid. Warum haben Sie sich für dieses entschieden?"

Mit starrem Blick versuchte ich die Fragen zu ignorieren. Allerdings durchdrang eine junge Stimme meine Fassade: „Wo ist denn dein Bruder?" Ich wirbelte zu den Kameras herum. Augenblicklich wurden tausende Fotos gemacht. Doch diese interessierten mich nicht. Mit den Augen suchte ich die Fotografen nach der Stimme ab und fand schließlich ihren Träger. Es war ein kleiner Junge mit kurzem hellbraunen Haar und einer Kinderkamera in der Hand. Er war höchstens sieben Jahre alt.

Seine Mutter, die mit dem Fotografieren aufgehört hatte, als ihr Sohn mich so unformell angesprochen hatte, gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf und zischte ihn an, sich zu benehmen.

Ich bewegte mich auf den Jungen zu und sofort schaute mich seine Mutter ängstlich an. „Miss, es tut mi-", versuchte sie sich zu entschuldigen, doch ich machte eine wegwerfende Handbewegung und hockte mich vor den Jungen. „Wie heißt du?", fragte ich ihn. „Michel." Ich nickte. „Was wolltest du mich fragen?" Michel machte große Augen. „Ich... ähm... wollte fragen, wo dein Bruder ist", stotterte er. Ich lächelte ihn an und nahm seine Hand. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau. Aber, wo denkst du denn könnte er sein, Michel?", gestand ich. Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht wartet er da vorne auf dich." Er zeigte zum Ende des roten Teppichs, der zum Ausgang des Palastes führte.

„Ja. Du hast Recht. Bestimmt ist er da." Ich stand auf und tätschelte seinen Kopf. „Danke Michel", sagte ich noch und trat einen Schritt zurück. Michel's Mutter rüttelte ihn kurz an und Michel lächelte. Dann verbeugte er sich formal sehr tief. Ich neigte den Kopf leicht und knickste.

Juliet nahm wieder meine Hand und zwang mich damit, mich auf den Weg zu konzentrieren. „Tschuldigung", raunte ich ihr zu. Sie nickte. „Schon gut", sagte sie. Dann wandte ich meinen Blick zu den Toren des Palastes, die sich langsam öffneten.

Vier Meter. Drei Meter. Zwei Meter. Ein Meter. Und los. Ein letztes Mal atmete ich tief ein und verließ das Schloss mit wild pochendem Herzen.

Torn PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt