Die Wochen vergehen, der November geht in den Dezember über. Ich schlendere mit Elli durch die hell beleuchtete Einkaufspassage. Alles funkelt und glitzert weihnachtlich. Ich liebe Weihnachten. Die Lichter, die Farben, den Geruch, einfach alles. Doch am meisten gefällt mir die Stimmung. Ja, total kitschig, aber ich steh drauf. „Ich habe so einen Hunger. Lass uns was essen und dann weiter gehen", bittet Elli neben mir. Ich nicke und folge ihr in ein kleines Café. Auch hier ist alles weihnachtlich geschmückt und es riecht nach Mandarinen und Zimt.
„Ok, wo müssen wir eigentlich noch hin?", fragt mich Elli kurze Zeit später mit vollem Mund. Auf dem Eis ist sie eine Elfe, die Grazie in Person. Und kaum hat sie die Schlittschuhe ausgezogen, kommt Elli der Bauer hervor Ich lache kurz über Ellis vollgestopfte Backen, bevor ich ihr antworte: „Also ich habe schon fast alles. Mir war in letzter Zeit so oft verdammt langweilig, da hab ich schon alle Geschenke besorgt. Und ich hab so viel unnötiges Zeug gekauft, dass ich selber einen Laden aufmachen könnte. Nur für Noah habe ich noch nichts."
Ja Noah! Seitdem wir uns kennengelernt haben ist kein Tag vergangen, ohne dass wir uns gesehen haben. Nach dem Streit mit meiner Mutter haben wir uns irgendwann von Austin verabschiedet und Noah hat mich nach Hause gebracht. Dort haben wir den ganzen Tag geredet. Zuerst nur über kleine Dinge: Herkunft, Vorlieben, Abneigungen, unsere Familien, sowas eben. Wobei Noah schon einiges wusste, da Elli scheinbar pausenlos von mir erzählt hat. Und auch, obwohl er nicht nachgefragt hat, wollte ich ihm von Andrew und dem Unfall erzählen.
Wir sitzen nebeneinander auf meiner riesigen Couch. Eigentlich sitze ich halb auf Noah und er hat beide Arme locker um meine Hüfte gelegt. Wir reden jetzt schon seit über vier Stunden und ich werde einfach nicht müde ihm zu zuhören. „Naja, meine Grandma ist schon super. Und ehrlich? Mir ist es nicht wirklich peinlich, mit fast 25, noch bei ihr zu wohnen", beendet er seine Erzählung. Ich habe ihn während unseres gesamten Gespräches nicht aus den Augen gelassen und er mich ebenso wenig.
„Warum sollte es dir auch peinlich sein? Ich habe die letzten 18 Monate bei meinen Eltern gelebt und meine Mutter hat mich von vorne bis hinten bedient. Außerdem muss ich auch jetzt weder für meine Wohnung oder Verpflegung, noch für Klamotten und Sonstiges bezahlen. Verdammt, ich gehe ja nicht mal arbeiten. Also wenn hier einer von Peinlichkeit berührt sein müsste, dann wohl ich", lache ich laut. Aber Noah lacht nicht. „Du hattest einen Unfall und bist schwer verletzt worden. Da kann auch keiner von dir verlangen, dass du alles alleine stemmst", sagt er ernst und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.
Es sind diese kleinen Gesten, die mein Herz noch viel höherschlagen lassen. Noah ist so sanft und liebevoll zu mir, dass ich fast meine Vergangenheit vergessen kann, aber eben nur fast. Normalerweise vermeide ich meinen Unfall als Gesprächsthema. Doch bei ihm habe ich das Gefühl, einfach alles sagen zu können. Er hat noch nicht einmal nachgefragt, nicht nachgebohrt. Und genau deshalb möchte ich es ihm erzählen. Doch ich weiß gar nicht, wie und wo ich anfangen soll. Zum ersten Mal seit Stunden senke ich den Blick und überlege, wie ich meine Geschichte erzählen soll. Noch während ich tief in einem Strudel aus finsteren Gedanken feststecke, legt er zwei Finger unter mein Kinn und bringt mich dazu, ihn wieder anzusehen.
„Was ist los?", fragt er leise und sieht mir dabei in die Augen. Dieses Blau fasziniert mich von Mal zu Mal mehr. So hellblaue Augen habe ich zuvor noch nie gesehen. Und bei seinem Blick fällt es mir verdammt schwer, mich zu konzentrieren. „Willst... willst du denn gar nicht wissen, was passiert ist?", frage ich heiser, bereits jetzt versagt mir meine Stimme ihren Dienst. Noah lächelt sanft und lässt seine Finger über meinen Kiefer an meinen Hals wandern, bevor er die Hand in meinen Nacken legt und dort wieder seine kleinen Muster hinterlässt.
„Ich möchte schon wissen was passiert ist, ich möchte einfach alles über dich wissen. Aber ich möchte, dass du es mir erzählst, weil du es so möchtest, nicht wegen mir." Er zwingt mich nicht. Nicht wie Mum oder meine bescheuerte Therapeutin. Und genau das ist es, was den Knoten in meinem Hals löst. „Wie viel hat die Schnattertante dir erzählt?", frage ich zuerst. Kurz lacht Noah auf. Elli habe ich so getauft, da sie Noah bereits einiges über mich erzählt hat. „Nur, dass du einen Autounfall hattest, danach lange im Krankenhaus warst und das Eislaufen aufgeben musstest. Mehr nicht."
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Die Eisprinzessin (Leseprobe)
RomanceBelle's Leben hat sich durch eine einzige Nacht verändert. Sich zurück ins Leben zu kämpfen war dabei ihr kleinstes Problem. Sie muss ihren Traum aufgeben und den Männern hat sie den Rücken gekehrt. Doch dann trifft sie ihn. Den einen Mann der ihr L...