Flashback

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*Carl*

„Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, dass es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr hatte, darin zu schlafen, und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand, dass ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld.

Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: "Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungrig." Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: "Gott segne dir's," und ging weiter.

Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: "Es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann." Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm.

Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror: da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin.

Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: "Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben" und zog das Hemd ab und gab es auch noch hin.

Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter blanke Taler; und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag" gespannt saß ich auf der Arbeitsfläche und lauschte ihren Worten. Sie erzählte die Märchen so liebevoll. Hob und senkte an den richtigen Stellen ihre Stimme. Fasziniert hingen Judith und ich an ihren Lippen. Judith, sie war fast 5 Jahre alt, liebt es, wenn man ihr etwas erzählte. Ich, mit meinen nun 20 Jahren, liebte es anscheinend auch noch. Ich musste schmunzeln.

Plötzlich veränderte sich Rose ihre Haltung. Ihr Blick richtete sich panisch auf. Hektisch sah sie sich um, bis sie nur noch die Wand anstarrte. Regungslos stand sie da. Ihre Augen weit aufgerissen. Panik lag in ihrem Blick.

„Dad?!" rief ich und sprang von der Arbeitsfläche herunter. Lief schnell zu Rose und nahm ihr vorsichtig die schlafende Judith ab, legte sie in Dads Armen und sah Rose an.

„Rose? Was ist los?" fragte ich sie, doch sie reagierte nicht. Wie erstarrt stand sie da. Ich legte meine Hand auf ihre Schulter, rüttelte sie sanft.

„Rose!" rief ich leise, doch noch immer kam keine Reaktion. Fragend sah ich Dad an, doch auch er zuckte nur überfragt mit den Schultern. Langsam bekam ich es mit der Angst zu tun.

„Jonah!" flüsterte sie erst leise, bis sie diesen Namen immer lauter rief. Immer und immer wieder. Sie klang verzweifelt und ängstlich. Ich umfasste ihr Gesicht, sah ihr in die Augen. Doch es war, als wäre sie gar nicht hier. Als wäre sie weit weg. Sie sah in meine Richtung und doch sah sie mich nicht. Sah mich nicht an. Sah durch mich hindurch.

„Jonah!" flüsterte sie ein letztes Mal verzweifelt, dann fielen ihren Augen zu und sie sackte einfach zu Boden. Geistesgegenwärtig griff ich nach ihr und fing sie auf. Hob sie auf meine Arme und lief los. Direkt zur Krankenstation. Trat mit meinem Fuß gegen die Tür, bis sie Denise öffnete. Trat ein und legte sie auf die Trage.

„Was ist passiert?" fragte Denise mich und ich versuchte ihr, so gut ich es vermochte, zu erklären. Verstand es doch selber nicht so genau, was eben passiert ist. In einer Sekunde war noch alles in Ordnung und in der nächsten Sekunde war alles anders.

„Was ist mit ihr?" fragte ich leise und nahm Rose ihre Hand. Hielt diese fest und streichelte zärtlich über ihren Handrücken.

„Das weiß ich noch nicht. Nach der Untersuchung weiß ich sicher mehr" erklärte sie und untersuchte sie. Ungeduldig wartete ich ab. Behielt Rose im Auge. Betete und hoffte, dass es nichts Schlimmes war. Dass sie gleich wieder aufwachen würde. Dass mich ihre grünen Augen anstrahlen würden. Dass sie mich anlächeln würde. Dass sie mir sagte, dass alles gut ist. Aber ich wollte auch wissen, wer dieser Jonah war. Sie musste ihn wirklich sehr mögen. Vielleicht ja sogar mehr als mich? Immer und immer wieder hatte sie seinen Namen gesagt. Schmerzlich zog sich mein Herz zusammen. Die Untersuchung zog sich gefühlt Stunden hin.

„Ich vermute, dass sie sich an etwas erinnert hat. Dass sie eine Art Flashback hatte und das ihr Körper aufgrund dessen, um sich selbst zu schützen, auf Sparflamme gewechselt ist. Dass sie deswegen Bewusstlos ist. Sonst scheint alles okay zu sein" erklärte Denise. Sie meinte noch, dass ich sie rufen soll, wenn sie aufwacht und ließ uns alleine.

Wieder einmal saß ich an ihrem Bett und hielt ihre Hand. Vor sechs Tagen erst war sie hergekommen und doch schien es mir wie eine kleine Ewigkeit. Plötzlich fühlte ich ihre zierlichen Finger, wie sie leicht meine drückten.

„Rose?" flüsterte ich fragend und streichelte ihre Wange. Legte meinen Kopf neben ihren. Wollte ihr einfach Nahe sein. Blinzelnd öffnete sie ihre Augen, drehte ihren Kopf zu mir und sah mich an.

„Was ist passiert?" erkundigte sie sich leise. Ich erklärte ihr, was passiert war.

„Du hast mir einen ordentlichen Schreck eingejagt... Denise meinte, du könntest dich an etwas erinnert haben. Stimmt das? Kannst du dich erinnern?" fragend sah ich sie an, konnte sehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete. Plötzlich riss sie für einen kurzen Augenblick ihre Augen weit auf, dann schloss sie sie. Atme tief durch und sah mich anschließend wieder an. Ihr Blick hatte sich geändert. Noch immer ruhte er liebevoll auf mir und doch... Ich konnte es nicht erklären.

„Es tut mir leid. Ich wollte dir keine Angst machen" sanft und leicht lächelnd legte sie ihre Hand auf meine Wange. „Ja, ich kann mich wieder erinnern...".

„Magst du es mir dann erzählen?" fragte ich sie leise und auch neugierig. Möchte ich doch wissen, was sie die letzten 3,5 Jahre gemacht hat. Was sie erlebt hat. Möchte alles von ihr wissen.

„Können wir nach Hause gehen? Ich bin müde und habe Kopfschmerzen" schnell senkte sie den Blick und ich wusste, dass sie nur vom Thema ablenken wollte. Sollte ich mit diesem Jonah recht behalten? Ich löste mich von ihr, holte Denise und nachdem diese ihr okay gegeben hatte, hob ich Rose hoch und trug sie nach Hause. Sie legte ihre Arme um mich und ihr Kopf ruhte an meiner Schulter. Konnte ihren warmen Atmen an meinem Hals spüren.

Zuhause legte ich sie ins Bett und legte mich zu ihr. Zog sie in meine Arme und sie betete ihren Kopf auf meine Brust. Legte ihre Arme fest um mich.

„Keine Worte der Welt können beschreiben, wie sehr ich dich liebe, mein starker Cowboy" flüsterte sie leise. Mich beschlich ein ungutes Gefühl und ich drückte sie automatisch fester an mich. Ja, regelrecht besitzergreifend drückte ich sie an mich. Es war ihr sicher unangenehm und doch sagte sie nichts dazu. Beschwerte sich nicht.

„Ich liebe dich Rose" sanft hauchte ich ihr einen Kuss auf die Stirn. Es dauerte lange, bis ich in den Schlaf fand.

Bleib hier! (Carl Grimes, The walking dead FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt