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Yoongi PoV

„...75, 76, 77!", murmelte ich, blickte von dem Zettel in meiner Hand auf und betrachtete das hohe Gebäude. Auf einem der Klingelschilder neben der Tür stand: „Staatsanwaltschaft". Das musste das Richtige sein. Also klingelte ich und einen Augenblick später ertönte eine hohe piepsige Stimme: „Ja bitte?" Ich räusperte mich. „Guten Tag, ich bin Min Yoongi und ich habe einen Termin." Daraufhin ertönte ein Summen und die Tür schwang auf. Ich betrat das Treppenhaus. Ich musste in den 7. Stock. Uff. Doch dann entdeckte ich einen Fahrstuhl. Zum Glück, sonst wäre ich vermutlich hier gestorben. Ich drückte auf eine Taste neben dem Aufzug und eine Minute später öffneten sich die Türen. Ich wollte hineingehen, doch jemand kam mir entgegen, was ich nicht vorausgesehen hatte, und so lief er in mich rein und stolperte zurück. Als er den Kopf hob, lag Verwirrung in seinen dunklen Augen. Moment. Wieder diese Augen. War das nicht der Typ aus dem Café? Nun schien auch er mich zu erkennen. Mehr noch. Er zog geschockt die Augenbrauen hoch, die Augen geweitet. Dann stürmte er an mir vorbei. Ich sah ihm verwirrt nach. War er in eine ähnliche Situation gekommen wie ich und hatte Angst vor mir bekommen? War er deswegen weggelaufen? Ein merkwürdiges Gefühl regte sich in einer versteckten Ecke meines Gehirns. Ich wollte diesen Jungen beschützen, wollte nicht, dass ihm irgendetwas zustieß. Doch dann schüttelte ich den Kopf. Was für ein Blödsinn. Ich hatte ihn gerade eben zum ersten Mal, nun gut, vielleicht zweiten Mal, gesehen, ich konnte, durfte etwas derartiges nicht fühlen.

Der Fahrstuhl war in der Zwischenzeit wieder nach oben gefahren und so dauerte es noch eine Weile, doch schließlich stand ich vor einer weißen Tür im 7. Stock. Ich drückte sie auf und eine Stimme rief: „Ah, sie haben es also doch noch nach oben geschafft, ich hatte schon vermutet, dass sie auf dem Weg nach oben umgekommen seien." Ein etwas älterer Herr kam mir auf dem Flur entgegen, legte mir die Hand auf den Rücken, als wären wir alte Freunde und begleitete mich an seiner Sekretärin vorbei in einen großen Raum mit einem schwarzen Tisch in der Mitte, wo er mir jetzt einen Stuhl anbot. Nachdem ich mich gesetzt hatte, zog er aus einem großen Stapel eine Akte hervor. „So... also... Ah ja.", sagte er. „Körperverletzung, Folgen: Gehirnerschütterung, 2 Tage im Krankenhaus. Täter wird weiterhin angeklagt wegen versuchten Einbruchs. Sie sind hier, um den weiteren Verlauf des Verfahrens zu entscheiden. Normalerweise würde es zur Verhandlung kommen, doch in diesem Fall haben wir beschlossen, eine weitere Möglichkeit zu zulassen, sie nennt sich „Täter-Opfer-Ausgleich". Im Grunde heißt es, dass sie sich mit dem Angeklagten unterhalten, um alle Unklarheiten über die Tat aufzuklären. Wenn er Reue zeigt, und ein Bestreben, die Sache wiedergutzumachen, wirkt sich das mildernd auf seine Strafe aus. Allerdings brauchen wir dazu ihre Einwilligung, er hat bereits zugestimmt."

Ich hatte bis hierhin stumm zugehört. Wollte ich das? Wollte ich darüber reden, was in dieser Nacht passiert war? Es war für mich einfach ein Schock. Was sollte ich antworten? „K-könnte ich ein wenig Zeit bekommen, um darüber nachzudenken?", bat ich und mein Gegenüber nickte verständnisvoll. „Natürlich. Das ist ganz normal, geben Sie mir einfach Bescheid, wenn sie so weit sind, hier..." er griff hinter sich in ein Regal und holte eine Visitenkarte hervor, die er mir reichte. „Rufen sie an oder schreiben Sie mir eine E-Mail." „Mache ich, vielen Dank.", sagte ich, zwang mich zu einem knappen Lächeln und verabschiedete mich.

Ich saß zuhause an meinem Schreibtisch, den Kopf auf einen Arm gestützt, einen Kuli zwischen den Fingern, den ich immer wieder klicken ließ, und dachte nach. Sollte ich meine Zustimmung für dieses Gespräch geben? Einerseits erschien es mir sinnlos. Wie sollte ein einfaches Gespräch dieselbe Wirkung erzielen, wie zum Beispiel eine Geldstrafe? Oder zwei Jahre Knast? Andererseits... vielleicht sollte es das ja gar nicht. Vielleicht hatte das auch einen rein psychologischen Hintergrund. Ach Mann! Das bringt doch nichts! Ich beschloss, Jin anzurufen und nach seiner Meinung zu fragen. Er kannte sich mit Menschen und so 'nem Kram aus.

Das Telefon klingelte und schließlich fragte eine weiche freundliche Stimme: „Ja?" „Hey Jin, ich bräuchte mal deine Hilfe..." Ich erklärte ihm die Situation und wurde von meinem, ziemlich wütenden, besten Freund, ordentlich zusammengestaucht. „Du nimmst jetzt sofort dieses Gespräch an, Min Yoongi! Sonst kannst du was erleben! Überleg mal, wie der arme Junge sich jetzt fühlt, er stand unter Alkoholeinfluss und kann sich vermutlich nicht mal mehr an seine Tat erinnern! Ich bin mir sicher, dass er eigentlich total freundlich ist, gib ihm doch wenigstens eine Chance, seinen Fehler wieder gutzumachen. Und nur so kannst du auch dein Gedächtnis säubern!" „Okay, okay, ich hab's verstanden, aber hör bitte auf mich anzuschreien.", flüsterte ich leicht verängstigt. „Gut, aber mach ja was ich gesagt habe!" „Ja, Eomma..." murmelte ich leise und konnte von Glück reden, dass er schon aufgelegt hatte. 

You Don't  Owe Me Anything |Yoonmin|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt