13. Glückliche Momente

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"Manchmal erschien sie mir völlig normal. Und dieser Nachmittag war einer der schönsten meines Lebens ..."

*****

Von nun an kam ich immer zu Zayns Wohnung, wenn ich ein wenig Zeit hatte. Amara und er verstanden sich gut, was mich erleichterte. An diesem Tag war ich schon früh gekommen, denn ich hatte heute frei. Als ich klingelte, öffnete mir Amara. Sie wirkte glücklich, dass ich kam und lächelte mich freundlich an.

"Hey, Harry", begrüßte sie mich und wir umarmten uns kurz. Dies war ebenfalls zur Gewohnheit geworden, denn wir waren beide erleichtert, wenn wir uns sahen. Erleichtert darüber, dass der jeweils andere nicht einfach verschwunden war und einen im Stich gelassen hatte.

"Wo ist Zayn?", fragte ich sie, weil es mir merkwürdig ruhig vorkam. Meistens begrüßte er mich, wenn ich zu Besuch kam, doch dieses Mal blieb der Flur hinter ihr leer.

"Draußen", war ihre Antwort, "er wollte einkaufen gehen."

Verstehend nickte ich und zog die Tür hinter mir zu, woraufhin ich meine Schuhe auszog und meine Jacke auf einen der Haken hängte.

"Und was hast du so gemacht?", fragte ich dann und folgte ihr ins Wohnzimmer. Ich ließ mich auf der Couch nieder, machte die Beine lang und lehnte mich zurück.

"Alles Mögliche", erklärte sie mit einem Achselzucken und setze sich neben mich. Ich hatte das Gefühl, dass es ihr besser ging. Sie schien nahezu entspannt zu sein und wirkte auch nicht im Mindesten so ängstlich, wie sie mir vor einigen Tagen vorgekommen war.

Behaglich seufzend ließ ich mich nun ganz hinunter rutschen und lag schließlich auf dem großen Ecksofa. Eine Zeitlang sah ich auf die Decke und auf den Sternenhimmel, den Zayn dorthin gesprüht hatte. Dann schloss ich die Augen.

"War er da?", fragte ich Amara irgendwann.

"Nein", antwortete sie und ich lächelte zufrieden. Er war nicht gekommen. Vielleicht brauchte es für sie ja einfach nur einen Ort, an dem sie sich sicher fühlte? Langsam öffnete ich meine Augen wieder und sah, dass sie näher an mich heran gerückt war, sodass wir nun unmittelbar nebeneinander waren, ich liegend, sie sitzend.

"Danke", murmelte sie, nicht zum ersten Mal in den letzten Wochen. "Ich kann dir gar nicht oft genug dafür danken. Was du für mich getan hast ... niemand vorher war auch nur annähernd so freundlich zu mir."

"Kein Problem", murmelte ich verlegen und winkte ab. "Ich helfe halt, wenn ich kann ..."

"Und gerade das unterscheidet dich von den meisten anderen."

Wir waren einen Moment im Blick des anderen gefangen und ein warmes Gefühl machte sich in mir breit.

"Wir könnten nach draußen gehen", schlug ich schließlich vor. "Wir lassen Zayn einen Zettel da und gehen irgendwo hin. Ein bisschen tanzen oder so ...", schlug ich plötzlich vor. "Oder einfach in ein Café, ganz wie du willst."

Zu meinem Erstauen nickte sie.

"Eine gute Idee", stimmte sie mir zu und ich grinste breit. Dann sprang ich auf, zog sie ebenfalls hoch und nahm meine Jacke vom Halter. Hastig kritzelte ich eine kleine Notiz für Zayn und ließ sie auf dem Küchentisch liegen, woraufhin ich in meine Schuhe schlüpfte und ihr die Tür öffnete.
"Wohin soll es gehen?", fragte ich sie dann.

Kurz überlegte sie, bis sie meinte: "Ein Café wäre nicht schlecht ..."

Munter zog ich sie mit mir, ich hatte so gute Laune wie lange nicht mehr. Sie schien ansteckend zu sein, jedenfalls lachte Amara nach einiger Zeit ebenso heiter wie ich und wir spazieren gut gelaunt durch die Straßen.

"Hat sich dein Problem mit Louis eigentlich mittlerweile gelöst?", fragte sie mich und ich verzog kurz das Gesicht. Dies war ein Thema, über das ich gerade lieber nicht nachdenken wollte.

"Wie haben in letzter Zeit nicht viel miteinander geredet", brummte ich ausweichend.

Das stimmte. Seit unserem Streit waren wir auf ständiger Distanz gewesen. Zwar verhielten wir uns beide höflich, jedoch ging es nicht über diesen Grad hinaus. Die vertrauten Gespräche und ständigen, spaßhaften Streitereien fielen aus. Wir waren ganz einfach nur anwesend, zwei Personen, die außerhalb des Jobs nicht allzu viel miteinander zu tun hatten. Das war der Punkt, der mich an dieser Situation besonders störte. Ich vermisste meinen besten Freund.

"Das tut mir leid", nuschelte sie leise und wich schuldbewusst meinem Blick aus. Sie fühlte sich dafür verantwortlich.

"Es ist nicht deine Schuld", erklärte ich ihr, doch darauf presste sie lediglich die Lippen aufeinander und sah weg.

Stumm betraten wir eines der vielen Cafés und setzen uns.

"Und, was möchtest du?", wechselte ich das Thema, da das vorige unsere Stimmung erheblich gesenkt hatte. "Ein Glas Wasser?"

Lachend zwinkerte ich ihr einmal zu, um zu zeigen, dass meine Aussage nicht ernst gemeint war.

"Es war das Billigste auf eurer Speisekarte", verteidigte sie sich, aber lachte ebenfalls. "Und es hat mir die Erlaubnis gegeben, in eurem Restaurant zu sitzen."

Um mir nicht anmerken zu lassen, wie erfreut ich über die Lösung eines weiteren kleinen Rätsels war, griff ich nach der Karte, die auf dem Tisch zwischen uns lag und sah kurz hinein.

"Lass mich auch mal sehen!", rief Amara und wollte sich die Karte schon schnappen, doch ich hielt sie so weit nach hinten, dass sie sie nicht mehr erreichen konnte. Den mürrischen alten Mann, den ich dabei streifte und der sofort zu schimpfen begann, ignorierte ich komplett. Ich war einfach nur glücklich, weil sie es war. Sie wirkte so fröhlich, teilweise sogar etwas frech, was eine Seite an ihr war, die ich vorher noch nie entdeckt hatte. Aber sie gefiel mir. Es stimmte mich fröhlich, dass wir an diesem Tag einfach zwei junge Menschen waren, die zusammen in einem Café saßen und die sich spaßhaft ärgerten. Die ganze Angst und Besorgnis, all das war für einen kurzen aber wunderbaren Moment zur Seite geschoben und vergessen.

An dem Funkeln in ihren Augen und dem breiten Grinsen im Gesicht erkannte ich, dass es ihr genauso ging.

Dies würde einer der Augenblicke sein, an die ich mich später gerne zurückerinnern würde. Es war einer der schönsten Nachmittage meines Lebens und das allein durch ihre Anwesenheit und Fröhlichkeit. Man sagt immer, dass es im Leben eine ganz bestimmte Person gibt, die dich glücklich macht und an die du dich ewig erinnern wirst. Ich muss sagen, dass daran etwas Wahres ist.

Engelsgleich || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt