Ansgar

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Ich näherte mich der Frachtstation Encelion. Dort gab es diese Art Kaschemme, die für zwei Sachen bekannt waren. Betrunkene und Randalierer. Zwei Quanten-Zustände, die sich immer in fließenden Übergängen befanden. Eine verdammte Konstante des Universums, wenn man mich fragt.

Hier hatte Ansgar Masterson das Kommando. Er war Gastronom, Hehler und Waffenschmuggler in Personalunion, mit klar definiertem Respekthorizont.

»Wäre Gott ein Söldner im Rekrutierungsbüro, müsste er sich hinter Ansgar anstellen«, hieß es immer.

Ich landete neben Sebulgos vermeintlichem Privatparkplatz, verließ mein Schiff und spazierte die Gangway hinunter. Rotunterlaufene Augen verfolgten jede meiner Bewegungen. Die Typen klebten wie im Regen aufgeweichte chinesische Nudelkartons in allen Ecken der Landezone.

Ich aktivierte die Diebstahlsicherung. Zehn drei Zoll-Rohre fuhren ratternd aus allen Ecken und Enden des  Schiffskörpers, um jedes Lebewesen im Umkreis von hundert Metern ins Visier zu nehmen. Wie die Ratten verkrochen sich die Penner, die in den Halbschatten der Stahlsäulen schon mit einer fetten Beute gerechnet hatten. Wenn die Typen wüssten, dass die eine Hälfte der Kanonen Schrott und die andern nicht geladen waren … Tarnen und täuschen, sag ich immer.

Ich trat durch die Schwingtür in die Bar. Schmieriger Tresen, Hocker mit abgewetzten Lederbezügen, Barmann mit langem blonden Vollbart. Klassisches Szenario, wie ich meine.

Ich schob meinen knochigen Hintern auf einen der Stühle und bestellte einen „Space Bourbon“. Über zwei Meter Barkeeper bewegten sich fast lautlos auf mich zu. Der Wikinger hatte spezielle Soundabsorber in den Schuhen, was ihm den Überraschungseffekt eines Anglerfisches verlieh, wenn er auftauchte.

Er beugte sich über den Tresen und sah mich finster an.

»Du? Hier? Nicht gut.« Der Duft von warmen Spaghetti mit Fleischsauce umspielte meine Nase. Ich winkte ab: »Ach komm schon. Ich bin im Urlaub.« Sogleich hellten sich die Züge des Schweden auf.

»In diesem Fall …«, seine Stimme hatte den jovialen Ton eines Onkels angenommen, der gerade die Rechnung im Puff beglichen hatte, so wie der sprichwörtliche Joey F.

»Eine Flasche?« In seinem Blick lag ein Funkeln. Ich nickte.

»Du zahlst?«, setzte er nach. Ich nickte erneut.

»In diesem Fall …« Ansgar füllte mein Glas vier Finger breit, holte unter dem Tresen einen Steinkrug hervor und versenkte darin den Rest der Flasche. Ich schüttelte den Kopf. Bei diesem Halunken konnte ich mir ein Lächeln nie verkneifen. Wir stießen an und ich fragte ihn pflichtbewusst, so wie es die Wikinger gerne hatten: »Wie geht es deinem Bruder?«

Ansgar breitete seine Arme aus, hob sie zum Himmel und rief: »Der Fenris-Wolf möge sich an seinen Eingeweiden delektieren. Hör zu. Ich erzähl dir die Saga genau so, wie sie sich vor einer Woche zugetragen hat …«, er holte tief Luft und begann zu erzählen, als würde er über das mythische Wirken Odins berichten.

»Sigur saß mit hochrotem Gesicht am Strand. Er atmete schwer. Er presste besorgt das Ventil seiner Luftmatratze zusammen. „Komm schon. Du bist noch nicht mal zwei Tage alt“, fauchte er sie an. Mit voller Konzentration blähte er seine Backen und blies erneut Luft in den Gummischlauch.

Auf dem Wasser tanzten die Sonnenstrahlen vom Westufer durch das Schilf, hingen einige Minuten über der Mitte des Sees und verschwanden hinter einer Wolke.

Missmutig wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Er zog eine Grimasse, als er mit der Zunge das Ventil verschloss und mit seinen klobigen Fingern am Verschluss herumhantierte.

Ein fernes Dröhnen ließ die Härchen auf seinen Unterarmen erzittern. Er linste mit seinem linken Auge nach oben.« Ansgar schaute an die Decke und drückte theatralisch ein Auge zu, um mir den Sachverhalt möglichst klar zu verdeutlichen. Typisch Wikinger und ihre Sagas … und ständig die Arme in Bewegung. Das Rudern tief in den Genen, diese Hunde.

Space DrinkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt