Fünftes Kapitel

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Seit Mutters Beerdigung war ein Monat vergangen. Ich saß auf meinem riesigen weißen Sofa neben meinem Ankleidezimmer und las ein Buch, als es klopfte und die Tür geöffnet wurde. Ich schloss das Buch und stand von der Couch auf.

Vater stand in meinem Zimmer. „Guten Morgen, Heather", begrüßte er mich. Ich stellte mich vor ihn und knickste. „Guten Morgen, Vater." Er lächelte zufrieden.

„Heute findet das Fest statt, dass ungemein wichtig für uns ist. Die Könige, Königinnen und ihre Kinder von Schweden und Lundra treffen in wenigen Stunden ein. Du weißt, dass wir die beiden Länder unbedingt als unseren Bündnispartner gewinnen müssen, um beim Falle eines Krieges gegen Termla, nicht unterzugehen. Die halbe Bevölkerung würde sterben." Er machte eine dramatische Pause und stolzierte zu meinem Fenster.

„Der Grund meines Erscheinens ist eine Aufgabe an dich." Ich spitzte die Ohren. Vater wollte noch nie etwas von mir, wenn so viel auf dem Spiel stand.

„Das Königspaar von Schweden hat einen Sohn. Er ist 18 und somit bereit eine Frau zu wählen", fuhr er fort und mir lief die Erkenntnis, was er von mir wollte, eiskalt den Rücken hinunter. Er wollte, dass ich den Prinzen umwarb.

„Deine Zofen haben dir bereits ein Kleid genäht. Sie sagten, es sei wunderschön und wäre perfekt für deine Aufgabe." Nun drehte er sich zu mir um und musterte mich.

„Du bist ein wunderschönes Mädchen und der Prinz wird dich nicht abweisen", beteuerte er und strich meine Wange entlang. Dann ging er zur Tür. „Du weißt, was auf dem Spiel steht." Damit verließ er das Zimmer und ließ mich allein mit meinem Schock zurück.

Diese Aufgabe war schwerwiegend. Würde ich es tun, wäre Vater zufrieden, aber ich würde mich schrecklich fühlen. Wenn ich es nicht tun sollte, würde Vater mich aus dem Palast vertreiben und ich wäre eine Verstoßene, eine Bettlerin, die niemand liebt. Aber trotzdem konnte ich nicht so fies zum Prinzen sein. Ich würde niemals irgendjemanden so anlügen. Wenn ich heiraten würde, sollte es jemand sein, den ich wirklich liebte und der mich so akzeptierte wie ich wirklich war und nicht, wie ich vorgab zu sein.

Schnell stürmte ich zur Tür und riss sie auf. Vater stolzierte gerade den Gang entlang und als er die Tür hörte, drehte er sich um. „Nein!", rief ich und krallte mich an die Tür. Vater wirkte überrascht. Doch dann verhärtete sich seine Miene und er lief schon fast rot an. Oh oh. Ich bereute meine Entscheidung zwar nicht, aber ich bekam es mit der Angst zu tun.

Vater stürmte mit geschlossenen Händen auf mich zu und riss meine Handgelenke schmerzhaft nach unten. Ich versuchte mich instinktiv aus seinem Griff zu wenden, was ein weiterer Fehler war. Vater trat noch näher an mich heran.

„Ich habe dich bisher immer aus allem herausgehalten, was mit dem Herrschen über ein Land zu tun hat! Ich habe dir nie eine einzige königliche Aufgabe gegeben, weil ich weiß, dass du das hasst! Nie! Und jetzt weigerst du dich ein einziges Mal etwas für das Land und mich zu tun!? Damit dankst du mir?", schrie er und lief knallrot an. Dann presste er meine Handgelenke weiter nach unten. „Antworte!", fauchte er.

Ich erschrak und Tränen füllten meine Augen. Nein! Ich biss die Zähne zusammen und schaute Vater abwertend an. „So etwas kannst du nicht von mir erwarten. Ich werde den Prinzen nicht verführen! Niemals!", gab ich zurück und riss mich los.

Eine Ader an Vaters Kopf zuckte verräterisch und er hatte Mühe sich zurückzuhalten, um mir nicht sofort eine zu scheuern. „Du bist eine verzogene Göre. Tritt mir heute nicht mehr unter die Augen, sonst kann ich für nichts mehr garantieren", drohte er und verschwand ohne ein weiteres Wort.

Ich atmete schnell und hektisch und kehrte in mein Zimmer zurück. Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr zurück halten. Noch nie hatte ich Vater so wütend gesehen.

Ich setzte mich auf mein Bett und zog meine Knie an mich. Dann zog ich den Kopf ein und schluchzte. Ich hatte ihn verärgert und enttäuscht. Aber warum das Alles? Weil ich meinen Willen bekommen wollte. Ich hatte ihn immer bekommen, wie man es sich von einer Prinzessin vorstellte. Sofort versiegten meine Tränen. Vater hatte mir tatsächlich zum ersten Mal etwas befohlen, das ich nicht wollte. Sonst hatte er mich immer nach meinem Wille gefragt. Und diese erste Mal hatte ich nein gesagt. Ich war egoistisch.

Eine Stunde später kamen meine Zofen mit einem schönen Kleid in mein Zimmer gestürmt. Kira zog mich aus und Caroline ließ mir ein Bad ein. Nach weiteren 30 Minuten stand ich angezogen in meinem Zimmer.

Joslyn, meine dritte und letzte Zofe, hatte mir ein neues Kleid genäht, da ich das von Vater unter keinen Umständen anziehen wollte.

Das Neue war trägerlos und türkis. Bis zur Taille war es enganliegend. Dann weitete es sich mit Tüll bis zum Boden. Die Brust war mit silbernen Steinchen bestickt. Der untere Rand des enganliegenden Teils war ebenfalls mit diesen Steinchen verziert, die man auch in kleinen Punkten verteilt auf dem Tüll finden kann.

Kira scheuchte mich ins Bad zu meinem Spiegel, vor den ich mich setzen sollte. Dann schminkte sie mich, während Caroline sich um meine langen braunen Haare kümmerte und Joslyn mir die Nägel silbern lackierte.

Nachdem Caroline meine Haare eingedreht und elegant hochgesteckt hatte, legte sie mir silberne Kreolen an, die zu der dezenten Kette passten, die ich trug. Der Anhänger war ein Blitz, den mir Care einmal geschenkt hatte.

Nach weiteren zehn Minuten hatten die drei ihr Kunstwerk vollendet und ich betrachte mich zufrieden im Spiegel.

Meine Augen waren leicht schwarz umrandet und meine Lippen waren rot.

„Wow. Danke. Ihr habt euch mal wieder selbst übertroffen", lobte ich sie und umarmte jeden von ihnen. „Und danke, dass ihr... Naja, nicht Vaters Idee umgesetzt und mir aufgezwungen habt." Joslyn schnaubte. „Wir wollen, dass Sie glücklich sind, Miss."

„Wir sind doch Ihre Zofen und nicht die Ihres Vaters", stimmte Kira zu.

„Du siehst herausragend aus." Abrupt drehte ich mich um und drückte mit der Hand auf meine Brust, auf die Stelle, an der mein Herz saß.

Dean lehnte am Türrahmen meines Zimmers und schmunzelte. Er trug einen dunkelblauen Anzug mit einer schwarz-weiß gepunkteten Krawatte.

„Du kannst mich doch nicht so erschrecken!", stieß ich aus und ging zu ihm. „Aber danke. Du siehst auch nicht schlecht aus."

Dean schnaubte. „Ich sehe nicht nur nicht schlecht aus. Ich bin atemberaubend." Er zog seine Augenbrauen hoch und streckte den Brustkorb vor. Ich schlug ihm gegen den Arm und überprüfte meine Haare.

„Können wir los?", fragte ich dann, woraufhin Dean nickte und mir den Arm hinhielt, sodass ich mich einhakte.

Torn PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt