1. Where Is My Mind?

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Verloren. So sitze ich jeden verdammten Tag im Klassenzimmer. Ich starre durch die Gegend, spiele mit meinem Schlüssel. Ich bin einfach nervös. Und warum? Ich schaue sie an. Sie sitzt eine Reihe vor mir und sieht Mr Spencer - unseren Lehrer - gelangweilt an. Ihren Kopf stützt sie dabei auf ihren Händen.

Sie schaut nach hinten, wo ich sitze. Ich schaue sofort in eine andere Richtung, aber Sekunden später wieder hin.

Fuck, sie schaut mir direkt in die Augen.

Spielerisch schlägt sie sich die Hände vor ihr Gesicht. Mal wieder ihr Zeichen dafür, dass sie sich beobachtet fühlt. Ich grinse nur und drehe mich dann nach hinten, um Emma etwas zu erzählen. Emma kenne ich seit der Grundschule und wir sind relativ gute Freunde. Sie hat braune Haare und eine Brille. Wir unterhalten uns nicht sehr oft, aber wenn was ist, kann ich immer zu ihr gehen.

Ich drehe mich wieder richtig rum, weil der alte Mr Spencer mich dazu auffordert. Er hasst mich. Und das beruht auf Gegenseitigkeit. Ich sitze allein und mache es mir auf meinem Platz bequem. Meine langen Beine platziere ich dabei auf meinen Nachbarstuhl und meinen Block auf meinen Schoß.

Sie blickt wieder lächelnd zu mir. Es muntert mich auf eine eigenartige Weise auf. Ich zucke zusammen, als es klingelt. Nichts wie weg hier, denke ich nur und stehe schnell auf, ohne dass der alte Spencer den Unterricht beendet hat.

"Elijah, setz dich gefälligst wieder hin. Ich beende den Unterricht, nicht die Schulklingel. Ist dir das jetzt mal langsam bewusst?", schreit er mich nervös an.

Ich bleibe dennoch stehen und lehne mich an die Wand, da ich jederzeit bereit bin, den Raum fluchtartig zu verlassen. "Jaja, der coole Elijah.", höre ich wie jemand aus der letzten Reihe flüstert und dabei höhnisch lacht. "So, ehm okay dann geht in die Pause, " Mr Spencer ist sichtlich überfordert mit unserer Klasse.

Ich mache als Erster die Tür auf und verschwinde so schnell es geht aus dem Schulhaus. Obwohl nur der 12. Jahrgang das Schulgelände verlassen darf, gehe ich trotzdem jede Pause in den Park, der in der Nähe unserer Schule ist. Während ich mir eine Zigarette aus meiner Lucky Strike Packung fische, sehe ich sie wieder. Sie läuft zu ihren 'tollen' Freunden. Pah, dass ich nicht lache.

Plötzlich schaut sie sich um. Ihr Blick trifft, wie eben schon, wieder meinen. Ich halte ihrem Blick stand und ziehe währenddessen langsam an meiner Kippe. Daraufhin wendet sie sich jedoch ab. Die Frage, was das zwischen uns ist, kommt mir abermals ins Gedächtnis. Aber kann da wirklich irgend etwas sein? Wir sind nicht einmal befreundet. Und Reden ist auch nicht grade unsere Stärke. Immer wenn sie mich anlächelt, denke ich über uns nach, ob diese Blicke irgend etwas aussagen.

Jedoch erinnere ich mich sofort wieder daran, was sie letzten Freitag im Gang zu mir gesagt hatte. 'Geh aus dem Weg, Matthews.' meinte sie und ging einfach an mir vorbei. Sie verwirrt mich einfach so sehr, dass ich direkt noch eine Kippe rauche. Es beruhigt mich einfach. Ich komme sowieso wieder zu spät zum Unterricht, aber das ist man von mir schon längst gewohnt. Die Lehrer sagen schon gar nichts mehr dagegen.

10 Minuten später laufe ich daher entspannt durch die Reihen und setze mich ganz nach hinten an meinen Fensterplatz. Wie erwartet sagt die Lehrerin nichts zu mir, ignoriert mich regelrecht. Deswegen setze ich meine Kopfhörer auf die Ohren und tauche in die Welt der Musik ein, die einzige Welt die mich auffängt, wenn ich drohe zu fallen.

Von meinem Platz aus ganz hinten in der Ecke, kann ich sie mir heute mal genauer anschauen. Ich kann einfach nicht anders, als sie anzuschauen. Sie hatte schon immer ihren eigenen Style. Heute trägt sie ein schwarzes Top mit einem offenen karierten Hemd. Wahrscheinlich ist das Hemd von ihrem Vater, da es ihr viel zu groß ist. Und dies kombiniert sie halt einfach mal mit einer locker fallenden Jogginghose und Boots.

Mein Blick schweift wieder hoch zu ihren Haaren, die sie heute zu einem Zopf nach hinten geflochten hat. Sie ist das genaue Gegenteil von mir. Ich bin immer sehr schlicht gekleidet. Ich trage sozusagen jeden Tag eine normale Jeans und einen Pullover mit einer Jacke drüber. Meistens habe ich meine rote Mütze auf und ziehe darüber noch meine Kapuze.

Seit der Mitte der 10. Klasse habe ich mich zunehmend verändert. Früher war ich mit jedem befreundet. Ich war lieb und nett und unschuldig. Sozusagen hab ich mich einmal komplett geändert und meinen Charakter umgedreht.

Emma war und ist es immer noch egal, deswegen ist sie die Einzige, die von der Schule noch mit mir befreundet ist. Alle Anderen haben sich von mir abgewendet. Aber das war mir zum damaligen Zeitpunkt schon ziemlich gleichgültig.

Mit dem Rauchen habe ich schließlich auch angefangen. Ich wurde nicht durch meine Freunde zum Rauchen animiert. Nein, ich wollte es. Es beruhigt mich und meine Wut, meine Wut auf alles. Meine Eltern interessiert schon lange nicht mehr was ich, wann mache. Ihnen ist es einfach egal. Außerdem bin ich sowieso nie zu Hause. Meine Zeit verbringe ich hauptsächlich im Park mit meinen Freunden, die keiner kennt außer Emma. Manche würden behaupten ich wäre abgestürzt, aber das stimmt so nicht ganz.

Was die meisten wundert ist, dass ich trotz allem besser in der Schule bin, als die meisten meines Jahrganges. Emma hat mich nie wieder auf meine Veränderung angesprochen, aber sie würde vermutlich auch keine allumfassende Antwort von mir bekommen.

Niemand würde das.

Ich schwor es mir damals, weil ich nie wieder an die schwerste Zeit meines Lebens erinnert werden wollte. Ich sehe auf die Uhr und knirsche mit den Zähnen. Es ist erst die Hälfte der Stunde vergangen.

Ich könnte kotzen!

Where Is My Mind? - Pixies

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