-[6]-

10 4 6
                                    

,,Meine Beine sind ja zu dick, weißt du ja, ne, was meinst du, soll ich machen? Fitnessstudio oder Fett absaugen? " ich verschlucke mich fast an meinem Kaffee. Ich habe gerade etwas von dem Gespräch zwischen den beiden Mädchen mit angehört. Sie sind beide bildhübsch. Aber sie sind wie alle anderen, Marionetten im Puppenspiel des Systems. Sie wissen nicht, wie schön sie sind. Jeder Mensch ist schön, auf seine ganz eigene Weise. Ob Charakter oder Aussehen. Aber am wichtigsten, ist der Charakter. Er muss schön sein, nicht der Körper. Es ist genauso, wie bei einer Nuss. Wie sie aussieht, ist egal, nur wie sie schmeckt, das ist wichtig. Doch leider sieht man auch hier bei Nüssen, dass nur auf Schönheit geachtet wird. Ich habe noch nie eine verkrüppelte Nuss im Supermarkt gesehen. Nur, weil sie nicht so toll aussieht, heißt es doch nicht, dass sie nicht schmeckt, oder? Ich habe es noch nie verstanden. Nur, weil etwas scheiße aussieht, wird es weggeworfen? Aber es passiert genauso, wie bei Menschen. Menschen, die gefangen sind im System, wollen dem 'Ideal' entsprechen, dass das System geformt hat. Es ist kein Ideal. Es ist ein krankhafter Wahn. Ein Zwang, dem zu entsprechen, was die Masse will. Niemand ist mehr individuell, alle sind gleich, sie könnten alle ein Stern in der Galaxie sein, aber sie haben sich dazu entschieden, die Dunkelheit zu wählen. Die Massen. Die Einheit. Die Individualität verloren. Nur um der Masse, dem, was alle können, beizutreten. Denn im System, der Masse, der Dunkelheit, können nur wenige es schaffen, nicht mitgerissen zu werden. Auszubrechen. Gegen den Strom zu schwimmen. Die Mädchen stehen auf und gehen. Leider habe ich die Antwort nicht mitbekommen, aber mir soll es recht sein. Ob man sich im System gut fühlt? Ob Man immer zufrieden und glücklich ist? Die Tür schwingt ein weiteres Mal auf und der junge Mann von gestern betritt das Café. Ich starre in meinen Kaffee. Ziehe mir die Kapuze so tief wie möglich ins Gesicht. Ich möchte nicht, dass er sieht, was mein 'Vater' angestellt hat. Er ist schon lange nicht mehr mein Vater. Nicht mehr seit Mutters Tod. Sie sagte etwas Falsches. Er bekam einen Wutanfall und prügelte sie zu Tode. Ich war sieben. Es war der Tag, an dem ich die Option, den Ausweg, wählte, stumm zu bleiben. Angst, vor dem Sprechen zu haben. Der junge Mann, dessen Namen ich nicht weiß, setzt sich gegenüber von mir auf einen Stuhl. Ich schiebe ihm die Jacke rüber und rühre Gedankenverloren in meinem Eiskaffee. Er steht auf, ohne etwas zu sagen. Ich weiß nicht, ob es mir recht sein soll, aber es ist so. Würde nicht ein Veilchen mein Auge zieren, würde ich ihm hinterher gehen, etwas ändern, aber das kann ich nicht. Ich stehe auf, lege das Geld auf den Tisch und verlasse den Laden. Ich steige in den nächstbesten Bus in Richtung Stadtauswärts. Die Fahrt wird 10 Minuten dauern. Ich ziehe mir meine großen Kopfhörer auf und höre laut Musik. Die Minuten sind rum. Ich steige aus. Ich bin an einer Pferdekoppel. Ich bin hier gerne, beobachte das Verhalten der Pferde. Mir ist schon oft aufgefallen, wie ähnlich das Verhalten von Mensch und Pferd ist. Pferde sind Fluchttiere, wie Menschen. Sie flüchten alle mit der Masse vor dem Feind. Der Individualität. Der Realness. Sie flüchten wie Menschen und wenn ein Pferd gegen die Masse läuft, in die andere Richtung, dann wird es gefangen. Ist für die anderen gefangen und für sich selber frei. Es ist in den Augen der restlichen Herde gestorben weil es ausgebrochen ist, aus der Gewohnheit der Masse zu folgen.

Systems ~ Jeder Ist Ein Teil Des GanzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt