27.- Annabeth

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„Percy, Percy, wach auf Percy", stöhnend vergrub ich den Kopf in meinem Kissen und wollte weiterschlafen.

„Zeit zum Aufstehen", verkündete jemand entschlossen und im nächsten Moment war mein Kissen verschwunden. Verschlafen blinzelte ich und beobachtete wie das Bild vor meinen Augen langsam scharf wurde.

Sonnenlicht drang durch eines der Fenster herein und tanzte durch die kleine Hütte. Der Geruch des Meeres stieg mir in die Nase und ich konnte das sanfte Wellenrauschen wahrnehmen. Aber all diese Eindrücke verschwammen, als ich das Gesicht erkannt, das nur Zentimeter von meinem entfernt war.

Wilde graue Augen starrten mich an und ein wunderschönes Lächeln erwartete mich. Sie sah genauso aus wie ich sie in Erinnerung hatte: Ihre blonden Locken waren wild und ungekämmt, ihre Wangen waren leicht gerötet und das orange Camp T-Shirt schon halb verblasst.

„Da bist du ja endlich", murmelte Annabeth und richtete sich auf.

„Annabeth?", tausend Dinge schossen mir durch den Kopf, als ich aus dem Bett hastete, den Blick immer auf Annie fixiert.

„Percy", ihr Lächeln strahlte wie Abermillionen Sterne und ich konnte mich nicht länger halten. Mit zwei schnellen Schritten trat ich auf sie zu und nahm sie in die Arme, vergrub meinen Kopf in ihren Haaren, atmete ihren Geruch ein und genoss das Geräusch ihres Herzschlages.

Annabeth. Meine Annabeth.

Ihre Arme schlossen sich um meine Oberkörper und für einige Augenblicke standen wir nur so da, hielten uns gegenseitig. Es gab nichts, dass ich mir mehr wünschte, als dass dieser Moment auf ewig andauern würde. Aber das tat er nicht, solche Dinge vergingen immer viel zu schnell.

„Percy, wir haben nicht viel Zeit", seufzte Annie gegen meine Brust, löste die Umarmung aber noch nicht.

„Zeit wofür?"

„Ich muss bald zurück." Annabeth befreite sich sanft aus meinen Griff und hob den Kopf, sodass sie mir in die Augen sehen konnte.

„Nein, bitte nicht."

„Die Lebenden und die Toten", begann sie und strich mir dabei sanft über die Wange, „Gehören nicht zusammen."

„Aber du bist hier."

„Ein Traum, Algenhirn, du träumst." Sie hatte recht, natürlich hatte sie recht.

„Das ist nicht fair", wisperte ich und nahm ihr Gesicht in beide Hände, „Ohne dich... Ich bin nichts ohne dich, Annabeth."

„Sag so etwas nicht. Du bist so viel mehr als du dir je vorstellen könntest und es gibt nichts, was mich dankbarer macht als die Tatsache, dass ich mein Leben mit dir verbringen konnte. Aber ich bin tot, Percy, und du unsterblich. Unsere Zeit ist vorüber. "

„Unsere Zeit war so kurz!", beschwerte ich mich verzweifelt, „Andere haben Jahrzehnte miteinander, Annabeth..."

„Wir sind nicht andere, oder? Waren wir nie", ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und in ihren Augen glitzerten Tränen, „Wir hatten viel mehr als alle anderen, Percy. Wir waren stark und für uns reichte die kurze Zeit. Hör auf daran zu denken was hätte sein können und erinnere dich daran was war. Du musst loslassen, Algenhirn. Ohne mich weiterleben."

„Wie? Ich brauche dich, Annie, mehr als alles andere auf dieser Welt."

„Akzeptier das ich fort bin, für immer. Die Welt dreht sich auch ohne mich weiter, aber du wirst gebraucht, Percy." Annabeth nahm mich sanft an der Hand und führte mich aus der Hütte. Die Morgensonne war mit einem Schlag verschwunden und Nacht legte sich über die Umgebung. Wir waren nicht im Camp, wie ich zuerst angenommen hatte, sondern auf einen Hügel, umringt von Wiesen und Wäldern. Ein nahe gelegener See reflektierte den strahlenden Sternenhimmel und ein sanfter Wind raschelte durch das Laub.

Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich die friedliche, unberührte Umgebung mit Staunen bewundert, aber im Moment ruhten meine Augen auf Annabeth allein. Sie war hier, und nichts Anderes war wichtig.

„Sieh nach oben", Annabeths Hand immer noch in meiner, legte ich den Kopf in den Nacken. Nicht eine Wolke versperrte die Sicht auf den klaren Sternenhimmel. „Das ist wo du hingehörst, Percy. Dein Platz ist dort oben, zwischen den Sternen, nicht auf der Erde. Nicht bei mir. Lass mich los, Percy und nichts wird dich daran hindern zu gehen."

„Ich werde dich immer lieben. Das kann auch das ganze Universum nicht ändern."

„Das versucht auch niemand, Percy. Nur lass deine Gefühle nicht deine ganze Person einhüllen. Nimm alles was du je für mich empfunden hast, all die Erinnerungen, die guten und die schlechten und gib mir einen Platz in deinem Herzen, aber lass den Rest frei davon sein, erlaube dir weiter zu leben, erneut zu lieben. Du musst deinen Frieden schließen."

Ihre Worte machten Sinn, und so sehr ich mich auch dagegen wehrte, wusste ich, dass sie recht hatte. Es gab niemanden den ich jemals mehr geliebt hatte als Annabeth und auch wenn ich die Gedanken an sie so oft in die hinterste Ecke meines Bewusstseins schob, waren sie doch immer präsent.

„Es braucht Zeit, ich weiß, aber nach den ersten Schritten wird es einfach", es klang als würde sie Abschied nehmen, und als ich Annie sanft zu mir zog, begannen Tränen über ihre Wangen zu rollen. Sanft strich ich sie zur Seite und legte meine Stirn gegen ihre.

„Ich denke nicht, dass wir uns noch einmal so wiedersehen werden. Zumindest nicht für eine lange Zeit. Ich liebe dich, Percy." Ich wollte etwas erwidern, aber dann trafen ihre Lippen auf meine eigenen und jedes Wort war vergessen. Der Kuss schmeckte nach Tränen, nach Abschied und tausend Dingen die nie sein würden.

Immer Weiter (Percy Jackson u. Harry Potter)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt