Teil 3

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Froh nicht mehr durch den Regen laufen zu müssen, lies ich mich auf die Bank der Bushaltestelle fallen. Auf dem Weg hierher hatte ich den Anfang eines mehr oder weniger realistischen Zukunftsplan im Kopf entworfen. Zuerst würde ich nach Köln fahren, denn in diesem Kaff konnte ich ja nicht bleiben. Hoffentlich würden mich ein paar LetsPlayer vorerst aufnehmen...

Mit kalten Fingern zog ich mein Handy aus dem Rucksack und begann meine Kontakte durch zu scrollen. Als ich ihn endlich gefunden hatte, tippte ich auf den grünen Hörer und checkte neben her was meine Schwester mir so eingepackt hatte. Die wichtigsten Sachen wie Laptop, Geldbeutel und Ladekabel waren da. Dazu hatte sie mir noch etwas Kleidung eingepackt. Mit zittrigen Fignern inspizierte ich die Kleidung genauer. Viele dünne Sachen wie T-Shirts und so, aber auch lange Hosen und Pullis. Kurz spielte ich mit dem Gedanken mir trockene Socken anzuziehen,  doch verwarf ihn sofort. Meine Schuhe waren ja innen auch nass, das wäre Verschwendung, die ich mir nicht leisten konnte.

P:Ja, Hallo? Meyer am Apparrat?

L: Ah, hi. I-ich bins... ähm, Sams.

P: Lucki! Was gibts?

L: Ähm, also... Ich...

P: Sach ma, Kleener. Bist du betrunken oder wieso rufst du so spät noch an?

L: Himmel, Nein! Ich wollte dich fragen ob ich vielleicht für ein paar Tage durchkommen könnte.

P: Klar, aber davor muss ich aber noch mein Zimmer aufräumen. Hehe!

Ich schmunzelte bei dem kleinen Wahtsapp-Insider, wurde dann aber sofort wieder ernst.

P: Wann dann? So um Weihnachten kann ich nicht, aber ansonsten gerne.

L: Dann vielleicht morgen?

P: No joke?

L: Also.. nur wenn es bei dir geht, natürlich. Ich find auch noch jemand anderen, wenn bei dir nicht passt. I-Ich meine...

P: Würde gehen, aber was ist mit deinen Eltern?

Autsch.

Ich versuchte meine Stimme zu festigen, doch gelang es mir nicht wirklich.

L: Es sind Ferien. K-Kann ich kommen oder nicht?

P: Ja, klar. Aber warum?

L: Danke, wirklich. Ciao!

P:Bis dann?

Ich legte auf und lies einen höchst verwirrten Youtuber am anderen Ende der Leitung zurück. Schnell packte mein reduziertes Hab und Gut  zurück in den Rucksack und sah erst auf den Fahrplan, dann auf die Uhr.

Mein Bus zum nächstgrößeren Bahnhof würde um 00.45 gehen. Ich hatte also noch eine halbe Stunde. Suchend sah ich mich um, ich musste mich irgendwie ablenken. Nachdenken, war noch zu früh, ich wollte noch nicht. Ich konnte noch nicht. Auf dem Weg hier her hatte ich es geschafft, meine ganzen Gedanken und Gefühle in eine schwarze Kiste zu stopfen und diese zu verriegeln, bis ich bereit wäre sie zu öffnen. Und das war ich definitiv noch nicht.

Ich rieb meine Hände aneinander und versuchte sie irgendwie wieder warm zu bekommen. Für ein, zwei Sekunden half es sogar, doch dann waren sie wieder so kalt wie davor. Frustriert legte ich meinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Der Drang auf irgendetwas einzuschlagen kam in mir hoch. Wie viel wohl ein einfacher BHS-Mülleimer aushält?

"Ey, Alter! Was machst denn du hier draussen?"

Och, nö.

Nicht jetzt.

In exakt zwölf Minuten kommt mein Bus in die Freiheit. Wieso konnte er nicht einfach umdrehen und in einer viertel Stunde wieder kommen?

„Ey, Sams, hörst du mich? Was machst du hier?"

SamstgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt