Mit geschlossenen Augen warte ich auf meinen Tod. Schon immer habe ich mich gefragt, wie es wäre zu sterben. Wird es wehtun? Spürt man etwas? Was passiert danach? Fällt man in ein schwarzes Loch? Gibt es einen Himmel? Eine Hölle? Kann ich als Geist meinen Verwandten und Geliebten noch einmal begegnen?
Ich will noch nicht sterben!
Moment... warum spüre ich nichts? Bin ich schon tot?
Vorsichtig öffne ich die Augen und schließe sie im nächsten Moment wieder so schnell, dass mir schwindelig wird.
Nein, das kann nicht wahr sein. Was ich gesehen habe... das war grauenvoll. Unrealistisch grauenvoll.
„Nicht weinen, Mädchen. Dein Tod wird noch viel grauenvoller!"
Schon wieder dieses höhnische Lachen.
Gänsehaut überzieht meinen Körper. Ich hasse dieses Gefühl. Ich will einfach nur weg. Weg hier. Ich will schreien. Brüllen. Rennen. Doch es geht nicht. Mein Körper gehorcht mir nicht. Der paralysierende Schmerz der Angst hält mich fest, und ich kann nur leise schluchzen.
Die Bilder von Jakop verfolgen mich. Warum nur er? Warum musste er sterben? Moment! Er lebt? Ich dachte, er sei tot...
„ÖFFNE DEINE AUGEN, DU DUMMES MÄDCHEN!"
Ich reagiere nicht.
„ICH SAGTE, DU SOLLST DIE AUGEN ÖFFNEN!"
Plötzlich sind meine Augen wie von selbst geöffnet. Vor mir steht der Dämon, der Melias Körper übernommen hat. Ich kann seinen Atem auf meiner Haut spüren, fast so, als würde er mich berühren.
In seiner Hand hält er das Messer, das er auf mich geworfen hatte. Langsam fährt die Klinge über mein Gesicht, dann über meine Brust. Sie bleibt dort stehen, genau über meinem Herz. Dann sticht er zu.
Ein unmenschlicher Schmerz durchzuckt meinen Körper. Ich kann nicht schreien. Will ich überhaupt schreien? Will ich überhaupt noch etwas? Ich möchte in Ohnmacht fallen, den Schmerz hinter mir lassen. Aber es geht nicht.
Der Dämon zieht das Messer aus meiner Brust und sticht schneller und brutaler zu. Ich blute, als würde mein ganzer Körper sich entleeren. Die Schmerzen sind kaum auszuhalten.
Und trotzdem bin ich noch bei Bewusstsein. Warum? Warum spüre ich noch immer alles?
Dann beginnt das Wesen zu singen. Eine schreckliche, schrille Melodie: „DUMMES MÄDCHEN! WEIß NICHT, DASS ICH GEDANKEN LESEM KANN! DUMMES MÄDCHEN, DUMMES MÄDCHEN! DA DAS MÄDCHEN GELÄHMT IST, SIEHT SIE JAKOPS TOT, JAKOPS TOT!"
Widerwillig wandern meine Augen zum Tisch, wo Jakop – das arme Kind – liegt. Erst jetzt erkenne ich den Text des Liedes und die grausige Wahrheit: Jakop ist tot. In Einzelteilen.
Der Dämon schneidet ihn auf, als sei er ein Stück Fleisch. Die Schreie von Jakop zerreißen die Stille, aber es ist nutzlos. Der Dämon schlägt ihn, öffnet seinen Brustkorb und zerreißt seine Glieder. Stück für Stück. Ein schrecklicher Anblick. Ein Kind, das vor meinen Augen stirbt. Ein unschuldiges Leben, ausgelöscht.
Ich starre auf die zerstückelten Teile von Jakop, unfähig, es zu begreifen. Es fühlt sich an, als sei alles nur ein Albtraum. Ein verdammter Albtraum, aus dem ich nicht erwachen kann.
Jakop ist tot. Ein Kind. Ein unschuldiges Leben. Und ich konnte ihm nicht helfen.
Die lähmende Angst lässt nach. Zitternd falle ich zu Boden, krieche zu den Körperteilen von Jakop und umarme sie, als wäre er noch lebendig. Ich schreie, weine, fühle mich von Wut und Verzweiflung zerfressen.
Ich werde diesen Dämon vernichten. Ich werde ihm zeigen, dass er nicht gewinnen kann.
Mit zittrigen Händen nehme ich das Messer aus Melias Hand und versuche, es in den Körper meiner Freundin zu rammen. Ich will, dass der Dämon aus ihr herauskommt, koste es, was es wolle. Wegen ihm ist Jakop tot.
„LILY! Was machst du da? Du machst mir Angst! Geh weg von mir!"
„Melia?" Nur ein Flüstern kommt über meine Lippen, bevor mir schwarz vor Augen wird. Und dann verliere ich endgültig mein Bewusstsein.
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Das Ritual
HorrorVorsicht! Dieser Text könnte alles verändern, was du bisher über Rituale und deren Konsequenzen geglaubt hast. Du hast es so gewollt... Es gibt ein Ritual - ein gefährliches Ritual, das das Leben kosten kann. Glaube nicht, was du hörst? Nun, es ist...