- Devin -
Als ich an diesem Sonntag halb tot ins Bett falle, ist es bereits halb acht am Morgen. Ich stinke nach Zigarettenrauch, Alkohol und Frittenfett. Mir wäre es natürlich auch lieber egwesen, am Samstag zu feiern, stattdessen habe ich in meinem Stammpub hinter der Bar gearbeitet, umgeben von besoffenen Typen, lästigen Mädchen und nervigen Kollegen - der Schichtplan war eine vollkommene Katastrophe. Um zu Duschen fehlt mir jetzt eindeutig die Kraft. Ich brauche auch nicht lange, bis ich eingeschlafen bin.
Streng genommen kann ich mich aber nicht über mein Leben beschweren. Zwar lebe ich nur so vor mich hin, aber es ist in Ordnung so. Ich habe eine kleine Wohnung mitten in der Stadt, was heißt, dass ich kein Auto brauche. Überall wo ich hin muss, komme ich mit der U-Bahn, mit dem Bus oder zu Fuß hin. Die Miete bringe ich mit dem Job im Pub auf und habe auch noch genügend übrig, um mich verpflegen zu können. Von meinen Eltern kann ich keine Hilfe erwarten und das will ich auch gar nicht. Wahrscheinlich würde es sie auch gar nicht interessieren, würde ich tot in einer Gasse gefunden werden.
Für meine Eltern bin ich mit sechzehn schon gestorben. Ich bin mir selbst nicht mehr sicher, wie ich die vergangenen beiden Jahre auf der Straße überleben konnte, abgesehen von Betteln und Klauen. Und alles nur, weil ich schwul bin.
Geh zum Arzt, dafür gibt's bestimmt Tabletten, hat meine Mutter gesagt, während mein Vater versuchen wollte, es aus mir heraus zu prügeln. Er hat mich glücklicherweise nicht erwischt. Ich war an dem Tag geradewegs aus dem Fenster geklettert - oder gesprungen - und war zu meinem damaligen Freund geflüchtet. Zumindest hatte ich eine Bleibe. Allerdings war die Beziehung nach zwei Monaten zu Ende und erstaunlicherweise nicht meine Schuld. Es war mein gutes Recht mit ihm Schluss zu machen, wenn er schon in der Weltgeschichte herum vögelt.
Ich saß also, nach dem plötzlichen Ende meiner Beziehung, auf der Straße und nach fast zwei Jahren, bekam ich den Job in dem kleinen Pub. Bald konnte ich mir meine Art Abstellkammer leisten und jetzt... bin ich hier.
Als ich wieder aufwache, ist es spät nachmittags. Ich fühle mich total erledigt, dabei hab ich weder was getrunken, noch geraucht. Das Passivrauchen dankt mir meine Lunge dennoch nicht. Es dauert seine Zeit bis ich allmählich in die Gänge komme und mache mir erst einmal einen Kaffee. Während die Maschine durchläuft, springe ich unter die Dusche und fühle mich gleich ein wenig wacher. Frisch geduscht und nur mit Boxershorts bekleidet, setze ich mich in die kleine Küche und genieße in aller Ruhe meinen Kaffee. Zum Glück hat das Pub heute geschlossen. Und noch besser: Ich habe Urlaub! Eine ganze Woche, sieben Tage! Besser kann ein Sonntag doch gar nicht anfangen.
Nebenbei rauche ich eine Zigarette - auch wenn ich merke, dass meine Lungen nicht davon begeistert sind -, und entscheide mich dafür, ein wenig spazieren zu gehen. Nachdem die Zigarette aufgeraucht ist, schlüpfe ich in meine zerrissene, schwarze Jeans, ziehe mir ein dunkles T-Shirt an und schlüpfe dann in meinen roten Zipper-Hoodie. Draußen sieht es schon wieder nach Schnee aus, was mich ein wenig seufzen lässt. Nicht, dass ich was gegen Schnee hätte, aber ich kann ihn langsam nicht mehr sehen! Außerdem ist der Schnee in der Stadt dreckig und matschig.
Mein Weg führt mich also raus aus der Stadt und in das angrenzende Wäldchen. Allein bis dorthin bin ich schon eine dreiviertel Stunde unterwegs - mindestens. Nebenbei rauche ich meine Zigaretten und lausche der Musik aus meinen Kopfhörern. Zufrieden mit Gott und der Welt - nicht, dass ich gläubig wäre oder so... -, stapfe ich durch das Geäst und bleibe dann abrupt stehen. Dort, vielleicht fünfundzwanzig Meter von mir entfernt, liegt ein... weißer Hund. Zumindest sieht es danach aus. Ich überlege einen Moment, zögere, ob ich auf den Hund zu gehen soll. Er könnte die Tollwut haben. Er könnte mich angreifen. Er könnte aber auch dankbar sein, dass ihn jemand fand. Nach einer Weile komme ich aber zu dem Entschluss, zumindest nach ihm zu sehen. Vielleicht war der Hund ja schon tot? Erfroren, oder so.
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forgotten kings
Fantasia»Wir sind nicht tot. Sie haben uns nur... vergessen.« Eines unbekümmerten Tages findet Devin bei einem Spaziergang einen verletzten Wolf. Mit seinem weißen, Blut verklebten Fell wirkt er noch mehr Fehl am Platz. Devin kann sich nicht gegen den Dran...