Ich stehe schwungvoll auf. Mein Stuhl rutscht geräuschvoll zurück. Die Männer blicken ebenfalls in den Hinterhof, und doch tun sie nichts außer zusehen. Ich stürme durch den Hintereingang hinaus. Egal wie sehr ich mich sträube zu reden. Ich kann es nicht mit ansehen, was dort draußen mit dem Mädchen passiert. Das habe ich schon viel zu oft und das wurde es auch schon zu oft, egal ob bei mir, oder bei jemand anderem. Ist doch egal, ob die Person, der du hilfst, fremd ist oder dir nichts als Dank geben kann. Es gibt schon genug Leute, die durch diese Ignoranz selber so werden. Da niemand ihnen geholfen hat helfen sie auch niemandem. Und dabei vergessen die Leute, was es heißt, Menschlichkeit zu besitzen, nämlich nicht immer nur zuzusehen, sondern zu handeln. Ich laufe zielstrebig auf die kleine Gruppe zu. Ich räuspere mich, um auf mich aufmerksam zu machen. Der, mit den anscheinend größten Eiern dreht sich zu mir um. ,,Was willst du denn jetzt? Mhh, mach 'n' Abflug und außerdem, was hast du da an" schreit er und spuckt mir vor die Füße. Und schon wieder. Der nicht vorhandene Respekt und die ausschließliche Beurteilung nach dem Äußeren. Es nervt einfach nur. Manchmal stelle ich mir die Frage, ob alle Menschen so wären wie jetzt, wenn das System gar nicht existieren würde. Ich meine, alle werden immer und überall vom System beeinflusst, egal ob man nun drin steckt, oder nur zu sieht. Und doch merkt man nicht, das beides falsch ist. Mit drin stecken ist falsch, da man dem System verfällt und nur schwer Auswege und vor allem den Mut findet, dort wieder raus zukommen. Und außen stehen und zusehen, ist genauso falsch. Man sollte etwas tun. Dabei helfen, dass sich etwas ändert, nicht zu sehen und stattdessen dabei mithelfen, dass alles nur noch schlimmer wird. ,, Nun hör' mir mal genau zu, ich weiß nicht, was dieses Mädchen getan oder nicht getan hat und doch möchte ich das ihr aufhört. Niemand, und wirklich gar niemand, hat es verdient, so behandelt zu werden. Und du da ", ich zeige auf den Jungen, der nur zugesehen hat. ,, Machst nicht mit und hilfst ihr auch nicht!. Dann kannst du auch gleich mitmachen, denn bringen, tut weder das eine, noch das andere etwas. " Die anderen Leute sind während meiner Ansage schon abgehauen, nun sieht der Junge schuldbewusst zu dem Mädchen runter. ,,Nun mach schon. " flüstere ich ihm schmunzelnd zu. Er weiß, was gemeint ist und sofort hilft er dem Mädchen auf. Erblickte mich dankend an. In seinen Augen spiegeln sich seine Gefühle wieder. Augen sind der Weg zur Seele. Und genau das, ist das Problem. Wer keine Schutzmauer hat, dessen Augen sind ein weiterer Angriffspunkt für das System. Für diejenigen, die lieber Andere fertig machen, sowohl psychisch als auch physisch, statt etwas zu tun und selber verletzlich zu werden. Ich nicke ihm noch einmal zu und zwinkere. Dann drehe ich mich um und gehe wieder rein. Ich weiß nicht woher mein Mut kam, aber ich habe das Richtige getan. Während ich eintrete, fällt mein Blick auf diese Männer, sie schauen mich lächelnd an, doch ich gehe nicht darauf ein. Sie haben nicht versucht zu helfen, nur zugesehen. Das Verhalten eines, von Fäden gesteuerten, Menschen. Doch sind sie es wirklich, oder bin diesmal ich diejenige, die sich nur die Schale und nicht den Kern zu Herzen nimmt? Ich kann mich täuschen, vielleicht wollten sie helfen, doch ich kam ihnen zuvor. Vielleicht sind sie auch Rebellen gegen das System. Zumindest würden die Tattoos dafür sprechen. Also habe ich mich täuschen lassen und nur auf das äußere geachtet, nur auf das Verhalten. Ist es ein Zeichen, dass das System schon Macht über mich hat?
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Systems ~ Jeder Ist Ein Teil Des Ganzen
Short StoryWir alle sind doch nur funktionierende Systeme in einem Großen und ganzen. Gibt es eigentlich noch so etwas wie Individualität? Diese haben wir doch schon lange verloren, in der Hoffnung das wir im System unsere Individualität finden, doch eigentlic...