Kapitel 18

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MITTEN IN DER NACHT schreckte Wüstenpfote hoch. Sie befand sich immer noch in den Fängen des WindClan und lag immer noch in ihrem Gefängnis.
Da erinnerte sie sich an das was sie am Tage geplant oder besser erwartet hatte: Dass sie mitten in der Nacht aufwachen sollte und dann einen Plan schmieden. Tja, besser gesagt als getan, ein Plan musste her.
Wüstenpfotes Glieder schmerzten, aber doch nicht so sehr, als dass sie sich nicht hätte konzentrieren können, wenigstens stand sie nun nicht unter ständiger Beobachtung. Klar, sie konnte nicht fliehen, aber es war zumindest keine Katze bei ihr, die jedem ihrer Schritte folgte und alles begutachtete, was sie tat. also Nummer eins, sie musste diese Wirkung des Schlafschattengewächses loswerden und ab besten fragte sie dazu die Katze, die dieses Mittel besaß. Denn als Heiler musste man für jedes Gift auch ein Gegengift haben oder zumindest die Zusammensetzung davon kennen.
Na also, gar nicht so schwer. Die Kätzin musste sie nur noch einen Weg finden um unbemerkt zu Schmetterlingsblume zu gelangen. Das würde nicht sehr einfach werden, denn der Heilerbau befand sich genau am anderen Ende des Lagers, also müsste sei erst einmal unbemerkt dahin gelangen.
Eine schwierige Aufgabe.
Wie sollte sie die bloß lösen? Sie überlegte, fertigte sich einen Plan des Lagers im Kopf an. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Ihr Gefängnis befand sich eingezwängt zwischen Ältestenbau und Kriegerbau, dieser grenzte gleich an den Bau der Schüler, welcher mit dem Außenwall verbunden war. Der Eingang befand sich gleich daneben, von diesem aus führte ein kleiner Zaun an der Kinderstube vorbei bis hin zum Versammlungsfelsen und Frischbeutehaufen. Gleich hinter dem Frischbeutehaufen war der Bau des Anführers, daneben erst der Heilerbau.
Das würde echt schwierig werden. Vielleicht konnte sie die Wälle nuten, um unbemerkt dort hin zu gelangen, doch da musste sie am Eingang vorbei und da war immer eine Wache postiert.
Mist. Die Schülerin könnte auch noch versuchen über ihr Gefängnis und den Ältestenbau ebenso wie den Bau des Anführers zu klettern und dann durch ein kleines Schlupfloch am hinteren Ende des Heilerbaus hineinschlüpfen.
Ja, das war die beste Möglichkeit. Anders würde es nicht funktionieren. Nun war die Entscheidung getroffen.
Ihr Herz schlug schneller, als sie es wagte vorsichtig in das Lager zu schauen um zu sehen, ob sie wer beobachtete. Vorsichtig streckte sie ihre Schnauze durch die Öffnung des Baus.
Nein, niemand zu sehen.
Die Luft war rein.
Sie konnte nun ihren wagemutigen Plan in die Tat umsetzten. Vorsichtig belastete sie ihre Pfoten und testete aus, ob sie diese belasten konnte ohne einen schmerzerfüllten Laut von sich zu geben. Sie biss ihre Zähne zusammen, es könnte funktionieren. Ihre Muskeln brannten noch und ihre Lunge war angeschlagen. Doch sie würde es durchstehen.
Die Schülerin ließ ihren Blick erneut über das nächtliche Geschehen im Lager schweifen. Es war wirklich nicht viel los. Nur eine einzelne Wache war am Eingang des Lagers postiert. Die Königinnen befanden sich in der Kinderstube, vermutlich schliefen sie, ebenso wie die Schüler und Krieger, die gerade nicht auf Nachtpatrouille waren. Wüstenpfote wusste nicht, wo Windstern und Heidekralle waren oder was sie gerade machten. Das war natürlich ein Risiko, doch sie musste es eingehen.
Die Schülerin wollte nicht auf ewig an den Clan gebunden sein, sie würde zum DonnerClan zurückkehren, auch wenn es sie einiges kosten würde. Sie prüfte kurz die Luft und die Lage. Die Schülerin musste unbemerkt zu Schmetterlingsblume gelangen.
Die Luft war rein. Sie konnte mit ihrer Aktion loslegen. Die Katze, die Wache hielt, schien nicht in ihre Richtung zu sehen, doch aufgrund der Dunkelheit konnte sie das nicht so gut erkennen. Sie musste Vorsicht wahren. Die Schülerin streckte eine Pfote durch den Eingang und schob sich vorsichtig durch die Öffnung. Bis jetzt schien sie niemand zu entdecken. Vorsichtig verlagerte sie ihr Gewicht auf die Oberschenkel und schlich sich, als würde sie auf der Jagd sein, zum Bau der Ältesten.
Es war alles ruhig. Ihr Blut pochte in ihren Ohren, es rauschte durch ihren Körper. Ihr Herz raste. Es war dunkel, spät nachts. Sie hoffte, dass sie niemand entdecken würde.
Vorsichtig, ganz vorsichtig und langsam, schob sie sich weiter. Zweige streiften ihr Fell. Ihr Körper brannte vor unterdrückten Schmerzen, sie gab keinen Laut von sich. Langsam zog sie sich am Rand des Baus hoch. Die Äste knackten leicht. Wüstenpfote hielt erschrocken inne. Hoffentlich hatte sie niemand gehört.
Ihr Herz raste.
Würde sie es schaffen?
Würde sie doch entdeckt werden?
Sie hielt den Atem an, als sie sich sicher war, dass niemand sie bemerkt hatte, kletterte sie weiter. Mit jedem weiteren Anspannen der Muskeln beim Hochziehen wuchs auch ihre innere Anspannung. Endlich hatte sie die obere Seite des Baus erreicht. Sie setzte eine Pfote vor die andere.
Im Gegensatz zum Tag war die Nacht erstaunlich kühl und der Wind fegte leise durch ihr Fell und verwirbelte es Stück für Stück. Die Schülerin schnupperte, fast schon konnte sie glauben, dass sie wieder frei war, bei ihren Freunden im DonnerClan. Nicht gebunden an den ihres Vaters. Die Nacht war wunderschön und die Mondsichel warf ein schwaches Licht über die niederen Büsche.
Es hätte gut sein können, wenn eine Katze, die durch das Lager patrouillierte, nach oben geschaut hätte ihren Umriss entdeckt hätte, aber glücklicherweise war dem nicht so. Ihre Silhouette zeichnete sich silbern und schwarz vor der nächtlichen Landschaft ab. Die gelb grünen Augen leuchteten matt in der Dunkelheit. Sie schlich vorwärts, hielt ihren geschmeidigen, aber angeschlagenen Körper geduckt und immer angespannt und kampfbereit. Ja, sie würde kämpfen, wenn es nötig wäre, auch gegen ihren eigenen Vater. Die Schülerin trat aus Versehen auf einen brüchigen Zweig.
Ein lautes Krachen ertönte. Die Wache am Lager drehte sich um, ließ ihren wachsamen Blick über das Lager schweifen. Wüstenpfote drückte sich aufs Dach des Baus, schloss die Augen und betete, dass er sie nicht gesehen hätte. Ihr Herz raste, ihre Aufregung stieg ins Unermessliche. Es war ein äußerst gefährliches und riskantes Unterfangen. Der kurzzeitige Lärm verhallte in der Dunkelheit. Hoffentlich sind die Ältesten unter mir nicht aufgewacht, schoss ihr durch den Kopf. Ihr Puls hämmerte wie wild in ihrem Körper und Adrenalin schoss durch die Blutbahnen. Sie fühlte sich nun gestärkt und ihr Geist geweckt wie nie zuvor. Ihre Pupillen weiteten sich. Es war ihr schon fast egal, ob sie gesehen werden würde, sie war kampfbereit.
Doch die Schülerin hatte Glück. Sie wurde nicht entdeckt. Der Wächter drehte sich wieder nach außen Sie entspannte sich ein wenig, dann schlich sie weiter. Ihr Herz klopfte vor Aufregung. Sie hatte den Ältestenbau fast hinter sich gelassen. Ihr Schwanz streifte über die Äste des Daches.
Die Schülerin hatte fast ein Drittel ihres gefährlichen, ja fast schon aberwitzigen Weges hinter sich gelegt und steuerte nun zielstrebig auf den Bau ihres Vaters zu. Sie konnte es schaffen, sie würde es schaffen. Wüstenpfote sprang leichtfüßig vom Bau herab.
Nun befand sie sich in einer heiklen Situation. Gerade auf diesem offenen Teil des Lagers konnte sie ganz leicht gesehen werden, sie hätte sofort entdeckt werden könnten, wenn sie sich nicht sogleich in den Wall aus Ginster und Heidekraut gedrückt hätte. Bei der Landung musste sei einen kleinen Aufschrei unterdrückten, denn ihre Beine wären beinahe unter ihr weggeknickt. Das hätte sie auffliegen lassen können und es wäre das Ende ihrer wiederersehnten Freiheit gewesen. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust, sie glaubte schon fast es würde zerspringen, so heftig schlug es.
Ihre Pfoten berührten nur flüchtig den Boden, als sie sich auf den Bau des Clan Anführers zubewegte. Dieser befand sich hinter dem Frischbeutehaufen, der schon geleert worden war. Ihr Magen knurrte leise, sie hatte immer noch nichts gefressen. Wüstenpfote ignorierte das Protestieren ihres Körpers und bewegte sich weiter vorwärts. Sie hangelte sich am Rand des Baus hoch und zog sich nach ganz oben. Keiner bemerkte sie.
Ihr Vater schien entweder auf Patrouille zu sein oder er schlief tief und fest. Es wunderte sie, dass der Bau nicht von irgendeinem Krieger bewacht wurde. Es hätte ja gut sein können, dass eine abtrünnige Clan Katze ihn angreifen könnte. Wüstenpfote runzelte nur kurz die Stirn, danach schlich die Schülerin weiter. Eine Pfote vor die Andere setzend schob sie ihren sehnigen Körper über den Bau.
Ihr sandfarbenes Fell bewegte sich geschmeidig mit ihren Muskeln. Trockene Blätter blieben darin hängen, doch es störte sie nicht weiter. Wüstenpfote prüfte kurz die Luft, doch niemand außer dem Wächter war in Sicht.
Ihre Pfoten bewegten sich beinahe wie on selbst, als sie zielstrebig auf Schmetterlingsblütes Bau zu schlich. SternenClan sei Dank knackte kein einziger Zweig und sie konnte unbemerkt über den Bau hinwegklettern. Ihre Pfoten federten ihren Sprung ab, obwohl ihr schon bei jedem Schritt stechende Schmerzen durch die Glieder fuhren. Wüstenpfote prüfte die Luft, sie war erfüllt vom Geruch des WindClans, doch niemand schien sich in ihrer Nähe aufzuhalten, der ihr gefährlich werden konnte.
Ob Schmetterlingsblüte wohl noch wach war?
Die Schülerin zwängte sich unbeobachtet durch den kleinen Hintereingang des Heilerbaus, von dem nur sie und die Heilerin wussten. Als sie noch Schülerin des WindClans gewesen war, hatte Schmetterlingsblüte sie so manches Mal auf diesem Weg unbemerkt in ihrem Bau geschmuggelt, damit sie sie verarzten konnte. Wüstenpfote war ihr immer unendlich dankbar gewesen, sie hoffte, dass die Heilerin sie auch dieses Mal retten konnte, auch wenn es ein äußerst riskantes Unterfangen war. Denn sollte Heidekralle, Windstern oder irgendeine andere Katze, die diesen beiden wohlgesonnen war, sie dabei erwischen, würde mindestens eine von ihnen ihr Leben verlieren, wenn nicht sogar alle beide. Wüstenpfote erschauerte bei den Gedanken daran, dass ihr Vorhaben Schmetterlingsblütes Tod bedeuten könnte.
Nicht daran denken, Wüstenpfote. Immer positiv bleiben und nach vorne sehen, sprach sie sich selbst Mut zu. Doch wieder ließ sie diese Vorstellung erschaudern. Das wird sicher nicht geschehen. Ich kann Schmetterlingsblüte beschützen, versuchte sie sich zu beruhigen.
Dennoch war sie nicht hundertprozentig davon überzeugt. Was wäre, wenn…Die Schülerin zwang sich daran zu denken, was passieren würde, wenn sie nicht sofort im Heilerbau verschwinden würde und sie jemand entdeckte. Ihr Herz klopfte wie wild, ihr Puls raste. Dadurch lenkte sie sich von ihren dunklen Überlegungen ab und schob sich durch die winzige Öffnung nach drinnen.
Es war fast vollkommen dunkel, nur durch einen kleinen Spalt an der Seite der Höhle sickerte etwas silbern glänzendes Mondlicht herein. Ein Schwall schwerer, von vielen Kräutern getränkter Geruch stieg in Wüstenpfotes Nase und benebelten ein wenig ihre Sinne. Dennoch war der Duft keineswegs schlecht, er war eher vertraut und eine wohlige Wärme breitete sich in ihrem Körper aus. Der Duft ließ sie ihre Schmerzen fast schon vergessen.
Plötzlich tauchten zwei leuchtende bernsteinfarbene Augen in der Dunkelheit auf. Sie glommen wie kleine Flammen aus Gold- und Brauntönen.
„Wer ist da?“, fragte eine nur all zu bekannte Stimme.

WarriorCats - Ruf der FreiheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt