Teil 7

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Im ersten Augenblick wusste ich nicht genau, wo ich war. Warmer Atem traf meinen Nacken, lies mich wohlig erschaudern, bis mir einfiel, wer da hinter mir lag. Vorsichtig, um Palle nicht zu wecken, drehte ich mich um wobei sein Arm von meiner Hüfte rutschte.

Er sah so friedlich aus...

Seine Gesichtszüge waren komplett entspannt und er wirkte jünger, als er eigentlich war.

Wobei, wie alt war Palle?
Ich wusste es nicht, aber so alt bestimmt nicht.
Vielleicht um die zwanzig?
Unwillkürlich fragte ich mich, wie viel Erfahrung er schon hatte und wie es wohl wärey ihn zu küssen.

Seine vollen, weichen Lippen in diesem sinnlichen Rotton...

Im Schlaf leicht geöffnet...

Mein Blick klebte förmlich an ihnen, bevor er weiter runter wanderte. Seine markanten Kinnkonturen. Wie gerne hätten meine Finger sie nachgezeichnet. Meine Hand streckte sich wie von selbst aus, doch berührte ich ihn nicht. Die Hitze, die von ihm ausging, konnte ich an meinen Fingerkuppen spüren. Kurz wechselte sein Gesicht und Nils lag da.

Nils.

Ein Name, der unangeneheme Erinnerungen hervor rief.
Erinnerungen, die ich gleich wieder verdrängte und wegschloss.

Ich durfte nicht lieben.
Weder Palle noch Nils. Denn keiner der beiden würde diese Liebe erwiedern. Palle war ja nicht mal schwul und Nils auch nicht. Nils, das ganze von Neuem würde mir nur wieder das Herz brechen.

Kopfschüttelnd zog ich meine Finger zurück und richtete mich auf.
Mein Blick glitt erneut durch das Zimmer, bevor ich mein Handy auf dem Nachttisch entdeckte. Darauf bedacht Palle nicht zu wecken, griff ich über ihn hinweg, angelte mir das kleine Stück Technik und öffnete ohne Nachdenken den Messagerdienst.
Meine Mutter hatte mir geschrieben.

Leise seufzte ich.

Bestimmt waren es nur irgendwelche Beschimpfungen und Verleumdungen, auch wenn dies eher der Stil meines Vaters war.

Es passte einfach nicht zu ihr, mir irgendwelchen Hate auf Neandertalerniveau entgegen zuwerfen.

Doch was sollte sie sonst von mir wollen?

Mein Finger tippte wie von selbst auf den Kontaktnamen. Der Chat öffnete sich und ich konnte kaum fassen was da stand.

Sie bat mich um ein Treffen. Neutral und mit Punkt und Komma. Weder Ablehnung, noch Zuneigung. Einfach nur die simple Frage nach einem Treffen. Ein Ort, ein Datum und eine Uhrzeit...

War ich dazu schon bereit?

Ich wusste es nicht...
Doch irgendwann müsste ich mich damit beschäftigen. Es machte keinen Sinn, ewig davor weg zu laufen.

"Luckas?"

Palle setzte sich auch langsam auf und sah zu mir runter.

"Morgen Palle."

Meine Stimme klang rau und emotionslos.

"Guten Morgen. Wie hast du geschlafen?"

Seine braunen Augen. Gotz, diese wunderschönen braunen Augen!
Ich merkte wie ich langsam in ihnen versank. Sie waren wie Treibsand. Aber seit wann?

"Gut, danke. Und du?"

"Auch gut. Ich glaube du solltest öfters neben mir schlafen."

Mit einem müden Kichern wuschelte er mir durch die Haare. Dann fiel sein Blick auf mein Handy.

"Mit wem schreibst du denn da?"

"Meiner Mutter."

Meine Stimme wurde um ein gutes Stück schärfer und auch kälter. Unsanft legte ich das Handy zurück auf den Nachttisch.

"Du weißt, du kannst mit mir reden?"

Er legte mir eine Hand auf die Schulter und zog mich zu sich. Dadurch, dass wir beide nur Boxerahorts trugen fühlte sich die ganze Situation sehr intim an. Als wären da keine Kleider, keine Hüllen die etwas verstecken könnten.

"Ja. Es ist nur so, dass..."

Ich stockte kurz und überlegte, ob ich dies wirklich tun sollte. Da zog mich Palle näher an sich, ich konnte seine Wärme spüren. Seinen Geruch unverfälscht durch Deo riechen.

"Dass?"

Ich zauderte noch ein letztes Mal.
Doch dann sprudelte alles aus mir raus.
Alles, was sich angestaut hatte. Als würde man einen Damm einreißen.
Alles, was passierte an diesem Abend.

Ich erzählte Patrick von Nils. Wie wir uns kennenlernten und öfters traffen.
Wie er mir sagte, ich wäre nur eine Wette gewesen und nicht mehr wert als eine billige Schlampe.
Ich erzählte auch, dass Nils mich irgendwie weiterhin wollte und eifersüchtig auf Matze, meinen damals besten Freund, war.

Es fühlte sich an als wäre alles Jahrzehnte her. Doch wie lange war es wirklich?

Ich schilderte den letzten Beef zwischen uns und wie er mein Ex seine Drohung, meine Sexualität öffentlich zu machen verwirklichte.
Meine Stimme stockte als ich von dem Abend des Rausschmisses redete und den Ablauf wiederholte. Die Tracht Prügel meines Vaters war mir noch gut in Erinnerung geblieben. Auch die Nachricht meiner Mama erwähnte ich.

"Oh."

War das einzige was Palle dazu sagte, als ich endete.

Dann nahm er mich fest in den Arm.

"Es tut mir so leid, was du durchmachen musstest und ich bin froh das du von dort weg bist. Ich pass auf dich auf, Lu."

"Danke."

Wir sanken zurück in die Kissen und ich schlief an ihn gekuschelt nochmal ein.

SamstgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt