Ich glaube ihm. Ob das nicht ziemlich naiv ist, weiß ich nicht. Jedoch kann ich ihm nicht einfach so verzeihen. Hektisch überlege ich was ich sagen soll.
"Ich kann verstehen, wenn du erst einmal Abstand brauchst", bricht Nathan glücklicherweise das Schweigen. "Aber bitte... glaub mir." Mit diesen Worten streicht er sachte mit seiner Hand über mein Bein, steht auf und geht.
Stunden vergehen und es wird Zeit zum Abendessen. Die ganze Zeit über habe ich das Zelt nicht verlassen und Musik gehört. Als ich mich hinstellen will, wird mir schwindelig und für kurze Zeit schwarz vor Augen. Ich muss aufpassen, dass ich nicht umkippe. Nach einer kurzen Weile geht es wieder. Ich ziehe mir meine Sneaker an und mache mich auf den Weg.
Im Esssaal angekommen suche ich, nachdem ich mir mein Abendessen zusammengestellt hatte, einen Sitzplatz, welcher möglichst etwas abseits liegt. Jedoch vergeblich. Der Saal ist proppenvoll, als wären die Sitzplätze abgezählt. Plötzlich fallen mir meine 3 Zeltgenossen ins Auge. Und als befände ich mich in einem schlechten Film, ist ausgerechnet neben ihnen noch ein Platz frei. Ich habe keine andere Wahl. Zielstrebig setze ich mich in Bewegung und geselle mich dazu.
"Oh, hey Noah", begrüßt mich Nathan euphorisch. "Das ist dein erstes Abendessen hier, oder? Gestern Abend gab's ja Vodka-O statt Butterbrot." Nathan lacht künstlich, setzt aber sein freundlichstes Lächeln auf.
"Ja, das ist es", antworte ich trocken.
"Naja, erwarte jedenfalls nicht zu viel. Schmeckt meinstes scheiße." Mit diesem Spruch konnte er mir tatsächlich ein widerwilliges Lächeln entzaubern.
Plötzlich kommt Herr Koll an unseren Tisch.
"Hallo ihr vier. Ich habe gute Nachrichten für euch. Heute Nacht könnt ihr wieder im Gebäude nächtigen. Wir haben Übergangszimmer für euch einrichten lassen. Deshalb... bringt bitte nach dem Essen eure Sachen wieder rüber."
Nathan wirkt genervt: "Ach, ist das so? Steht eigentlich mittlerweile fest, wodurch das Feuer ausgelöst wurde?"
"Nein, aber ich schätze das Gutachten wird in den nächsten Tagen fertig sein." Mit diesen Worten wandte er sich von uns ab und ging. Jeder Vollidiot spürt die negative Spannung zwischen Herrn Koll und Nathan. Es ist wirklich offensichtlich, dass sie sich nicht ausstehen können. Und das beruht ganz klar auf Gegenseitigkeit.
"Das ging ja schneller als ich dachte", sagt Alec beeindruckt. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie lässt mich das Gefühl nicht los, dass Nathan die Planänderung überhaupt nicht gelegen kommt. Plötzlich stößt ein mir fremder Schüler, völlig offensichtlich mit Absicht, so gezielt gegen Nathans Stuhl, dass gefühlt sein halbes Oberteil im Essen landet.
"Uppsala. Das tut mir jetzt aber leid, Honey", entgegnet der Rempler mit einem gespielten Unterton in seiner Stimme, der eindeutig einen "Klischee-Schwulen" initiieren sollte. Während Nathan abrupt aufsteht, einen Stuhl aus dem Weg schleudert und damit die Aufmerksamkeit des kompletten Saals auf sich zieht, denke ich sofort an einen Verrat. Denn schließlich sollte niemand von unserem Verhältnis, geschweigedenn unserer sexuellen Orientierung wissen.
Nathan geht in die Vollen. Er packt sein Gegenüber äußerst unsanft am Kragen, zieht ihn nah, bis an sich heran und drückt ihn schließlich mit ganzer Kraft auf unsere Tischkante, sodass dieser entsetzt in Nathans wutentbranntes Gesicht sehen kann und die Hälfte des Tischbestecks scheppernd zu Boden fällt. Aus der Menge höre ich aufgeregtes Getuschel. Andere feuern die Beiden kräftig an. Die Situation scheint mal wieder zu eskalieren.
Warum läuft eigentlich immer alles aus dem Ruder, wenn gerade einmal alles friedlich zwischen Nathan und mir scheint?!
Nathan fängt an ihm zu drohen. Doch eine lange Standrede konnte er ihm nicht halten. Hektisch schleust sich ausgerechnet Herr Koll durch die Menge Schaulustiger und greift ein. Nathan sieht mich mit seinem typisch ernsten Blick an. Denkt er etwa, ich habe etwas damit zu tun? Schlagartig reißt sich Nathan aus Herrn Kolls Griff und kommt auf mich zu. Ich halte die Luft an und verschließe prophylaktisch die Augen. Doch was dann passiert, ändert innerhalb einer einzigen Sekunde, mein komplettes Denken über Nathan.
DU LIEST GERADE
New Boy
AdventureNoah ist bisexuell. Niemand weiß davon. Als seine Eltern ihn eines Tages auf ein Jungeninternat schicken und er dort das erste Mal auf seine Zimmergenossen stößt, wird ihm schnell klar, dass er sein Geheimnis früher oder später lüften wird. Es begin...