Kapitel 4

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Warme Sonnenstrahlen blendeten mich durch das Fenster hindurch und erweckten Glücksgefühlen in meinem inneren. Ein leichtes schmunzeln schlich sich auf meine Lippen, ließ meine Augen jedoch geschlossen, um diesen sorglosen Moment in vollsten Zügen zu genießen. Als könnte ich der Realität noch einen Augenblick entkommen und die Geschehnisse der letzten Nacht aus meinem Gedächtnis verbannen.

Schwerfällig öffnete ich allmählich meine Augen und nahm meine Umgebung wahr. Doch es stand alles noch genauso wie es vorher auch war. Selbst der Stuhl, welches an dem Tisch an der Wand, neben dem Fenster stand, wurde die letzten Tage nicht ein einziges Mal von der Stelle gerückt.

Auch das Bett stand leer und unberührt da, das eigentlich für andere Patienten gedacht war. Die Wände noch immer genauso tadellos weiß, wie immer. Als würden sie jede Nacht neu streichen, bevor die Patienten ihre Augen am Morgen öffneten, um den Tag zu begrüßen.

‚Bin ich denn die einzige auf dieser Welt, die verletzt ist und aufgerappelt werden muss? Kann ich denn nicht mal ein wenig Gesellschaft bekommen?'

Diese Stille die mich jeden Tag zum größten Teil begleitete, erschöpfte mich. Es fraß mich auf und erweckte in mir den Wunsch hier auszubrechen. Andererseits, würde eine nette Gesellschaft mich von meinen Wünschen abbringen. Alles was ich wollte war es, nicht mehr alleine mit meinen Gedanken zu sein. Sie waren zu laut in meinem Kopf. Alle Fragen wollten eine Antwort, doch ich konnte keine von ihnen zufrieden stellen.

Ich starrte die Decke an und fing unbewusst an mir vorzustellen, wie er denn aussehen könnte. Ich malte sein Gesicht, in meiner Vorstellung, an die kahle, weiße Decke. Wohlige Wärme überkam mich alleine wenn ich daran dachte, wie wunderschön es sich angefühlt hatte, als er seine Arme um mich geschlungen hatte. Das Gefühl seine Hände, konnte ich noch immer an meinen spüren. Als hätte er sie die ganze Nacht gehalten. Unsere Körper hatten sich miteinander verbunden gefühlt, hatten in kürzester Zeit so viel miteinander ausgetauscht. Sein Atem fegte noch immer sanft über meinen Hals. Ich wollte doch bloß wieder von ihm gehalten werden, mit ihm von hier verschwinden. Alles über ihn wissen. Mich selbst vergessen, um noch mehr Platz in mir, für ihn, zu schaffen.

Ich konzentrierte mich auf den Klang seiner tiefen sowie rauen Stimme und versuchte die Gefühle, die letzte Nacht wie wild durch meinen Körper jagten, wieder aufzurufen.

Mein Herz zog sich jedoch so stark zusammen, dass es mir schon weh tat. Er hatte mich in wenigen Minuten nicht nur gelehrt, wie wundervoll die Nähe eines Menschen sein kann, dass man mehr danach verlangte. Genauso sehr hatte er mich innerhalb dieser gemeinsamen Minuten gelehrt, wie schmerzvoll die Nähe sein konnte. So viel Schmerz aber auch Freude trafen zusammen, kollidierten und explodierten in meinem Herzen, binnen kürzester Zeit.

‚Wie könntest du aussehen? Wie könnte jemand aussehen, der solch eine Stimme Besitzt? Eine Stimme, die mich sicherer auf dieser Welt fühlen lässt als tausend dicke hintereinander folgende Mauern aus Stahl.

Eine Stimme, der ich bis ans ende dieser Welt folgen würde da ich sie nicht missen möchte. Eine Stimme, die mehr Ruhe ausstrahlt, als das Universum.

Kann es so etwas überhaupt geben? Existiert es wirklich oder bilde ich mir all diese Dinge bloß ein? War das ganze bloß ein Traum? Werde ich endgültig verrückt?'

Doch diese Gedanken konnten nicht von irgendwoher kommen. Es sind schließlich die Gefühle, die sie in mir ausgelöst hatten, also musste da etwas dran sein.

Mir über ihn Gedanken zu machen raubte mir doch mehr Energie als ich jemals geahnt hätte. Also legte ich sie zunächst in eine sichere Ecke in meinem Herzen ab, um sie heraus zu kramen, wann immer ich Sehnsucht nach ihm und seiner Stimme hatte und hoffte, dass ich sie solange nicht ein einziges Mal vergaß, bis ich ihn erneut treffen konnte und mit ihm reden konnte, ihm zuhören konnte, während ich in seine Augen schauen und ihre Schönheit Stück für Stück ebenfalls in meinem Gedächtnis einbrennen konnte. Mit all ihren Macken und Vorzügen. Jedes seiner Bewegungen wollte ich erleben. Seine Gestik und jede seiner Mimik in meine Seele brennen bis ins kleinste Detail.

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