Am nächsten Morgen sieht alles ganz anders aus. Die Straßen sind voll von Menschen und abgesehen von der durchwachten Nacht bin ich ziemlich guter Dinge. Doch trotzdem werde ich kein Fan mehr von Dubai. Es ist staubig, trocken, laut und pompös hier. Eine Stadt, deren einziger Reichtum die arabischen Ölreserven sind. Doch weil die Rohstoffe langsam zur Neige gehen versucht man im Finanzsektor eine neue Geldquelle zu erschließen. Wolkenkratzer renommierter Banken und anderer Finanzgesellschaften schießen wie Pilze aus dem Boden. Ich bin froh nicht lange Teil dieses Molochs zu sein und hake mit Anna die wichtigsten Sehenswürdigkeiten ab. In glühender Hitze.
Die Burj Khalifa, das höchste Gebäude der Welt, kostet über 100 Euro Eintritt pro Person. Einen Preis, den wir nur zahlen, weil wir aus Versehen mit Marokkanischen Dirham rechnen.
Abends bin ich froh im Flugzeug nach Singpur zu sitzen. Dubai werde ich in diesem Leben nicht noch mal besuchen. Vermutlich nur für Menschen interessant, die außer Shoppen und Wellness nichts anderes im Sinn haben.Singapur hingegen mag ich auf Anhieb. Ein Schmelztiegel der Kulturen. Aus jeder hat man sich hier zwei Feiertage genommen, die offiziell gelebt werden. Gerade ist das chinesische Neujahr zu Ende und wir werden Zeuge ausgefallener Dekorationen. Hier haben wir eine schöne Zeit und lernen uns besser kennen. Anna redet ununterbrochen, doch das macht mir nichts. Ich kann gut zuhören und finde ihre Geschichten irgendwie amüsant. Auch hat sie alle möglichen Aufgaben für mich, die ich in Windeseile versuche zu erfüllen: "Halt das mal, trag das mal, frag den mal, pack das mal in deinen Rucksack, guck mal da, wo geht es lang?, kann ich mal dein Handy haben?, ich muss das kaufen, ich brauche noch ein Souvenir, gib mir mal das aus deinem Rucksack, mach mal ein Foto von mir - nein nicht so - So!, ..." Doch das tue ich alles gerne. Schließlich bin ich froh nicht allein unterwegs zu sein.
Wir verbringen zwei Tage hier und ziehen dann weiter Richtung Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias. Und hier stimmt dann schon etwas nicht...Es ist fünf Uhr früh als wir ankommen und unser Hostel ist noch geschlossen. Hinter uns erhebt sich ein monolithisches Gebäude, doch alles ist totenstill. Ich fühle mich wie in einer Geisterstadt.
Vor dem Hostel gibt es eine Sitzgelegenheit. Ich setze mich auf eine der Holzbänke und warte auf Anna. Doch die steht einfach wie angewurzelt da und starrt mich an.
"Was ist denn los?" Sie gibt ein Geräusch von sich, was sich ein bisschen so anhört als würde ein Walross einen Traktor zu Welt bringen. Und dann sehe ich, was sie meint. Hinter mir haben sich fünf kleine Katzen versammelt. Keine davon älter als wenige Wochen.
"Wie goldig ist das denn? Ist ja der absolute Hammer!", rufe ich und will eine der Katzen auf den Arm nehmen.
"FASS DIE NICHT AN!" Annas Augen funkeln. Sie sieht noch immer schockiert aus. "FASS DIESE BIESTER BLOß NICHT AN."
Ich bin etwas verdutzt. "Wieso nicht? Sind doch total süß, oder nicht?"
Anna ist wohl anderer Meinung und tritt nach einer der Katzenbabys, das den vergeblichen Versuch unternimmt sich an ihre Unterschenkel zu schmiegen.
"Die könnten Tollwut haben. Wir sind hier in einer fremden Kultur. Die könnten alles haben", sagt sie. Ihre Miene verzieht sich als habe sie gerade an einem umgefallenen Glas Milch genippt. "Ich will hier nicht bleiben."
Ich bin ehrlich gesagt ziemlich enttäuscht über ihren Ekel. Seit unser Kater Nelson tot ist, habe ich ziemlichen Katzenentzug und wann trifft man schon fünf kleine Katzenbabys? Doch will ich mich nicht mit Anna streiten und nehme selbst etwas Abstand zu meinen pelzigen Freunden.Die nächsten zwei Stunden verbringe ich damit für Anna einen WLAN Hotspot zu suchen, damit sie unseren Tag planen kann. Es scheint ihr enorm wichtig jede Sekunde so effizient wie möglich auszunutzen. Schließlich will sie ja auch was bekommen für ihre Mühen. In dem Hostel mit den Tollwutkatzen kommen wir schließlich auch unter und schauen uns Kuala Lumpur an. Hier gibt es eine riesige Buddhastatue mit einigen Tempeln. Doch am meisten freue ich mich auf den Orchideen Park, der einer der prachtvollsten der Welt sein soll. Anna scheint hier allerdings von Minute zu Minute unglücklicher zu sein. Ich frage mich, was genau mit ihr los ist. Hat sie immer noch Angst ich könnte sie mit Tollwut anstecken? Oder verbirgt sich mehr dahinter?
Im Orchideenpark zockelt sie nur noch langsam hinter mir her und redet auch nichts mehr. Das ist eigentlich ganz angenehm, denn die letzten Tage hat sie einen Monolog geführt, dem zu folgen nicht immer einfach war.
"Ok, was ist denn los?", frage ich als wir an einer ruhigen Stelle ankommen.
"Ja, wir sollten uns mal unterhalten", sagt Anna und scheint sich innerlich auf irgendwas vorzubereiten.
Ich setze mich mit ihr auf eine Bank und schaue sie erwartungsvoll an. "Ok?"
"Also", sagt sie, "mich stören so einige Dinge an dir."
"Mhh, ich habe mir eigentlich die letzten Tage wirklich Mühe gegeben so zu sein, wie du es erwartest. Was genau stört Dich denn?"
Anna erklärt mir, dass sie das selbst nicht so richtig weiß. Es seien jedenfalls nicht nur zwei oder drei Dinge, sondern Hunderte, die sie alle ziemlich schlecht an mir findet.
"Ja, nenne mir doch mal ein Beispiel."
Anna erklärt ich würde immer alles im Alleingang machen wollen. Würde einfach irgendwohin laufen ohne sie vorher zu fragen und selbst immer bestimmen wollen wo es lang geht. Aber das sei nur eine von vielen Dingen, die sie aber nicht sagen wolle. Und das alles sei ihr schon von Anfang an aufgefallen. Sie habe es nur schweigend ertragen.
Ich denke eine Weile nach. Doch auch wenn ich mich frage, wie ich es schaffen soll hunderte von Dingen zu ändern, entschuldige ich mich und verspreche mir Mühe zu geben mich zu ändern. Vielleicht hat sie ja Recht.
Anna gefällt das und wir verstehen uns den Rest der Zeit wieder besser. Ok, denke ich abends im Bett erleichtert, vielleicht haben wir nur einen schlechten Tag gehabt und ab jetzt läuft es besser.
Ich sollte mich erheblich irren.
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Albtraum Im Dschungel
AdventureEine Reise voller Strapazen - wirklich! VOLLER STRAPAZEN