Ein letztes ganzes Jahr

21 2 0
                                    

Kapitel 1: Frühling im Sommer

Elena saß im Wagen ihrer Eltern. Es war März. Die ersten Bäume hatten bereits grüne Triebe, die ersten Krokusse wuchsen schon, die Temperaturen stiegen. Es war viel zu warm für den Frühling, fand Elena. Sie trug bloß ein T-Shirt und ließ sich den Fahrtwind ins Gesicht wehen. Die Bäume an den Straßenseiten spendeten vereinzelt Schatten. Elena schloss die Augen. Hell, dunkel, hell, dunkel. Sie musste ihre Augen nicht öffnen um zu wissen, wann das Blätterdach nicht zu dicht war, um die Sonne abzuhalten.

"Wir sind da", riss ihre Mutter sie aus den Gedanken. Die kleine Familie stieg aus.

Elena trug keine Schuhe. Der Asphalt unter ihren Füßen war noch kühl, in ein paar Monaten würde er sich aufheizen. Es war nur ein wenig windig. Der Wind duftete nach Kirschblüten.

Elena hob den Blick und sah sich um. Sie hatte sich geirrt, es waren Apfelblüten, ein bereits in weiß "gekleideter", sie kicherte bei dem Gedanken, Apfelbaum stand zu ihrer rechten, verborgen hinter den giftgrünen Blättern einer jungen Buche.

Elena atmete tief ein, meinte sogar, in einiger Entfernung den fischigen Geruch von Teichwasser zu riechen.

Außerdem hörte sie es plätschern, zusammen mit dem durchdringenden Zwitschern einiger Vögel und einen Specht, welcher gegen einen Baum hämmerte.

Der Tag war für Elena der Inbegriff des Frühlings.

Kapitel 2: Gewitter im Mai

Elena saß im Haus.

Der Wind zerrte an Fenstern, Türen und Rollläden, der Regen trommelte. Vereinzelt hörte man den Aufprall von Hagelkörnern.

Elena hatte eine Teetasse in der Hand. Der Tee war noch viel zu heiß zum Trinken. Plötzlich packte sie die Ungeduld. Sie sprang auf, stellte die Tasse zur Seite, öffnete die Haustür und lief nach draußen.

Innerhalb weniger Sekunden klebten ihre Haare nass in ihrem Gesicht und die Kleider am Körper. Sie trug schon wieder keine Schuhe und der Boden war rau und nass, beim Auftreten platschte es, egal wohin man ging.

Elena hörte es Donnern. Den Blitz musste sie wohl verpasst haben. Durch den Klang des Regens hörte sie ihren Vater rufen.

"Elena! Komm wieder rein, du wirst dir noch den Tod holen!"

"Zu spät!", schrie sie gegen das Wetter an.

Lachend rannte sie ein Stück. Sie erreichte den Rasen des Parks vor dem Haus ihrer Eltern. Auf dem Gras rutschte sie aus, doch es kümmerte sie nicht. Sie lachte unkontrolliert, genoss das Gefühl, der Halme zwischen ihren Zehen und den Geruch nach nassem Asphalt, den Regen immer mit sich brachte. Der Sturm riss an ihren Haaren und Kleidern, sie versuchte die Luft so lange es ging in ihren Lungen zu halten. Sie fühlte sich reiner an als die, die sie sonst atmete.

Regentropfen liefen ihre Nasenspitze hinab, als sie den Jungen mit dem bunten Regenschirm entdeckte.

Bevor sie ihn näher betrachten konnte, war er bereits verschwunden.

Kapitel 3: Schnee im Juli

Elena bemerkte die Blütenblätter, welche sich in ihrem Haar verfangen hatten. Sie sah auf den Weg zurück, welchen sie bereits hinter sich hatte. Einer der Bäume verlor seine Blütenblätter, sie trieben im Wind umher, sodass es aussah wie Schneeflocken. Die Sonne brannte heiß vom Himmel, der Boden verbrannte Elena die Fußsohlen. Sie ging weiter und wünschte sich ein plötzliches Gewitter oder eine Schneelawine.

Aus ihren Kopfhörern dröhnte ihr Sandman von America entgegen.

Sie ließ sich ins Gras zu ihrer linken fallen. Es war kurz und stoppelig, gerade frisch gemäht. Ein paar Halme würden sicherlich Abdrücke auf ihrer Haut hinterlassen. Das Lied war zu Ende. Es folgte Feels like Home von Edwina Hayes.

Poetry by AJayAliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt