Kapitel 3

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Kaum ein Stern war am schwärzlichen Nachthimmel zu sehen. Das Arkham Asylum wirkte wie eine bedrohliche Festung aus einem Horrorfilm. Hier und da flogen ein paar kleine Fledermäuse durch das sanfte Mondlicht.

Harleen betrat das Zimmer und bemerkte die miteinander redenden Doktoren. Sie wirkten seltsam ernst, als wäre heute irgendwas anders als sonst. Etwas besorgniserregendes. Harleen begann sich unwohl zu fühlen, also spitzte sie die Ohren und lauschte den Worten der Doktoren.
  "Wir haben sogar schon die schwerste Elektroschocktherapie ausprobiert, mit Geräten aus den 50ern, wir haben den Typ behandelt als wäre das hier ein Asylum aus Horrorfilmen, er lacht nur, als sei er komplett wahnsinnig!"
  "Er ist komplett wahnsinnig, du Genie, für den Mann ist alles nur ein schlechter Witz!"
Ein Schweigen ging kurz durch den Raum.
  "Und was wir auch tun, dieser Wahnsinnige will nur mit ihr sprechen", stöhnte einer der Psychater schließlich ergeben. Verwirrt runzelte Harleen die Stirn.
  "Mit wem denn?"
Alle drehten sich zu ihr um und starrten sie überrascht an.
  "Tja, wenn man den Teufel nennt, kommt er gerennt, Mrs. Quinzel, wir haben seit gestern Abend einen neuen Patienten, doch er weigert sich mit uns zu reden. Er wiederholt immer nur: 'Holen Sie mir die blonde Praktikantin'. Wir schätzen, er meint Sie"
  "Mich? Wieso denn mich?"
  "Wissen wir nicht aber wir brauchen dringend Informationen von ihm, also würden sie bitte mitkommen? Wir müssen heute ein paar weitere Regeln brechen"
  "Doktor, der Mann ist das Schlimmste was wir je hier hatten, dass können Sie ihr nicht ernsthaft antun!"
  "Ach nein?", entgegnete er gelangweilt und zerrte Harleen mit sich.

Ein massives Tor aus Stahlgittern wurde geöffnet und Harleen betrat einen Flur um den sie sonst immer einen großen Bogen gemacht hatte. Ihr ganzer Körper zitterte bei dem Gedanken daran, wer da auf sie warten mochte. Widerstrebend tat sie einen Schritt nach dem anderen.  Sie passierten Stahltüren mit kleinen Fenstern und Harleen konnte die Leute dahinter erkennen. Der erste starrte sie einfach nur an, ausdruckslos, leer. Als wäre er innerlich längst gestorben und nur sein lebendiger Körper sei noch hier gefangen, an diesem farblosen Ort.
  "Giftmischer", erklärte der Doktor.
  Sie wand den Blick ab und ging zuerst schneller, nur um diese Idee gleich wieder zu bereuen. Der nächste Mann grinste breit, winkte wie wild und hämmerte gegen die Türe, schreiend ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkend.
  "Vergewaltiger", murmelte er weiter.
  Harleen wurde langsamer. Ihr Herz klopfte wie wild, ihr war als würde ihr gleich schlecht werden.
  Schon sah sie blutige Finger zwischen den Gittern des Fensters der nächsten Tür hervorragen. Ihr Blick fing einen Mann mit verkrusteten Wunden um den Augen.
  "Massenmörder. Er hat versucht sich die Augen auszukratzen", meinte der Doktor unbeeindruckt. Der Mann schnaubte als hätte er einen Marathonlauf hinter sich, seine Finger versuchten nach Harleen zu langen. Erschrocken wich sie noch weiter zurück, während sie seine Tür hinter sich ließen. Schließlich endete der Flur mit einer letzten Tür. Im Fenster stand niemand. Harleen bedachte der Tatsache, dass der Mann hinter dieser Türe noch schlimmer sein solle.
  "Wir haben ihn an einen Stuhl gekettet, also müssen Sie sich keinerlei Sorgen machen", meinte der Doktor und zückte einen Schlüssel. Harleen hatte trotzdem das Gefühl, dass sie gleich kraftlos zu Boden sinke, während er langsam das Schloss öffnete. Sie wünschte, sie könnten die Türe einfach zu lassen und gehen. Auf keinen Fall wollte sie ihn kennenlernen, sie wusste ja nichtmal, was sie zu tun hatte.
  Die große, schwere Türe begann sich mit einem lauten Knarzen zu öffnen. Bevor Harleen irgendwas erkennen konnte, hatte der Doktor sie schon am Kragen gepackt und in den Raum geschleudert, den Ausgang versperrt und abgeschlossen.
  Es war düster. Durch ein kleines Fenster leuchtete es herein und Harleen sah die Silhouette eines Mannes. Erschrocken wich sie zurück.
  "Guten Morgen", sprach eine leise, bedrohliche Stimme, "Sie sind genau die Richtige".
  Die Kälte dieses Raumes kroch Harleen in alle Glieder, unerträgliche Düsternis und Leere erfüllten den Raum, doch seine Stimme war um sovieles mehr präsent.
  "Bitte, nehmen Sie doch Platz"
Erst jetzt erkannte Harleen den Stuhl, der ihm gegenüber stand. Außerdem konnte sie in der Dunkelheit sehen, wie viele Ketten den Körper dieses Mannes umschlungen hielten. Es waren bestimmt hunderte.
  Langsam ließ Harleen sich nieder.
  "S-sie wollten mich sehen?", zwang sie sich zu fragen.
  "Gut geraten"
  "Wieso, was wollen Sie von mir, woher kennen Sie mich überhaupt?!"
  "Die Antwort würde dich nur unnötig verängstigen. Ich darf doch "Du" sagen, oder?" Harleen nickte nur. Seine Stimme klang so seltsam. Eine eigene Melodie, fast zirkusartig aber sehr viel düsterer. Sie wusste nicht, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte, auf eine solche Situation war sie einfach nicht vorbereitet. Er schien den Kopf geneigt zu halten, um sie besser ansehen zu können. Das Licht des Fensters leuchtete auf den Fußboden zwischen ihr und ihm.
  "Erzähl mir von dir", bat er. Harleen konnte ein Grinsen in seiner Stimme hören. Sie schluckte nervös.
  "Was wollen Sie denn von mir hören?"
  "Irgendwas, etwas dass mir mehr über dich verrät"
  "Also ich, ich treibe gerne Sport..."
  "Welchen Sport?"
  "Gymnastik"
  "Ohh". Er klang sehr interessiert. Harleen spürte es deutlich, es fühlte sich seltsam an. Zu seltsam.
  "Manchmal auch ein wenig Baseball", kicherte sie. Dann biss sie sich auf die Lippen. Warum lachte sie nur? Sein Interesse an ihr war doch eher besorgniserregend als gut. Auch wenn es lange her war, dass sich irgendwer mehr als nur einen feuchten Dreck um sie geschert hatte.
  "Was gefällt dir noch?", fragte er auf einmal. Nervös sah sie ihn an.
  "Ehm... ich mag... Bücher! Bücher sind sehr unterhaltsam".
  "Romane?"
  "JAA!" Schnell räusperte sie sich. "Ja, die sind wie ein Zufluchtsort..."
  "Oh, wovor flieht denn so ein unschuldiges Mädchen wie du?"
Harleen strich sich ein paar Strähnen hinter die Ohren.
  "Einsamkeit", wisperte sie kaum hörbar. Doch er verstand sie genau.
  "Hast du es schonmal mit Comedy versucht? Ich habe festgestellt, dass Humor der beste Weg ist, mit dem Leben klarzukommen. Du solltest es versuchen!"
  Sie kicherte vergnügt. "Das werde ich!"
  "Guuut"
Wieder bekam Harleen eine Gänsehaut.
  "Wollen Sie mir jetzt nicht etwas von Ihnen erzählen?", bat sie vorsichtig. Irgendwie musste sie ja ihren Auftrag erfüllen.
  "Tjaaa, weißt du, mein Vater hat mich ziemlich oft verprügelt.", begann er plötzlich. Verwirrt blickte Harleen auf. Damit hatte sie nicht gerechnet. "Immer wenn ich nicht spurte, BÄÄM. Ach manchmal saß ich nur da und tat gar nichts, RUMMS. Paps hatte nämlich eine Schwäche für Alkohol, weißt du?" Harleen sah schockiert in seine Richtung. Schnell griff sie nach Blatt und Papier und begann sich Notizen zu machen. Er fuhr derweil fort:
  "Ich habe eigentlich nur einmal erlebt, dass mein Vater richtig glücklich gewesen ist. Er nahm mich mit in den Zirkus, da war ich gerade sieben. Ich weiß noch, wie diese albernen Clowns herumliefen und die Hose fallen ließen!" Er prustete los.
  "Mein Alter musste so lachen, ich glaubte schon, er würde platzen! Gleich am nächsten Abend bin ich ihm entgegen gelaufen, mit seiner besten Sonntagshose um den Knöcheln 'Hallo Dad, schau doch mal!' Ich hab mich hingelegt und die Hose total zerrissen!"
Wieder begann er zu lachen und Harleen musste schließlich mit einstimmen.
  "Dann hat er mir das Nasenbein gebrochen"
Das Lachen stoppte.
  "Aber was solls, das ist die Kehrseite der Komödie, man wird immer von Leuten kritisiert, die die Pointe nicht kapiert haben. So wie mein Dad. Oder Batman"
  "Was ist denn aus Ihnen und Ihrem Vater geworden?", fragte Harleen nervös.
  "Ich hab ihn ermordet", antwortete er mit düsterer Stimme. Harleen erschrak innerlich. Wieder wurde ihr klar, dass sie es mit einem Wahnsinnigen zu tun hatte. Und das wo sie gerade noch ein eigenartiges Gefühl von Sympathie entwickelt hatte. Sie fragte sich zunehmend, wozu dieser Mann fähig war.
  "Mittlerweile ist mein Humor für die meisten Leute im wahrsten Sinne des Wortes zum totlachen. Aber weißt du was mir neuerdings am meisten Spaß macht?"
Harleen schüttelte den Kopf.
  "Batman zu ärgern" Sein clownsartiges Lachen erklang erneut und Harleen lief es eiskalt den Rücken herunter. "Ein neues Hobby von mir. Oh ich liebe es ihn im Glauben zu lassen, er hätte mich sicher hinter Schloss und Riegel, nur um ihn dann wieder vom Gegenteil zu überzeugen". Das Rasseln von Ketten erklang. "Dieses Zeug ist nichts als ein schlechter Witz. Er glaubt vermutlich er hätte alles unter Kontrolle aber dann komme ich und zerstöre diesen Glauben ohne Gnade". Harleen war mittlerweile totenblass geworden, auch wenn man das in der Düsternis nicht erkennen konnte.
  "Wer bist du", fragte sie mit bebender Stimme.
  "Oh du kennst meinen Namen mit Sicherheit. Nur kenn ich deinen noch gar nicht"
  "M-mein Name ist Harleen. Harleen Quinzel"
  "Was für ein wunderschöner Name! Nennen deine Freunde dich Harley?"
  "Ich... ich habe eigentlich keine Freunde"
  "Nun, Harley", er beugte sich vor, bis das Licht sein grünes Haar traf, sein weißes Gesicht und das breite Grinsen offenbarte, "jetzt hast du einen!"
  Harleen sprang auf und rannte zur Tür, als sie realisierte, dass ihr der Joker höchstpersönlich gegenübersaß, doch bevor sie ihre Stimme wiederfand, um zu schreien, erklang hinter ihr das Geräusch hunderter zu Boden fallender Ketten. Ihr gefror das Blut in den Adern, als der Stuhl knarzte und sie wagte nicht sich zu bewegen, als seine Schritte näher kamen. Sie schloss die Augen und begann innerlich zum ersten Mal in ihrem Leben zu beten, als seine Hände ihre Schultern berührten. Sein heißer Atem streifte ihren Nacken.
  "Du willst doch nicht jetzt schon gehen? Wir haben doch gerade erst begonnen uns kennenzulernen, meine liebe Harley Quinn!"
Plötzlich sprang die Tür auf und sämtliche Maschinengewehr zielten auf den Joker, zuweil Harleen aus dem Raum gerissen wurden. Er lachte nur schallend, als die Türe vor seiner Nase zu flog, eine Lache, die in Harleens Kopf widerhallte, während jene in Tränen ausbrach und den Flur entlang hinausfloh, aus dem Bereich der Schwerverbrecher.

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