etwa eine Woche nach dem Fall - 13.06 - nachmittags

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Nachdenklich wog er den Kopf auf die Seite und seine schon fast ausgewaschenen, orangenen Haare irritierten mich, denn ich kannte ihn in braunhaarig. Er hatte sich die Haare färben lassen und das offensichtlich schon vor einer Weile und ich erinnerte mich an gar nichts dergleichen und das sorgte nur wieder für den nächsten Anflug von hämmernden Kopfschmerzen.

Hoseok bemerkte, dass ich mich unwohl fühlte und legte mitfühlend den Arm um mich, während er weiter zu überlegen schien. Wie lehnten beide an einem der großen, deckenhohen Spiegel, die eine Seite des Tanzsaals verkleideten. Wir waren allein. Das waren wir um diese Zeit immer. Die meisten Schüler gingen nach der Schule erst mal nach Hause und fanden sich erst am späten Nachmittag hier ein.

Hobi jedoch war fast immer hier. Ständig auf der Suche nach neuen Tanzschritten, nach Ideen für Choreographien und vielleicht auch einfach ein bisschen, weil er die Gesellschaft eines gewissen, jungen blondhaarigen Mannes sehr genoss. Doch das stand auf einem anderen Blatt. Ich war das erste Mal hier gelandet, weil man hier tatsächlich gut Mädchen aufreißen konnte, vorzugsweise welche, die meinen Namen nicht kannten, die nicht wussten, wer mein Vater war und die sich einfach mal normal verhielten.

"Die Beschreibung sagt mir erst mal gar nichts", zerschmetterte Hoseok all die Hoffnung, die ich in ihn gesetzt hatte, nachdem er so lange geschwiegen hatte. "Doch du hast da mal diesen Nachtclub erwähnt", fuhr er fort. Nachtclub? "Hab ich erwähnt wie der hieß??", hakte ich nach doch mein Freund schüttelte nur den Kopf. Seufzend fuhr ich mir durch dir Haare. Dann sah ich ihn wieder an. Das machte alles keinen Sinn. Ich war außerdem zu jung um in Nachtclubs abzuhängen. Nicht, dass ich mich nicht trotzdem schon mal wo eingeschleust hatte. Aber das war eben nicht so leicht, wie man denken würde... Nicht mal für mich. "Hoseok, ich schwöre dir, ich kauf mir eine bescheuerte Pinnwand und mach irgendwelche Sachen dran, mit so farbigen Bindfäden. Ich muss diesen Typen finden."

Hobi schien nicht zu wissen, ob er lachen oder weinen sollte. Er drückte meinen Kopf weg und schnaubte leicht. "Amnesie hin oder her, wenigstens bist du noch du."

'Du bist so du!'
Es war ein Vorwurf, jedoch kam er belustigt.
'Was mach ich nur mit dir, Kim Taehyung, du bist viel zu extrovertiert für diese Welt. Geh nach Hause.' Die Worte wurden begleitet von einem leisten, sanften Lachen und einem Kopfschütteln.

Ich riss die Augen auf und sah Hoseok an. "Was?", fragte dieser und musterte mich besorgt. "Ich hatte sowas wie einen Flashback", antwortete ich und hielt mir den Kopf. "Er hat etwas ähnliches zu mir gesagt..." Eine unbekannte Aufregung erfasst mich. Ich konnte das also triggern? Zumindest irgendwie? Ich fühlte mich mit einem Mal konfrontiert mit einer Schnitzeljagd, die ich aus Versehen selbst vorbereitet hatte. Ich hatte Hinweise. Sie waren mit Sicherheit irgendwo da draußen. Das Einzige, was ich tun musste war, diese zu finden. Doch ich wusste, dass das auf keinen Fall so einfach werden würde, wie es klang.

Mein Blick glitt wieder zu Hoseok, der ruhig und schweigend wartete, bis ich meine Gedanken geordnet hatte. Das schätzte ich so an ihm. Er war zwar zurückhaltend, aber dennoch offen und freundlich und er sah Dinge von selbst. Man musste ihn nicht alles sagen, damit er es verstand.

"Auspowern?", fragte er nur und stand auf, ehe er sich zu mir herum drehte, um mir die Hand zu reichen und mir aufzuhelfen. Ich nahm seine Hand an. "Auspowern", bestätigte ich.


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