Verwirrt blicke ich mich in der Wohnung um. Wo ist Lily? Sie war doch hier, sie wollte mir etwas zeigen. Wo ist sie nur? Warum ist überall Blut? Warum?
„Lily? Lily, wo bist du? Komm raus, bitte, es ist nicht mehr witzig, Lily."
Kein Geräusch. Kein Laut. Verdammt, warum antwortet sie nicht? Warum bekomme ich keine Antwort? Ich schleich mich vorsichtig durch die Wohnung, jedes Geräusch verstärkt meine Angst. Und dann sehe ich es.
Ein Körperteil.
Aber es ist nicht das, was einen normal erschrecken würde. Es ist die Haut. Nur die Haut. Entsetzt gehe ich näher, und der Anblick lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Diese Haut ist an der Wand aufgehängt, und daneben steht in großen, blutigen Buchstaben geschrieben:
„EIN FEHLER!
MELIA, NUN BIST DU DRAN! ICH KOMME UND HOLE DICH!
-MAMA"Was bedeutet das? Was ist ein Fehler? Warum bin ich jetzt dran? Wer ist „Mama"? Das ist sicher wieder ein Streich von Lily, oder?
„Lily, komm jetzt raus, man. Ich kaufe dir diesen Prank nicht ab! Du hattest schon bessere. Lily!"
Ich erwarte, dass sie gleich um die Ecke springt, sich lachend den Bauch hält. Doch nichts passiert. Kein Lily. Keine Reaktion. Nur das unheimliche Tropfen des Blutes von der Haut, das durch die Stille hallt.
Ich gehe weiter, mein Herz schlägt immer schneller. Meine Beine fühlen sich schwer an, aber ich zwinge mich weiter. Endlich erreiche ich mein Zimmer. Normalerweise versteckt sie sich hier – unter meinem Bett, in meinem Schrank, um mich dann von dort zu erschrecken.
„Lily, ich komme! Dein Versteck nützt dir nichts."
Vorsichtig öffne ich den Schrank. Nichts. Keine Lily. Keine Kleidung. Nur eine Kiste. Das ist... das ist komisch.
„LILY, KOMM SOFORT RAUS! DIE SACHE IST NICHT MEHR WITZIG! LILY!"
Ich öffne das Bettgestell. Auch dort nichts. Keine Spuren. Kein Lily. Verzweiflung und Panik breiten sich in mir aus. Ich renne zur Küche, mein Kopf schwirrt vor Gedanken. Irgendetwas brennt hier. Irgendetwas ist nicht richtig.
Es ist schon seltsam genug, dass überall in kleinen Mengen Blut verschmiert ist – man könnte denken, es ist nur Ketchup, Lebensmittelfarbe, oder gar Farbe. Aber als ich in der Küche ankomme, sehe ich, dass der Herd brennt. Auf ihm steht ein Topf, dessen Deckel bereits wackelt.
Neugierig, aber gleichzeitig überkommen von einem unbehaglichen Gefühl, öffne ich den Deckel.
„AAAH!"
Ich weiche zurück, mein Herz bleibt für einen Moment stehen. Kann das wirklich sein? Das Bild vor meinen Augen lässt mir das Blut gefrieren. Es ist der Kopf. Ein Kopf. Im Topf, gekocht. Aufgeheizt.
Ich schließe den Herddeckel wieder mit einem Ruck und schaue erschrocken und panisch auf den Zettel neben dem Topf. Vielleicht ist er von Lily. Hoffentlich.
Zitternd nehme ich den Zettel. Ich erkenne die Handschrift und beginne zu lesen.
„Hallo Melia,
Ich bin es, Engelskind.
Wenn du dies liest, ist Lily weg. Wo sie ist, sagt mir Anonymous nicht. Dieser hatte wirklich Spaß mit deinem Körper.
Wie dem auch sei, Melia, kommen wir zu den Fakten: Du hast Jakop ermordet. Du hast seine Teile zerstückelt und im Raum verteilt. Seine Haut hast du ihm abgezogen. Das Beste kommt jetzt. Du hast das alles getan, während der arme Junge geschrien hat. Das arme Ding.
Hast du die Kiste gesehen? Natürlich hast du sie gesehen, sie liegt in deinem Schrank, ganz einsam und allein.
Nun öffne sie, bevor ich dich schnapp'!
Es ist mir eine Freude, dich kennengelernt zu haben.
P.S. Du bist die Nächste."Was ist das? Was bedeutet das? Engelskind? Anonymous? Was zum Teufel redet der? Ich habe niemanden ermordet!
„Lily! Du gehst eindeutig zu weit. HAST DU GEHÖRT? DIESER SPASS GEHT ZU WEIT! KOMM VERDAMMT NOCHMAL RAUS AUS DEINEM VERSTECK!"
Verzweifelt blicke ich mich in der Küche um, die mir immer fremder wird. Überall sehe ich Körperteile. Wie habe ich das übersehen? Wie konnte ich so etwas ignorieren? Was ist hier nur los?
Jeder normale Mensch würde jetzt die Polizei rufen, aber ich kann nicht. Ich kann nicht. Irgendetwas hält mich zurück. Etwas tief in mir sagt mir, dass ich das nicht kann.
Noch nie habe ich so sehr gehofft, dass dies nur ein dummer Streich von Lily ist. Noch nie habe ich so sehr Angst gehabt.
Ich spüre, wie mir das Wasser in die Augen steigt. Ich will meine Freundin wiedersehen. Ich würde sie umarmen, auch wenn ich so etwas nie tue. Ich würde ihre Wangen küssen. Ich würde sie nie wieder loslassen.
In einem verzweifelten Moment kauer' ich mich zusammen, den Kopf in die Knie vergraben. Mir ist es egal, wie ich aussehe, ob ich wie ein kleines, weinerliches Kind wirke. Es ist mir egal.
„Ah, Melia, bist du ein Feigling? Ich hätte nicht gedacht, dass man dich so leicht erschrecken kann. Du Angsthase!"
Das Lachen hallt durch die Wohnung, wunderschön und verstörend zugleich.
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Das Ritual
HorrorVorsicht! Dieser Text könnte alles verändern, was du bisher über Rituale und deren Konsequenzen geglaubt hast. Du hast es so gewollt... Es gibt ein Ritual - ein gefährliches Ritual, das das Leben kosten kann. Glaube nicht, was du hörst? Nun, es ist...