Freund oder Feind?

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Cassie schreckte mit einem unterdrückten Schrei hoch, als jemand eine mit Leder bekleidete Hand auf ihren Mund presste. Hart. Sie versuchte, von der Couch zu springen, aber eine zweite Hand drückte sie hinunter.

»Bitte seien Sie still und hören Sie mir zu«, raunte eine dunkle Stimme. Sie musste ihm Gehör schenken. Ihr blieb nichts anderes übrig. Mit Felicitys Hilfe hatte Arrow den Auftragskiller gefunden. Direkt vor diesem Wohnhaus. Es war reines Glück, dass er noch rechtzeitig gekommen war.

»Ich will Ihnen nichts Böses. Ich versuche nur, Ihnen zu helfen«, sagte Arrow. Er hielt sie fest umschlungen, damit sie nicht auf merkwürdige Ideen kam. »Der Mann, der hinter Ihnen her ist, ist draußen auf der Straße. Er ist gefährlich und duldet keine Zeugen. Sie haben ihn gesehen, als er Oliver Queen zu töten versuchte. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als Sie aus dem Weg zu räumen. Wenn Sie das hier überleben wollen, dann müssen Sie mir vertrauen.« Er verlangte viel von ihr, aber es ging nun mal nicht anders. Langsam nahm er die Hand von ihrem Mund, sie schrie nicht, atmete nur heftig.

»Ihnen vertrauen? Sie haben mich mit Ihrem Motorrad angefahren!«

»Sie erinnern sich?« Er schenkte ihr weiter Vertrauen, indem er sie langsam losließ. Hoffentlich tat sie nichts Unüberlegtes. Cassie stieß ihn von sich weg und brachte so viel Abstand wie möglich zwischen sich und ihn. Arrow reckte die Hände in die Höhe.

»Ja, ich erinnere mich.« Cassie wich weiter zurück, bis sie mit dem Rücken die Wand berührte. »Sie haben versucht, mich auf dieses Höllengefährt zu zerren. Das ist das Letzte, woran ich mich erinnere. Was ist dann passiert? Haben Sie mich auf der Straße zurückgelassen, dass mich ein anderer findet?«

Arrow verzog das Gesicht unter der Maske. Er konnte ihr nicht erzählen, was wirklich passiert war. Es würde sie nur in noch größere Gefahr bringen. Um ihretwillen musste er sie anlügen. Sie hatten beide genug Probleme. Ihr Mitwisser, dass Oliver Queen Arrow war, würde keines werden. Auch wenn er damit seine edlen Absichten verwässerte. »Ich habe Hilfe gerufen. Aber ich musste Sie zurücklassen, weil die Cops auf dem Weg waren. Es tut mir leid.«

»Was wollen Sie?«

»Adam ist hier. Er sucht Sie.«

Cassie wurde leichenblass und schluckte. »Dann sollte ich zur Polizei.«

»Die kann Ihnen nicht weiterhelfen. Adam ist ...« Er suchte nach den richtigen Worten. Was Adam trieb, wusste er. Doch nicht, warum er sie verfolgte und wer ihn beauftragt hatte. »Er ist überaus gefährlich. Sie müssen von hier weg!«

»Ich muss gar nichts!« Cassie blickte ihn trotzig an und sah dann zum Telefon, das auf dem Wohnzimmertisch lag. Er wusste haargenau, was in ihrem hübschen Kopf vorging. Sie hatte jedoch keine Chance gegen ihn. Dass sie in Erwägung zog, es zu versuchen, beeindruckte ihn irgendwie.

Sie blickte ihn an, daraufhin wieder zum Telefon, und im nächsten Moment hastete sie zum Tisch, nur dass nicht das Telefon das Objekt ihrer Begierde war. Das kleine Küchenmesser hatte er übersehen. Für gewöhnlich entgingen ihm solche Feinheiten nicht. Trotz Messer empfand er keine Furcht. Er war für derartige Situationen geschult, und er besaß seinen Bogen. Sie verhielt sich hirnrissig.

Na ja, sie betrachtete ihn verständlicherweise als Bedrohung, obwohl er ihr niemals etwas tun würde. Er war der Gute. Das wusste sie aber nicht. Es galt, sie von seinen ehrlichen Absichten zu überzeugen. Arrow hob die Hände und hielt ihr im nächsten Moment seinen Bogen hin. Dieses Zugeständnis war ihr hoffentlich Beweis genug.

»Was?« Ihr Gesicht amüsierte ihn für einen Sekundenbruchteil. Sie wirkte konfus und schüttelte den Kopf. Cassie nahm den Bogen nicht, ließ aber das Messer sinken.

»Ich würde sagen, wir legen jetzt beide unsere Waffen weg und reden in aller Ruhe miteinander.« Überaus anstrengend, mit ihr zu diskutieren, wenn ihnen Adam womöglich bereits im Nacken saß. Arrow legte den Bogen auf eine Kommode neben der Tür. Nahe genug, um ihn sich im schlimmsten Fall wieder zu schnappen.

Cassie hielt das Messer weiterhin in der Hand. Es war klug von ihr, vorsichtig zu sein. Aber mit einem Küchenmesser hätte sie gegen Adam nicht den Hauch einer Chance. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er hier auftauchte und versuchte, sein Werk zu Ende zu bringen. Und wenn man vom Teufel sprach ...

Ein roter Lichtpunkt tanzte an der gegenüberliegenden Wand. Eindeutig die Zielvorrichtung eines Scharfschützengewehrs. Gerade als der Punkt Cassie erreichte, handelte er. Arrow warf sich auf Cassie und brachte sie zu Fall. Der Schuss war als leises Ploppen zu hören, der Einschlag in der dahinterliegenden Wand klang lauter, und er ging geradewegs hindurch.

Cassie wehrte sich verbissen, und ehe er sich versah, versuchte sie, ihm das Messer in die Seite zu rammen, was ihr nicht gelang. Es tat zwar weh, doch die kurze Klinge verletzte ihn nur oberflächlich. Körperlich zumindest.

Schluss mit lustig! Er packte Cassies Handgelenke, riss sie über ihren Kopf und presste sie auf den Boden. Immer noch wand sie sich unter ihm und bemühte sich, zu entkommen. Ihr Atem ging schwer, und sie blickte ihn zornig an. Es schien, als beruhigte sie sich langsam. Mit dem Kopf wies er in Richtung Eingangstür. Die Kugel hatte direkt daneben die Wand durchschlagen. Der rote Lichtpunkt tanzte weiterhin umher auf der Suche nach einem Ziel.

»Scharfschütze, im Block nebenan«, sagte er keuchend.

Ihre Gegenwehr erstarb völlig und sie sah ihn fragend an.

»Felicity?« An der Tür klopfte es mehrfach. »Alles in Ordnung? Neljo hat einen Mann gesehen, der vor fünf Minuten nach nebenan gegangen ist. Er hat zuvor mit Pedro und seinen Jungs geredet.« Der Stimme nach war es ein Mädchen, das vor der Tür stand.

»Bleib unten!«, sagte Arrow leise zu Cassie. Er musste das Mädchen dort wegkriegen und einen Fluchtweg finden. Der Vordereingang war keine Option. Adam hatte sich im Block nebenan eingenistet und somit auch die Straße im Blickfeld. Sicherlich gab es einen Hinterausgang oder eine Feuertreppe. Es galt nur, zur Tür zu gelangen, um die Wohnung zu verlassen, ohne von Adam erschossen zu werden. Er musste ein Ablenkungsmanöver arrangieren und Cassie die Flucht ermöglichen.

»Auf drei rennst du zur Tür, und von dort gehst du zum Hinterausgang. Nimm unter keinen Umständen den Vorderausgang. Du musst hier weg, versuch nicht, dich zu verstecken, sonst wird Adam noch mehr Menschen töten.«

Cassis Blick wirkte zweifelnd.

»Es ist wichtig, dass du tust, was ich dir sage. Sobald du draußen bist, warte nicht auf mich. Lauf, so schnell du kannst. Kontaktiere niemanden. Bleib unten, bis ich dir sage, dass du aufstehen sollst.« Arrow rollte sich von ihr. Gott sei Dank folgte sie seinen Anweisungen.

»Felicity? Felicity!« Das Klopfen wurde energischer.

»Sie hat vielleicht einen Ersatzschlüssel«, flüsterte Cassie mit zitternder Stimme.

»Dann antworte ihr, dass alles in Ordnung ist. Wenn sie hier reinkommt, dann erschießt Adam sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Bereit?«

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