12. Das Wunder

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Wenn Malorog weinen könnten, würde En es tun, doch er konzentrierte sich auf den Flug. Endlich waren sie auf dem nächsten menschlich besiedelten Planeten angekommen und brachten Cass ins Krankenhaus. Natürlich wurden sie misstrauisch beäugt, und der Arzt, der mit En sprach, schaute ihn nicht mal dabei an. Nun ja, Cass sah aus, als hätte En sie vergewaltigt. In der Nacht zuvor war er so wild gewesen, dass er ihren Rücken zerkratzt und sogar aus Versehen ihr Gesicht getroffen hatte, doch selbst das hatte sie nicht davon abgehalten, laut unter ihm zu kommen. Von ihrem Gesäß ganz zu schweigen, sie hatte ihn gebeten, sie mit seinem Schweif zu schlagen, es machte sie ganz wild, wenn er sie erst sanft damit liebkoste und dann plötzlich zuschlug. Das muss ein Ende haben, dachte En. Der Arzt schaute auf seinen Brustkorb und erklärte:

„Nun, irgendetwas wächst in der Gebärmutter der Patientin. Ich kann ihnen nicht sagen, was es ist, aber die Patientin reagiert allergisch darauf und befindet sich in einem anaphylaktischen Schock. Wir müssen es aus ihr heraus holen, sonst verlieren wir sie. Wer sind ihre nächsten Angehörigen?"

„Ich bin ihr Ehemann, das habe ich doch schon gesagt!" zischte En wütend. „Jetzt gehen sie und retten sie das Leben meiner Frau!"

„Erst müssen sie ein paar Unterlagen unterschreiben. Es könnte sein, dass wir ihre Gebärmutter entfernen müssen."

En stöhnte und unterschrieb alles, was der Arzt ihm hin hielt, dann verschwand der Arzt. Die nächste Stunde war die längste in seinem Leben, und hätte er nicht Ma'Ku neben sich gehabt, die mit ihm vor die Tür ging und sich mit ihm prügelte, bis er ruhiger wurde, hätte er wohl einen Arzt oder eine Schwester angegriffen. Endlich kam der Arzt wieder. Er meinte, Cass sei hart im Nehmen und hätte alles überstanden, jedoch hatte sich das eiartige Gebilde so in ihr eingenistet, dass er die Gebärmutter herausnehmen hätte müssen. Er berichtete, dass die Frucht untersucht worden war, jedoch nicht lebensfähig gewesen wäre und so entsorgt wurde. Cass bräuchte jetzt Bettruhe, sie würde noch ziemlich stark bluten.

„Die Schwestern sagen ihnen Bescheid, wenn sie zu ihr können." schloß der Arzt.

En nickte. Ma 'Ku legte ihre Hand auf seinen Rücken, doch er schüttelte sie ab. Dann rief die Schwester und En fühlte sich unendlich schuldig, als er Cass so blaß und ausgezehrt in dem Bett liegen sah. Beide hatten nie darüber nachgedacht, dass so etwas hätte passieren können, denn sie gehörten einer fremden Spezies an und es wäre normalerweise unmöglich, ein gemeinsames Kind zu zeugen. Doch nun hatte er seiner süßen Frau ein Ei verpasst, wie die Malarog gerne scherzten. Natürlich konnte ihr menschlicher Körper damit nicht umgehen! Und das machte es doch mehr als deutlich, dass er sich, wenn er sie schützen wollte, zurück ziehen musste. Cass wimmerte leise im Schlaf und ihre Hand suchte nach seiner. Er starrte darauf und es brach ihm das Herz, als er seinen Ring abnahm und auf ihren Nachtschrank legte. Dann ging er.

Als Cass erwachte, fühlte sie sich schwach und hatte Unterleibsschmerzen. Sie kannte es, sie hatte einmal eine Fehlgeburt gehabt- zum Glück, sie hatte das Kind nicht haben wollen, denn es war von einem anderen Soldaten gewesen, der sie gleich nach der Nummer sitzen gelassen hatte. Doch nun konnte sie doch nicht...Sie blickte in Ma'Ku's besorgte Augen.

„Hey, Adelheid." grinste die Prinzessin.

Cass verzog den Mund und stupste ihre neu gewonnene Freundin an. Ma'Ku klärte sie auf und Cass wurde blaß.

„Ich dachte, ich könnte die Pille weglassen, weil...naja. Wo ist En?"

„Er...musste nach Garderoba. Die Lage zwischen den Tui und uns spitzt sich wieder mal zu." log Ma'ku, obwohl sie wußte, dass Cass es vielleicht durchschaute.

Sie bemühte sich, nicht daran zu denken, das En Cass verlassen hatte, doch sie war so mitgenommen und wütend, dass es ihr nicht gelang. Außerdem fiel Cass' Blick auf den Ring auf ihrem Nachtschrank. Sie griff nach ihm und strich über die Inschrift. „ Heidi und En'Ok= ein Haus."

Sie hatte ihn dafür verprügelt, dass er „Heidi" hatte eingravieren lassen. Naja, eigentlich war es wieder in Sex ausgeartet. Wie immer. Und nun las sie in Ma'Ku, dass ihr Mann sich nicht traute, ihr zu sagen, dass er es beenden wollte. Weil er ihr nicht mehr weh tun wollte. Doch das tat noch viel mehr weh als die Unterleibsschmerzen und alle blauen Flecken zusammen! Cass begann, zu weinen, ohne Ma'Ku zu sagen, warum, aber die Malarog hatte schon begriffen. Sie tröstete Cass sanft. Doch irgendwann bat die Menschenfrau um Ruhe. Die Prinzessin ging, flog zurück nach Malaroga. Cass schlief einen ganzen Tag durch und fühlte sich körperlich etwas besser, als sie wieder aufwachte. Ihre Bettnachbarin deutete auf Cass' Fußring und fragte:

„Sind sie von einem Sklavenschiff?"

„Nein." lächelte Cass stolz. „Das ist ein Malarog- Ehering. Mein Mann ist Commandant."

Die Nachbarin schüttelte irritiert den Kopf. Dann fiel Cass wieder ein, dass En ja gar nicht mehr da war. Sie stand auf und ging zur Toilette. Die Blutung war etwas weniger, roch aber übel. Nun, sie bekam Antibiotika und Antiallergika und diese zeigten bereits Wirkung. Sie wusch sich und begann, eine Schwester zu suchen, um zu erfahren, wie lange sie noch bleiben müsse. Es war spät am Abend und kaum jemand war zu sehen. Als sie an dem verglasten Babyzimmer vorbei kam, beobachtete sie einen Moment die kleinen, rosa Bündel und wurde traurig. Doch sie hätte auch ein Malarog- Kind gerne groß gezogen. Zur Not hätte sie sich auch auf ein Ei gesetzt! Eine Tür ging auf und eine Schwester kam heraus. Cass wollte hinterher, doch plötzlich spürte sie, dass derjenige, der sich hinter der Tür befand, dafür schämte, was er tun musste. Neugierig geworden, schlich Cass in den Raum und versteckte sich hinter einem Vorhang, als auch der Arzt ging. Sie betrat den nächsten Raum und blieb wie angewurzelt stehen. Sie hätte nicht mal das Schild lesen müssen, um zu wissen, dass ihr Ei, oder Kind, oder was auch immer es war, in dem Brutkasten steckte. „Humanoid/Malarog Hybrid." stand da, dann ihr Name und das Datum von vorgestern, also den Tag, der völlig aus ihrer Erinnerung gestrichen war. Sie hörte Schritte und flüchtete schnell aus einer anderen Tür hinaus. Doch nun war sie in einem Treppenhaus und kam nicht mehr zurück. Nach unzähligen Stufen brach sie erschöpft zusammen. Ein Pfleger fand sie und brachte sie zurück auf ihr Zimmer, wo sie sofort einschlief und Albträume von ihrem Baby hatte. Sie weinte und spürte, wie ihre Hand genommen wurde. Die andere Hand war kühl und rauh. Sie öffnete die Augen. En blickte sie an und sie fühlte, dass er Weinen würde, wenn er könnte. Er war völlig verzweifelt. Hin- und her gerissen zwischen seiner tiefen Liebe zu ihr und seinem Schuldgefühl, sie fast getötet zu haben. Cass kam hoch und legte ihre Arme um seinen Hals. Sie weinte leise.

„Kann ich mit dir irgendwo ungestört reden?" schluchzte sie.

En hob sie sanft auf den Arm.

„Ich kann laufen!" protestierte sie.

„Aber nicht auf das Dach." lächelte er.

Cass warf einen Blick auf ihren Nachtschrank, sein Ring war fort. Er hatte ihn wieder um! Kaum auf dem Dach, zog er sie auf seinen Schoß und umschloß sie mit seinen Flügeln. Sie seufzte glücklich.

„Es tut mir leid, ich kann dich nicht verlassen." raunte der große Vogelmann.

„Du sollst mich auch nicht verlassen!" sagte Cass bestimmt.

„Du wärst fast gestorben...Meinetwegen." greinte er.

„Ich bin's aber nicht. Und die Gefahr, dass es wieder passiert, ist vorbei, da ist nichts mehr in mir, was deinen Samen aufnehmen kann. Also ist doch alles Roger."

„Du kannst keine Babies mehr bekommen, wo ist dann alles in Ordnung? Vielleicht willst du ja doch irgendwann einen Menschenmann und..."

Cass drückte ihre Finger auf seine Lippen.

„Ich will nur dich. Wie ich es dir geschworen habe, für immer. Und wenn du mich verlässt, dann sterbe ich als alte Jungfer. Naja, nicht ganz, vielleicht suche ich mir ne einsame Berghütte."

Er lächelte und küsste ihre Finger. Cass schloss die Augen und seufzte:

„En...wir sind immer noch Eltern..."

Die AnderenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt