Einsamkeit

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*Carl*

Gedankenverloren lief ich durch die Straßen Alexandrias. Beobachtete die Menschen. Sie gingen ihrer Arbeit nach. Manche unterhielten sich. Einige lachten. Dad und Michonne standen auf der Veranda und hielten Händchen. Tauschten verliebte Küsse aus und waren einfach nur glücklich. Ich gönnte ihnen ihr Glück. Sie hatten es beide verdient und ich mochte Michonne. Aber es hielt mir auch meine eigene Einsamkeit vor Augen. Ich möchte eines Tages auch eine Familie haben. Eine Frau, die ich über alles liebe. Eine Frau, die mich liebt. Vielleicht sogar eigene Kinder. Ich wollte das alles auch. Doch nur mit ihr. Nur mit dieser einen bestimmten Frau. Was immer ich auch tat, vergessen konnte ich sie niemals. Niedergeschlagen lief ich weiter.

Judith spielte mit dem Sprössling von Maggie und Glenn bei ihnen im Vorgarten. Sie waren dicke Freunde geworden und man traf sie fast nur noch zusammen an. Es war schön, dass sie immer jemanden hat, wenn sie jemanden braucht. Der sie zum Lachen brachte. Der sie umarmte, wenn sie traurig war. Dieses Gefühl, dass jemand da ist, ist mit das schönste auf dieser Welt. Ich habe es selber erlebt. Ich habe es selber gespürt. Vor sehr, sehr langer Zeit.

Sie wirken alle so glücklich. Sie konnten miteinander lachen und miteinander weinen. Sich gegenseitig festhalten und Kraft schenken. Ihre Liebe miteinander teilen. Sie dem anderen zeigen. Leise seufzend ging ich weiter. Es gab Tage, da fühlte ich mich so leer. So einsam und verzweifelt. Sie fehlte mir entsetzlich. So unglaublich entsetzlich. Ich bereute es so sehr, dass ich damals nicht bei ihr geblieben bin. Ich bereute es, dass ich sie nicht mit nach Alexandria genommen habe. Ich habe nicht mal gefragt, warum sie nicht mitkommen kann. Warum sie mich nicht bei sich haben möchte. Eine Zeitlang habe ich mir sogar eingeredet, dass ihre Gefühle nur gespielt waren. Dass sie mir etwas vorgemacht hat. Dass sie gar nichts für mich gefühlt hat. Doch Dad sah das anders. Er meinte, er konnte ihre Liebe zu mir in ihren Augen sehen. Im Herzen wusste ich, dass er Recht hatte, doch mein Kopf wollte es eine Zeitlang nicht wahrhaben. Doch auch das war sehr lange her.

Ich ließ mich im Schatten an der Mauer nieder, lehnte mich mit meinen Rücken an die Platten. Automatisch griff ich in meine Hosentasche. Holte das kleine Passfoto von ihr heraus und betrachtete es. Ich hatte damals eine Prospekthülle zurechtgeschnitten und es dort hineingesteckt. Damit es auch gar nicht kaputtgehen konnte. Auf dem Foto war sie noch ein Kind, doch ihre Schönheit war schon damals erkennbar. Ihre leuchtenden grünen Augen. Ihr volles, rötliches Haar, was so schön schimmerte, wenn die Sonne drauf schien. Ihre vollen Lippen, mit diesem wunderschönen Lächeln. Ihr Lächeln verfolgte mich in meine Träume. Jede Nacht träumte ich von ihr. Jede Nacht träumte ich von uns. Und jeden Morgen, wenn ich aufwachte, traf mich die bittere Erkenntnis, dass es wieder einmal nur ein Traum war. Ein Traum, der sich vermutlich niemals erfüllen würde.

Ach Rose, wo bist du nur? Du fehlst mir so sehr. Ich vermisse dich täglich. Ich vermisse dich stündlich. Ich vermisse dich minütlich. Ich vermisse dich sekündlich. Von Tag zu Tag mehr. Mein Herz zerreißt bei dem Gedanken, dass ich sie vielleicht nie wiedersehe. Dass sie vielleicht gar nicht mehr lebt. Es war heutzutage so schwer, zu überleben.

Beißer, die Tag und Nacht auf einen Jagd machen. Menschen, die einem ständig nach dem Leben trachten. Ein falscher Schritt. Eine falsche Entscheidung. Einmal zu unaufmerksam. Kein Wasser mehr finden. Keine Lebensmittel mehr. Keine passenden Medikamente, wenn man krank wurde. Es gab so vieles, worauf man heutzutage achten musste. Aber ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Sie musste einfach noch Leben. Das war das einzige, was mich noch am Leben erhielt. Schluckend steckte ich das Foto wieder ein. Die Gedanken an damals schmerzten. Sie schmerzten heute noch genauso sehr, wie damals. Als wäre es gerade erst geschehen. Doch das war es nicht. Es war Jahre her. Lange 3,5 Jahre.

„Carl?" hörte ich da Glenn rufen.

„Was?" brummte ich zurück und stand auf. Waren sie schon von ihrer Tour zurück?

„Du solltest mal mitkommen" erwiderte er lächelnd und ging vor. Seufzend sammelte ich kurz meine Gedanken, dann folgte ich ihm. Er ging direkt auf die Krankenstation zu.

„Ist jemand verletzt?" fragte ich ihn. Doch warum sollte er dann lächeln?

„Geh rein" erklärte er leise und deutete zur Tür der Krankenstation. Erst jetzt sah ich, dass Dad und Daryl auch auf der Veranda standen. Nun wurde ich doch neugierig. Ich ging zur Tür und öffnete sie leise. Ging hinein und sah mich um. Es lag jemand auf der Liege und Denise kümmerte sich um die Person. Langsam ging ich auf die Liege zu und mir stockte der Atem. Konnte das wirklich sein?

Bleib hier! (Carl Grimes, The walking dead FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt