22. Es hatte so enden müssen

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"Natürlich musste es so enden. Es hatte sich nur um eine Frage der Zeit gehandelt, bis es so hatte kommen müssen ..."

*****

Das Mädchen, das Louis auf der Fahrt zu seiner Wohnung abholte, hatte einen leicht asiatischen Teint. Ihre Haare fielen ihr rabenschwarz, voll und glatt bis zur Taille hinunter, während ihre dunklen, mandelförmigen Augen uns neugierig musterten.

"Das sind Harry und Amara", stellte mein Kumpel uns vor, während er seiner Freundin, ganz der Gentleman, die Autotür öffnete.

"Hallo", meinte diese und lächelte uns scheu an.

"Hi", grüßten Amara und ich gleichzeitig, während Louis sich erneut hinters Steuer setzte.

"Was soll ich kochen?", fing der Braunhaarige ein lockeres Gespräch an, während er durch die Straßen fuhr.

"Hast du Tomaten?", erwiderte ich, woraufhin er nickte.

"Käse? Schinken? Salami?"

Auch das bestätigte er.

"Lasst uns doch Pizza machen", schlug ich vor und das Auto wurde von zustimmendem Gemurmel erfüllt.

Nicht allzu lange Zeit später, standen wir zu viert in Louis' winziger Küche, die nun aus allen Nähten zu platzen schien. Yuki und er hatten sich gemeinsam an den Teig gemacht, während Amara und ich uns an der Soße probierten. Ich fühlte mich seltsam. Gerade noch war ich so voller Angst gewesen, so angespannt und hatte krampfhaft nach einer Lösung gesucht, nun jedoch stand ich in Louis' Wohnung und backte Pizza.

Mir gefiel diese Situation eindeutig mehr als die ständige Angst, allerdings konnte ich nicht aufhören zu überlegen, ob wir nicht doch etwas anderes hätten machen sollen. Die Drohung, die auf dem Zettel stand, welcher immer noch in meiner Hosentasche ruhte, war mehr als eindeutig gewesen. Sie würden morgen kommen. Und wir hätten uns vorbereiten sollen, statt mit Freunden zu backen. Aber vielleicht kam er nicht? Vielleicht schreckte es ihn ab, dass so viele Personen hier waren. Wir hatten unsere Anzahl schließlich durch Louis und Yuki verdoppelt.

Zudem hatten wir so oder so keine Ahnung, was wir machen sollten. Nicht einmal einen Ansatz! Vielleicht würde uns irgendwann ein Gedanke kommen, der ein anderes Licht auf unser ganzes Problem werfen würde. Das jedoch konnte einerseits noch lange warten, andererseits konnte er uns genauso gut hier, wie irgendwo anders einfallen.

Jedoch wurde mir bewusst, dass dies alles nicht der Grund dafür war, dass wir uns nun hier befanden. Es lag daran, dass ich meinen besten Freund einfach nicht schon wieder enttäuschen wollte. Ich hatte ihm nicht ins Gesicht sehen und seine Freude zerstören können.

"Wo habt ihr euch denn getroffen?", fragte ich diesen und Yuki im gleichen Moment neugierig und versuchte derweil in meiner Hand abzumessen, wie viel Salz wohl eine Priese sein konnte.

"Ganz zufällig", antwortete mein Kumpel und lächelte bei dem Gedanken daran glücklich. "Wir sind uns begegnet, als ich mit Phoebe und Daisy eislaufen war. Die kleinen Monster haben sie umgefahren", grinste er.

"In diesem Fall war es doch Glück", entgegnete ich, ebenfalls lächelnd.

"Und ihr beide?", fragte Yuki dann und sah auf Amara und mich.

"Oh, bei denen ist es wirklich wie in einem Märchen", erklärte Louis und ich zuckte mit den Achseln.

"Wenn in Märchen Kellner vorkommen?", gab ich zurück.

Mein Freund boxte mir spaßhaft in die Seite.

"Ach was, du weißt schon, wie ich das meine", meinte er und klopfte mir auf den Rücken.

"Und wie?", mischte sich die Schwarzhaarige ein.

"Nun ja", begann Louis, "Amara war immer in unserem Restaurant. Und der gute Harry hat niemand anderen auch nur in ihre Nähe gelassen, so vernarrt war er da schon!"

"Stimmt doch gar nicht", brummte ich verlegen, während ich merkte, dass mir mein Blut in den Kopf schoss. Die Küche wurde von Gelächter erfüllt. Doch in diesem Augenblick klingelte es und wir sahen auf.

Während Louis und Yuki lediglich überrascht zu sein schienen, sahen Amara und ich uns wachsam in die Augen.

"Wartet kurz", murmelte mein bester Freund, wischte sich seine dreckigen Hände hastig an der Schürze ab und trat dann zur Tür.

Unauffällig umfasste ich die Hand meiner Freundin und drückte diese leicht, um sie zu beruhigen.

Von draußen war die Stimme eines Mannes zu hören, dazu auch Louis' und kurzes Lachen, bevor die Tür wieder ins Schloss fiel.

"Nur der Paketdienst!", rief er durch die Wohnung und es war ein lautes Geräusch zu hören, als er das scheinbar schwere Paket irgendwo absetzte.

"Das ist bestimmt die neue Mikrowelle, oder?", vermutete Yuki.

"Glaube ich auch", gab der Braunhaarige zurück und trat erneut durch die Tür in die kleine Küche. Doch in genau diesem Moment merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Ich merkte es, weil Amara sich augenblicklich anspannte und meine Hand so fest umklammerte, wie ein Ertrinkender einen Rettungsring.

"Harry", sagte sie leise zu mir, ließ ihren Blick jedoch auf meinem Kumpel gerichtet. "Er ist es."

Verwirrt sah ich von ihr zu meinem Freund.

"Das ist Louis", erklärte ich.

"Nein", murmelte sie mit Nachdruck. "Er ist es."

"Alles in Ordnung, Amara?", fragte Besagter gerade jetzt und kam auf uns zu. Er sah besorgt aus.

"Du bist ziemlich blass ..."

Das Mädchen stolperte rückwärts und versuchte sich gleichzeitig in Richtung Tür zu bewegen. Unentschlossen legte ich ihr einen Arm um die Schulter.

"Alles in Ordnung", versuchte ich den Blauäugigen zu beruhigen.

"Wirklich?", fragte Louis noch einmal und trat einen weiteren Schritt auf uns zu. Amara wich so hastig zurück, dass sie gegen die Anrichte knallte und erschrocken aufschrie.

"Komm nicht näher!", rief sie, griff hinter sich und umfasste mit ihrer Hand ein Messer.

"Amara!", rief ich erschrocken aus und hielt ihr Handgelenk fest, bevor sie irgendetwas mit der Waffe anstellen konnte.

"Siehst du es nicht, Harry?!", rief sie verzweifelt. "Er ist es! Er ist es!"

"Nein, es ist Louis!", versuchte ich sie vergeblich zu beruhigen und nahm auch noch ihr zweites Handgelenk in meine Hände.

"Hat sie Fieber?", fragte mein Freund verwirrt und auch etwas geschockt.

Ohne weiter zu überlegen, streckte er eine Hand aus und legte diese auf ihre Stirn.

Ein Schrei gellte durch die kleine Wohnung und erschrocken fuhr er zurück, während Amara in ebenso verängstigt aus großen Augen anstarrte.

"Er ... er", keuchte sie und versuchte sich aus meinem Griff zu lösen, jedoch ließ ich dies nicht zu, sondern zog sie langsam zur Tür hinaus.

"Es ist nur Louis!", redete ich immer wieder auf sie ein. Schließlich stieß ich die Eingangstür mit dem Fuß auf und wankte hinaus.

"Tut mir leid, Lou, ich melde mich!", rief ich zurück. "Ich erkläre dir später alles!"

Und damit führte ich meine panische Freundin aus dem Haus hinaus, während ich stetig beruhigend auf sie einredete. Es konnte nicht stimmen!

Oder etwa doch?

Engelsgleich || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt