Koma #3: Schuld?

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Rose

Rose nickte  für sich, dann wandte sie ihren Blick kurz ihrem Mann zu, ehe sie sich stumm mit ihm verständigte und er sich daraufhin von ihr löste. "Komm Taedy, wir gehen mal ein Stückchen", schlug sie vor und schlenderte ein wenig los. Taehyung war seinem Vater erst einen Blick zu, unsicher, ob sie ihn wirklich zurück lassen sollten, doch dieser schob nur die Hände in die Hosentaschen und grinste aufmunternd.

Also schloss Tae zu Rose auf und sie hakte sich bei ihm unter.

"Ich denke ich weiß, warum du hier bist...", meinte sie und begegnete den dunkelbraunen, fragenden Augen ihres Sohnes. "Kopfsache", sie sah sich um. "Der Nebel ist bereits etwas besser geworden, wir kriegen das schon hin, oder Taedy?" Er blieb stehen. Dann sah er sie fast gequält an. "Mama...", seine Lippen verzogen sich fast zu einem Schmollmund und Rose hätte ja fast darüber gelacht, wie niedlich ihr inzwischen erwachsenes Baby war, wenn sie nicht auch die ganze Trauer sehen würde, die in seinem Blick lag. "Ich weiß nicht wie."

Sie rieb ihm beruhigend über den Arm und veränderte ihre Postition dann so, dass sie einen Arm um seine Mitte legen und trotzdem mit ihm weiter schlendern konnte. "Taedy, du hast dich zu wenig um dich selbst gekümmert. Diese Sache mit deinem Mate scheint eine Art Tropfen zu sein, der das Fass zum überlaufen bringt. Lass uns da was rausschöpfen. Ich denke da sind Sachen, die dich bedrücken und die dir durch den Kopf geistern und dich nicht in Ruhe lassen. Welcher Gedanke macht dich am meisten unglücklich?"

Tae zögerte, als wüsste er nicht, worüber sie sprach und er schien darüber nachzudenken. "Antworte einfach. Denk nicht darüber nach." "Ich mache alles richtig, außer das was wichtig ist."

Rose blieb stehen und sah fragend zu ihm auf. "Warum solltest du sowas denken?", fragte sie sanft. Tae musterte sie und plötzlich sammelten sich Tränen in seinen Augenwinkeln. "Ich bin Schuld, Mama. Wenn ich dich nicht nach oben geschickt hätte... Ihr wärt beide noch bei uns. Ihr währt noch da, wenn ich anders entschieden hätte, Mama. Es tut mir so Leid."

Rose schüttelte den Kopf. "Shhh", machte sie und umarmte ihn wieder. "Ich war nicht da, als Dad starb, weil ich mich entschieden hatte, eine Tour nach Ara zu machen. Lilly musste das allein hinbekommen, ich war nicht noch mal bei ihm. Jimin... warum habe ich ihn mit runter genommen, ich hab ihm gesagt, er soll sich verstecken, aber er ist trotzdem verletzt worden... Ich hätte fast meinen eigenen Mate hops gehen lassen, nur weil ich dachte, er will nicht aus seinem Leben gerissen werden, da stellt sich raus, dass er das schlimmste Leben überhaupt hat und doch haut er jetzt wieder ab. Er ist einfach wieder zurück gegangen, ich hätte ihn nicht allein lassen sollen."

Die Worte purzelten nur so aus seinem Mund und Rose ließ ihn erst mal reden, auch wenn nichts von dem wahr war. Doch er musste es los werden. Jack war in der Nähe geblieben. Natürlich war er das. Er schlang seine langen Arme von der anderen Seite um Tae und Rose und sie nahmen ihn in ihre Mitte, wie eine Spatzenfamilie ihr Küken im Winter.

Tae schniefte leise. Er war als Kind eine richtige Heulsuse gewesen. Doch da war er irgendwann rausgewachsen. Es war also wirklich schlimm ihn so zu sehen. Die Belastung unter der er stand war also viel größer, als er sich anmerken ließ.

"Ich entscheide mich immer falsch, wenn es wirklich wichtig wird. Ich hätte das alles verhindern können...", er brach ab und die Tränen rollten über seine Wangen. Rose wischte sie sanft weg.

"Taehyung...", sie sorgte dafür, dass er sie ansah. "Das darfst du nicht denken, denn das ist nicht wahr. Es war ein Kampf und jeder hatte die Chance zu überleben, auch ich... Jeder hätte sterben können, ganz unabhängig davon, was du entscheiden hast, wie wir uns aufteilen. Ich wünschte dieses Angriff hätte es nie gegeben, doch es gab ihn." Sie strich ihm durch die Haare. "Wenn du nicht mich hoch geschickt hättest, dann wäre Thannam nach oben... Dann wäre vielleicht sie gestorben. Vielleicht auch nicht. Vielleicht hat du ihr so aber das Leben gerettet? Vielleicht wären wir auch einfach beide gestorben, willst du dir daran dann auch die Schuld geben? Ich habe selbst Entscheidungen getroffen, die dafür gesorgt haben, dass ich am Ende stand wo ich eben stand und auf diese hattest du auch keinen Einfluss. Taedy, du musst damit aufhören. Diese was-wäre-wenn Gedanken bringen dir nichts. Alles hätte passieren können. Du hättest sterben können. Keiner weiß das und es ist wie es ist und alles andere ist nicht wichtig und es ist nicht deiner Entscheidung zuzuschreiben."

Sie machte eine Pause und sah ihn durchdringend an. "Das Leben und wie es verläuft, wie es beginnt und wie es endet hängt von einer Summe an ganz vielen Entscheidungen, Gelegenheiten, Taten und spontanen Gegebenheiten ab. Eine Entscheidung, die du getroffen hast ist nicht Schuld an dem ganzen Verlauf. Es ist Schicksal."

Taehyung nickte.

Sie hoffte, dass er es auch wirklich verstanden hatte. Ein kleines lächeln bildete sich auf seinen hübschen Zügen und Rose blickte sich um, um zufrieden festzustellen, dass die Farben allmählich zurück kehrten und der Nebel sich mehr und mehr verzog.

Es reichte aber noch nicht. Offensichtlich. Die Orchidee machte sich jedoch keine Gedanken darüber, dass sie es nicht schaffen würden, ihn wieder zurück in die richtige Richtung zu bringen. Sie mussten nur finden, was ihn noch zurück hielt und bedrückte und es ausräumen, damit er wieder neu starten konnte.

Taehyung strich sich mit dem Handballen über die fast wieder trockenen Wangen und löste sich von den Beiden, um ein Stück weiter dem Weg zu folgen, der vor ihnen lag. "Kirschblüten, hm?", fragte sie grinste ein breites Kastenlächeln. Taehyung sah sich um. "Mom, es gefiel mir besser, als du darauf verzichtet hast, mich aufzuziehen!", schmollte er sofort los. "Vielleicht doch nicht pan." "Mama!" "Sag ja nur", flötete sie und er rollte gespielt die Augen.

"Die Kirschblüte steht für Schönheit und Vergänglichkeit", meinte Rose nachdenklich. Dann lächelte sie. "Und weißt du wofür noch?", setzte sie fragend hinterher und Tae schien kurz in seinem Gedächtnis danach zu graben. "Aufbruch", sagte er leise. Rose nickte zufrieden. "Abgesehen davon, dass auch Männer sie hübsch finden dürfen, musst du weiter gehen Taehyung. Aufbrechen. Zu neuen Zielen. Lass den ganzen alten Scheiß hinter dir."

Taehyung lachte bitte auf. "Auf keinen Fall lass ich euch zurück." "Also sind wir der 'alte Scheiß' ja?", hakte Rose amüsiert nach. "Mama!" "Die Falle hast du dir selbst gestellt", antwortete sie auf seinen empörten Ausruf und wuschelte ihm durch die Haare. "Ich meine du solltest abschließen mit dem ganze  Müll, den du dir einredest, Taedy." Er ließ die Attacke über sich ergehen und richtete sich dann wieder auf. Dann nickte er, ehe er durchatmete. "Vielleicht hast du Recht Mom." "Natürlich hab ich recht, hab ich immer~", antwortete sie und schenkte ihm ein Kastengrinsen.

Vicarli [Curare OS] - Liebe Kinder, Curare ist kein Spielplatz, urghWo Geschichten leben. Entdecke jetzt