Schuldig

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Zwei Tage.

Langsam öffnete ich meine Augen, nur um dann festzustellen, dass es viel zu hell war. Als ich einen neuen Versuch in Angriff genommen habe, gelang es mir glücklicherweise. Ich stand auf und ging zum Kleiderschrank und spielte im Kopf bereits meine morgen Routine ab, als ich abrupt an Ort und Stelle stehen blieb, zwei Meter vom bereits anvisierten Kleiderschrank, stehen blieb. Warum ist es eigentlich schon wieder morgen? Unsicher und langsam fuhr ich meinen weg in Richtung Kleiderschrank fort, ging allerdings dran vorbei geradewegs durch meine Zimmertür. Folgend stand ich dann an der Treppe runter in die Küche, Wohnzimmer, etc. Vielleicht ist etwas passiert und ich habe jetzt schon ein komplettes Black out? Was ist, wenn mein anderes Ich meinem Vater etwas angetan hat?

Von Neugier angetrieben ging ich die Treppen stufen hinab, wurde aber mit jedem Schritt und jedem Gedanken langsamer. Und was wenn Ich oder Er meinem Vater etwas angetan hat? Er hätte es verdient, er hätte früher oder später sowieso gelitten! Ich habe es beendet und uns Frieden gebracht, keinen Ärger, keine weiteren Schläge, keine weiteren Erinnerungen.

Auch wenn er es so gut wie schon bestätigt hatte, ging ich in die Küche und erwartete bereits die Ergebnisse der Taten meinem Ichs, doch, nichts war dort. Nein nicht mal ein Fleck. Wieso liegt er jetzt nicht vor mir auf den Boden, getränkt in seinem eigenen Blut? Verwirrt ging ich weiter alle Räume durch, aber alle waren bis übliche Bier Flaschen, Zigaretten Stümmel und Packungen und weiteren Zeugs unbeschmutzt. Blieb nur noch der Verbotene Raum, von meinem Vater auch NFK Raum genannt. Die letzte Hoffnung die mir bleibt. Ich griff mit einem Komischen Gefühl zur silbernen Türklinke der Dunkelbraunen Holztür. Nebenbei bemerkt war es die schönste im ganzen Haus. Und hinter dieser Tür würde niemand etwas böses erwarten, weil sie ja so rein und unbefleckt aussieht, makellos wie eh und je. Schnell drückte ich die Klinke runter und schlug schon fast die Tür auf, diese dann gegen die Wand im Innenraum prallte. Ich stehe vorm Geschehen. Trotzalldem war mein Blick zu Boden gerichtet. Wieso schaue ich denn nicht auf? Genieß doch den Anblick, den ich mit Liebe und Mühe in deinem Namen gestaltet habe. Also sah ich auf. Das Licht, welches nicht nötig war eingeschaltet zu werden, Flackerte im Zehn Sekunden Takt einmal auf. Es genügte ausreichend um meinen Vater, liegend auf einem Bett im dafür vorgesehenen Schlafzimmer, zu identifizieren. Wunderschön, wie sich das trocknete Blut weiterhin versucht sich durch die Faser der doch so weichen Baumwollstoff der decke zu fressen. Schon am Vortag durfte ich die Wärmende Wolle an meinem Körper spüren. Ich erinnerte mich genau an das Gepflegte Aussehen, das unendliche weiche und gleichzeitig harte Gefühl, der durch dringliche Geruch von Waschmittel und Säure, das ohrenbetäubende Geräusch und an das eingebaute Badezimmer.

Hier vor muss erwähnt werden, dass ich noch nie mit meiner Mutter geredet, geschweige denn gesehen habe. Deshalb wunderte mich die Tatsache auch nicht, dass sie hier gerade nirgendwo im Haus aufzufinden war. Hört sich vielleicht komisch an, aber das passt ja. Ich ging, meinem Vater komplett ignorierend, in Richtung Badezimmer, welches sich an der Seite der Wand erkennen ließ. Was ist wohl noch alles passiert von dem ich nichts weiß?

Die Tür zum Badezimmer stand auf. Der Geruch, den ich schon die ganze Zeit ignoriert hatte, verstärkte sich desto näher ich dem Zimmer kam. Von außen erkannte man schon die ehemaligen unterschiedlich Blau gefärbten Fliesen, die jetzt jedoch in ein dunkles, schon fast braunes, violett getönt waren. Ich ging ein paar Schritte in das Zimmer hinein. Vielleicht waren es sieben, vielleicht auch nur fünf Meter die ich nun von meiner Mutter getrennt war.

Erster Schritt, fünf Meter. Das Blut meiner Mutter, die ich nie sehen durfte.
Zweiter Schritt, drei Meter. Die Langen braunen Haare die ich von ihr geerbt hatte.
Dritter Schritt, ein Meter. Diese Augen, von denen ich es nie Wert war angesehen zu werden.
Vierter Schritt, null Meter. Ihre wunderschönen geformten Lippen, die zu einem Letzten Schrei aufgerissen waren.
Und trotzdem bleibt sie eine Unbekannte für mich. Ein Objekt, wovon du weißt, dass es immer da war und für andere sehr wichtig ist, es allerdings nie gesehen, berührt oder gebraucht hast.

Mobbing Opfer #ZomGerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt