Spurensuche

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Als er die Metalltreppe in den Kommandoraum unterhalb des Verdant hinunterlief, erwarteten ihn am Ende die wütenden Gesichter von Felicity und John.

»Wo hast du gesteckt? Wieso gehst du nicht an dein Handy?« Diesmal war es John, der mit der Strafpredigt begann.

Oliver ging unbeeindruckt an ihm vorbei in die Mitte des Raumes, wo eine Reihe von Monitoren stand und sein Kostüm hinter Glas auf seinen Einsatz wartete. »Cassies Erinnerung kommt zurück«, war alles, was er sagte.

Die Neuigkeit schlug ein wie eine Bombe. »Was?!«, riefen beide gleichzeitig.

»Na ja, einige Teile. Sie konnte sich daran erinnern, was passiert ist, bevor sie mir ins Motorrad gelaufen ist.« Er berichtete mit wenigen Worten von ihrem Anfall, währenddessen sie Arrow angegriffen hatte.

»Sie ist dir an die Kehle gegangen? Wow, was hast du gemacht, um sie derart gegen sich aufzubringen? Hast du sie gebeten, Kaffee zu kochen? Oder hast du sie auch ignoriert, wie es so deine Art ist?«, spottete Felicity, ging zu ihrem Stuhl vor den Monitoren und ließ sich darauf fallen.

John grinste. »In unserer Labormaus scheint mehr zu stecken, als man glauben sollte. Erst erledigt sie einen professionellen Auftragskiller und dann schickt sie Oliver auf die Bretter. Ich fange an zu verstehen, was du an ihr findest.«

Felicity schnaubte verächtlich. »Jetzt fang du nicht auch noch an, John. Mir reicht ein hormongesteuertes Männchen vollkommen!«

Diggle brach in Gelächter aus. »Oh, Felicity fährt schon wieder die Krallen aus.«

Felicity öffnete den Mund, um sich zu verteidigen, doch Oliver stellte sich hinter sie, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und schob die Hände in die Hosentaschen. Er sah sie von oben herab mit warnenden Blick an und Felicity wusste, dass sie jetzt besser nichts mehr sagte.

»Also, was hast du?«

»Ein Streifenwagen wurde vor einer Stunde zu einem Nachtclub hier in den Glades gerufen. Der Laden ist bekannt für seine Drogengeschäfte. Scheinbar gab es einen Streit zwischen einem Dealer und seinem Kunden. Das, was ich auf den Überwachungskameras gesehen habe, sah mir sehr nach Vertigo aus. Der Dealer konnte rechtzeitig fliehen, aber ich habe ihn im Auge behalten. Könnte eine Spur zum Grafen sein ...«

Oliver war bereits auf dem Weg zu seinem Bogen und nahm ihn aus seiner Halterung.

»Soll ich dir Rückendeckung geben, Oliver?«

»Nein, das kann Felicity machen. Ich möchte, dass du ein Auge auf Cassie hast. Sie ist noch immer im Safe House von ARGUS.«

»Und du warst die ganze Zeit bei ihr?«, staunte Felicity.

Oliver konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen, als er an ihre Küchenschlacht dachte.

»Als Arrow?« Ihre Stimme ging eine Oktave nach oben.

Er sah sie entgeistert an, zurück in der Gegenwart. »Natürlich nicht! Ich bin verschwunden, als sie geschlafen hat. Aber ich konnte sie dort nicht alleine zurücklassen. Das hätte sie bloß wieder auf dumme Ideen gebracht.«

»Du spielst mit dem Feuer, Oliver«, warnte John.

Felicity starrte ihn nur sprachlos an. Sie konnte nicht glauben, dass er so leichtfertig das Risiko, enttarnt zu werden, eingegangen war. Hormone waren ein Teufelszeug, das wusste sie aus eigener Erfahrung.

Um neun regnete es in Starling City und sämtlichen Vororten. Die meisten Menschen in der Stadt, die im Freien arbeiten mussten, hatten Feierabend gemacht und waren nach Hause gegangen oder hatten sich in der Hoffnung, dass das Unwetter bald nachließ, irgendwo untergestellt. Nur ein Imbissstand im Theaterdistrikt hatte noch geöffnet. Und dort stand Neil unter der Markise und stopfte sich einen Hotdog in den Mund, kaute den Bissen halb durch und würgte ihn hinunter. Dann zog er den Kopf zwischen die Schultern und lief in den prasselnden Regen hinaus. Ein Stück weiter bog er um eine Ecke und rannte weiter, eine schmale Gasse entlang. Plötzlich wickelte sich etwas um seinen Leib und er befand sich nicht länger auf dem Gehsteig, sondern spürte, wie er in die Luft gehoben wurde. Die Bewegung hörte erst auf, als sein Gesicht Zentimeter von einer dunkelgrünen Kapuze entfernt war. Erst da ging ihm auf, dass der Maskierte ihn an den Fußknöcheln hochgezogen hatte und dass er nun gut zwölf Meter über dem betonierten Gehweg hing.

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