Gefährliche Begegnung

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»Sie sind nicht mein Verlobter.«

Cassie war sich jetzt absolut sicher, dass sie diesen Mann noch nie zuvor gesehen hatte. Warum tauchte dieser Fremde in Olivers Haus auf und behauptete, dass er sie kannte? Waren seine Absichten wirklich so ehrbar?

Kurz darauf hörte sie ein leises Klicken. Bei dem Geräusch schrillten die Alarmglocken in ihrem Kopf. Sie kannte den Ton, wenn der Schlaghammer vor dem Schießen gespannt wurde, damit man den Abzug leichter betätigen konnte. Sie hatte es schon einmal gehört.

Ein flüchtiger Blick auf Adam bestätigte ihr, dass er derjenige mit der Waffe war. Und er führte ganz sicher nichts Gutes im Schilde.

Blitzartig fühlte sich Oliver unter Strom. Er sah sich nach einem Gegenstand um, den er zur Verteidigung nutzen konnte, erfolglos. Aus dem Augenwinkel sah er, wie John nach hinten zu seinem Hosenbund griff. Aber Cassie befand sich genau in seiner Schusslinie. Selbst wenn er perfekt zielte, könnte ein Streifschuss Cassie treffen. Und Adam stand zu nahe bei ihr, um ein freies Schussfeld zu haben. Er würde zumindest einen Schuss abfeuern, bevor Johns Kugel ihn treffen würde. Von Adam unbemerkt, schüttelte er den Kopf. John ließ den Arm sinken und trat zurück, um ihm das Feld zu überlassen. Sekunden zogen sich zu Minuten, während er darauf wartete, dass Adam etwas unternahm. Er zielte noch immer mit der Pistole auf Cassie. Oliver glaubte nicht, dass er sie erschießen wollte. Das hätte er längst tun können. Er war aus einem ganz bestimmten Grund hier. Information, vermutete Oliver.

»Keine Dummheiten, Cassie.« Sein Gesichtsausdruck bestärkte die Drohung. Das sah schon eher nach ihm aus und rief eine Erinnerung wach, die sie lieber verdrängt hätte. Er trug eine schwarze Kappe, seine schwarze Kleidung und Handschuhe verschwammen mit der Dunkelheit, während er sich sicher durch die Schatten bewegte. Nein, sie verband nie Liebe, aber sie erinnerte sich an ihn. Wie und unter welchen Voraussetzungen sie sich begegnet waren, das lag nach wie vor im Schutt ihres maroden Verstands begraben.

»Nach all dem Ärger im Vorfeld hätte ich nicht gedacht, dass es so einfach werden könnte. Das ist ja mal wirklich eine interessante Wendung.« Er lächelte. »Aber ich will mich nicht beschweren. Du hast mich tagelang auf Trab gehalten und jetzt das. Es ist fast zu schön, um wahr zu sein.« Er griff in die Brusttasche seines Jacketts und holte eine Spritze hervor. »Ich hatte gehofft, ich könnte dich überraschen. Ein kleiner Pikser, und du wärst sanft eingeschlafen.«

Der Giftcocktail, der sich zweifellos in der Spritze befand, brachte alles andere als einen friedlichen Tod. Die Mischung, die er nutzte, verursachte Krämpfe am ganzen Körper und lähmte die Stimmbänder, sodass das Opfer nicht schreien konnte. Letztlich hörte das Herz auf zu schlagen, ähnlich wie bei Vertigo. Der Todeskampf dauerte höchstens eine Minute, war allerdings grausam. Cassie würde sich unter keinen Umständen kampflos geschlagen geben. Wenn er sie umbringen wollte, dann musste er sie schon erschießen.

»Ich dachte mir, dass du dich auf dieses Angebot nicht einlässt. Du verrätst mir wahrscheinlich auch nicht, wer dir geholfen hat zu entkommen, oder? Wer ist dein Partner?«

Sie blickte ihn ungläubig an. Ihr Partner? Sie verstand kein Wort.

Er schmunzelte. »Du steckst in einer ziemlich verfahrenen Situation. Zu amüsant! Du weißt tatsächlich nicht, wo er ist. Wahrscheinlich hast du keine Ahnung, wer er ist.« Er grinste, schüttelte stöhnend den Kopf. »Wäre auch zu einfach. Aber einen weniger finde ich auch nicht schlecht. Inzwischen leg ich bei der Sache Geld obendrauf. Ein Abbruch des Auftrags stand für mich jedoch nie zur Debatte. Meine Erfolgsquote liegt bei hundert Prozent, und so soll es auch bleiben. Jetzt ist es eine persönliche Angelegenheit. Aber du hast recht.« Er warf die Spritze achtlos weg. »Das könnte wirklich spannend werden mit dir.«

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