etwa neun Wochen vor dem Fall - 10.04.

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Kritisch betrachtete ich den gefälschten Ausweis. Dieser sollte mir jetzt wirklich alle Türen öffnen? Ich wusste ja nicht so recht. Nicht, dass er nicht irgendwie echt aussah, aber dennoch war es eine Sache eben einen zu besitzen und ich fühlte mich jetzt nicht durchtriebener als vorher. Die Idee war eh nicht von mir gewesen, sondern von Yoongi, der seinen und meinen Ausweis auch selbst gefälscht hatte.

Offensichtlich hatte ich es bei ihm mit einem waschechten Jungkriminellen zu tun, denn er machte keine halben Sachen. Er betrachtete seinen Ausweis zufrieden. Ich blickte von meinem auf und dann schob ich ihm den Umschlag mit dem Geld rüber. Auch wenn wir irgendwie Freunde waren, er wollte doch sehr wohl für seine Dienste bezahlt werden.

"Wenn ich auffliege, dann will ich die Hälfte zurück", äußerte ich amüsiert und der Blauhaarige zuckte mit den Schultern. "Jaja, wie du meinst", stimmte er zu und gab sich cool. Dann zählte er die Geldscheine nach, als ob das nötig wäre. Er stutzte und tat es noch mal. "Das ist mehr als vereinbart", stellte er fest und setzte ein Pokerface auf. Ich grinste nur. Ich wusste genau wofür er so bitter nötig Geld brauchte, dass er auf die Idee kam Ausweise für Jugendliche zu fälschen, damit diese sich in Nachtclubs einschleusen konnten. Es war nichts Lebenswichtiges, aber eine Sache die er brauchte, um das zu tun, was er wirklich liebte.

"Blödmann", murrte er und schien verlegen, auch wenn er versuchte das hinter einem grimmigen Gesicht zu verstecken. "Danke."

"Ich danke dir", antwortete ich und ließ das '...dafür, dass du mir was aufgequatscht hast, was ich nicht brauche, aber sei's drum, zeig mir dann dein Mixtape.' doch mal weg. Das verstand er von selbst. "Was wirst du mit deinem anstellen?", fragte ich und er zuckte mit den Schultern. "Der ist nur dazu da, damit die Kunden sehen, dass die Ausweise echt aussehen am Ende. Also als Muster. Vielleicht kauf ich mir einmal Alkohol und stell den mir dann in den Schrank für schlechte Zeiten?" Er grinste schmal. Dieser Typ. "Und du?", fragte er nun und ich tippte mir mit dem Ausweis gegen das Kinn. "Ich zeig ihn meiner Mutter und frag sie, ob ich gut darauf aussehe."

Ich steckte den Ausweis in meine Börse, dahin wo man ihn nicht sofort sah und schob noch einen anderen Ausweis drüber, nur zur Sicherheit. Solange ich ihn nicht brauchte, musste auch keiner sehen, dass ich irgendwie kriminell war. Ab heute war ich ein böser Junge.

Ich verließ die Wohnung in der Yoongi mit seiner Mutter und der kleinen Schwester lebte und Neugier erfasste mich. Es war einfach nur blanke Neugier. Würde das Ding wirklich funktionieren? Ich beschloss es auszutesten.

Zu Hause angekommen warf ich mich dezent in Schale, jaja ich weiß, dezent. Es war Freitag, ich war jung, was also sollte ich tun? Ich stand in meinem begehbaren Kleiderschrank, der dafür, dass er begehbar war, ziemlich spärlich bestückt war, weil ich ja doch immer die gleichen Sachen oder meine Schuluniform trug. Mein Blick fiel auf eine der Anzugwesten, die fein säuberlich über Bügeln hingen und ich neigte den Kopf. Nachtclub ist für Anfänger...

Ich zog mich noch mal um. Wenn, dann ordentlich, oder? Ich wollte mich nicht mehr in einen Club einschleusen. Ich würde in ein verdammtes Casino gehen.

Ich rechnete nicht damit, aber es war so einfach. Punkt Nummer eins: Ich sah im Anzug unverschämt gut aus. Punk Nummer zwei: Ich hatte einen gefälschten Ausweis. Ich war in einem Wimpernschlag drin, hatte mir ein paar von diesen Chips eingetauscht und lief dann ratlos in der Gegend rum. Was hatte ich mir eigentlich gedacht? Ein Nachtclub hätte dann wohl doch mehr Spaß gemacht, aber manchmal bekam ich eben Ideen. Ich lümmelte mich in eine Sitzecke, bestellte mir einen Cocktail und beobachtete erst mal die Leute um mich herum.

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