Nach zehn Minuten waren wir bei Sayuri zu Hause. Ihr Haus lag versteckt in einer kleinen Seitenstraße, statt an einer der vielen Hauptverkehrsadern Tokyo's. Zwischen den dicht an dicht gedrängelten Hochhäusern der Millionenmetropole lag ein kleines, von einer schützenden Steinmauer umgebenes Grundstück. Shunichi ging voran und schloss das Eisentor auf, welches uns bis dato den Weg versperrte. Ich ging durch das Tor in den Garten der Date's. Rechts und links zierte jeweils ein Kirschbaum die Wiese und die Haustür zierten zwei kleine Buchsbäume Rasenspränkler löschten den stetigen Durst des gleichmäßig getrimmten Grüns. An der Tür selbst hing ein mit Blüten verziertes Holzschild mit dem Familiennamen darauf. Shunichi holte einen kleinen Schlüssel unter der Fussmatte hervor und öffnete langsam die Tür. ,,Wir sind wieder zu Hause Mutter!" , rief Shunichi in das Haus hinein. ,,Ich bin in der Küche, Kinder.", hallte es zurück. ,,Ich geh schonmal zu Mutter, bringst du Haruto hoch?" Sayuri nickte. Shunichi ging durch das offene Wohnzimmer in Richtung Küche, Sayuri ging die Treppe hoch in den ersten Stock. Ich folgte ihr. ,,Hier ist dein Zimmer", sagte sie und öffnete eine Tür die in einen, für ein einfaches Schlafzimmer doch sehr großen Raum führte. In der Mitte des Raumes stand ein großes, ordentlich gemachtes Bett, daneben eine Kommode. An der Wand standen ein Kleiderschrank und ein Bücherregal, daneben war ein Schreibtisch mit einem Computer drauf. Gegenüber von dem Bett auf einem kleinen Tisch stand ein Fernseher. Sayuris Familie ließ es sich anscheinend gut gehen, so ein Gästezimmer eingerichtet zu haben. ,,Auf dem Bett liegt ein Stapel mit frischen Klamotten, das Bad ist direkt neben an. Falls du was brauchst, mein Zimmer ist gegenüber." Sayuri verabschiedete sich und schloss die Tür. Das war also vorerst mein neues Zuhause. Ich setzte mich auf das Bett um das alles erstmal zu verarbeiten. Nach ein paar Minuten stand ich auf, schnappte mir die frischen Klamotten und ging aus dem Zimmer ins Bad und schloss die Tür ab. Ich legte die Klamotten auf einen Schrank und beschloss seit langem endlich mal wieder heiß zu Duschen.....oder überhaupt zu Duschen. Ich stieg in die Dusche. Das heiße Wasser floß über meinen Rücken. Entspannt atmete ich aus. Ich spürte, wie das gesamte letzte Jahr von mir gespült wurde. Tropfen für Tropfen spürte ich, wie immer mehr Abspannung von mir wich. Ich lehnte mich mit einer Hand gegen die Wand und atmete tief ein und aus. Ich war schon lange nicht mehr so entspannt gewesen. Nach circa einer viertel Stunde stieg ich wieder aus der Dusche. Ich nahm mir ein Handtuch und trocknete mich ab. Als ich mit dem Handtuch über die Narbe über meinem Oberkörper ging spürte ich, wie ein stechender Schmerz durch mich fuhr. Die Wunde war anscheinend noch zu frisch, um sie voll zu belasten. Ich knickte ein, neun Atem wurde schwerer. Ich stütze mich vorsichtshalber ab. Nach nicht mal einer Minuten war der Schmerz aber wieder weg und ich beschloss erstmal vorsichtiger zu sein. Ich trocknete mich fertig ab und zog mir die Jogginghose an. Dann fuhr ich noch in das T-Shirt und öffnete ich die Tür. Sayuri stand vor mir, mit Wechselkleidung an sich geklammert. Anscheinend wollte sie als nächstes duschen. Ich schlüpfte an ihr vorbei und ging wieder in das Gästezimmer. Ich war total platt von den letzten Tagen, also beschloss ich mich kurz hinzulegen. Meine dreckigen Sachen packte ich erstmal ein den Kleiderschrank. Erschöpft warf ich noch aufs Bett und ließ mir die Ereignisse der letzten Wochen nochmal durch den Kopf gehen. Nachdem ich von meiner letzten Pflegefamilie geflohen und ein Jahr in halb Japan herumgewandert bin wurde ich in Tokyo auf der Straße angeschossen, bin im Krankenhaus gelandet, hab Sayuri kennengelernt und bin von der Familie aufgenommen worden. Und jetzt lieg in einem richtigen Bett in einem Zimmer mit Fernseher und Computer. So ganz glauben wollte ich das alles noch nicht glauben. Sollte ich endlich auch mal Glück haben? Ein Klopfen an der Zimmertür riss mich aus meinen Gedanken. ,,Ja?", bat ich herein während ich mich aufsetzte. Die Tür öffnete sich und Sayuri stand vor mir. Sie hatte eine graue Jogginghose und einem Hoodie an, der eigentlich zwei oder drei Nummern zu groß war. Die Haare waren provisorisch mit einem roten Band zusammengebunden. ,,Darf ich mich setzen?" fragte sie, während sie knallrot im Gesicht wurde. Verlegen schaute sie auf den Boden. Ich lachte leise auf. ,,Klar." Ich rückte ein Stück zur Seite. Sayuri schloss die Tür und setzte sich dann neben mich auf das Bett. ,,Und, wie geht's dir so?" fragte sie. ,,Ganz gut. Die Narbe tut noch weh, aber es ist schon deutlich besser geworden und für den Rest hab ich Schmerztabletten." Ich lächelte sie an. Doch genau in dem Moment fuhr es wieder durch meine Brust. Ich zuckte zusammen und musste eine Miene verziehen. Sayuri zuckte ebenfalls zusammen und klammerte sich um mich, allerdings etwas zu fest. Ein zweites mal fuhr es durch mich. Und natürlich klammerte sich Sayuri noch fester um mich. ,,Hilfe Sayuri, ich ersticke noch wenn du mich so erdrückst." Ich wedelte mit den Armen und versuchte mich zu befreien. Sayuris Griff lockerte sich und ihr Oberkörper rutschte langsam in meinen Schoß. Ich hörte ein leises Schluchzen. Ich legte meine Hand auf ihren Kopf und streichelte ihr Haar. ,,Hey was ist denn los", fragte ich. Ein Moment lang, der sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlte, war es ruhig. Dann stand Sayuri auf. ,,Ach nichts." Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und lächelte mich an. ,,Lass uns runter gehen. Dass Essen ist gleich fertig." Sie packte meine Hand, zog mich hoch und umarmte mich. Mein Herz fing an wie verrückt zu schlagen und ich wurde rot. Und so standen wir da. Sayuri umarmte mich und ich stand einfach nur da. Mein Kopf war leer, ich genoss einfach nur den Moment. Plötzlich löste Sayuri ihren Griff wieder und zog mich aus dem Zimmer und die Treppe runter ins Esszimmer. Ich konnte gerade noch so reagieren um nicht hinzufallen und so stolperte ich mehr hinter ihr her als zu gehen. Als wir in das Wohnzimmer kamen fing es schon an. Ich bekam einen Duft in die Nase, den ich schon lange nicht mehr gerochen hatte. Ramen. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Als wir in die Küche kamen stand ein riesiger Topf auf dem Herd und dampfte vor sich hin. Auf der Platte daneben stand ein Wok und auf der Küchenzeile lagen benutzte en benutztes Schneidebrett und Gemüsereste. Die Küche war eher kleine, dafür aber offen mit dem Ess- und Wohnzimmer verbunden. ,,Ah ihr kommt genau richtig." Sayuris Mutter dreht sich zu uns um. ,,Der Tisch muss gedeckt werden." ,,Okay.", antwortete Sayuri und ging zu einem Schrank um Geschirr heraus zu holen. ,,Du kannst dich schon setzen Haruto, schliesslich bist du unser Gast.", sagte Sayuris Mutter und wendete sich wieder den Ramen zu. Also ging ich ins Esszimmer und setzte mich. Kurz darauf kam Shunichi runter und setze sich auch. ,,Du musst aber helfen Shun!", kam es aus der Küche. Shunichi seufzte genervt. ,,Ja Mutter." Er stand auf und ging auch in die Küche. Nach ein paar Minuten kamen alle drei aus der Küche und setzen sich ebenfalls an den Tisch, dann gab Tanaka jedem eine Schüssel Ramen und etwas Rindfleisch mit gedünstetem Gemüse. Wir wünschten uns alle einen guten Appetit und fingen an zu essen. ,,Und wie geht es dir Haruto? Wie fühlt es sich an wieder frei zu sein?", fragte Tanaka scherzhaft. ,,Eigentlich ganz gut. Nur ein bisschen ermüdend." Ich gähnte. ,,Dann gehst du nach dem Essen am besten hoch und ruhst dich aus." ,,Jepp" antwortete ich und aß schnell zu Ende. Ich räumte mein Geschirr in die Küche, verabschiedete mich und ging nach oben. Ich ging in mein Zimmer und schloss die Tür. Total kaputt von den letzten Tagen fiel ich ins Bett. Es dauerte nicht lange und ich war eingeschlafen.
DU LIEST GERADE
Don't Leave me
AdventureDas Leben könnte so schön sein............ wäre man nicht so wie Haruto. Haruto Itō ist ein normaler 17-jähriger Junge. Also, was heißt ,,normal". Haruto hat alles durchmachen müssen, was man mit 17 Jahren schon durchmachen kann. Vom Jugendamt aufge...