Kapitel 8

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Heather und ich liefen bereits eine Weile durch die dunklen Straßen. Meine Hand steckte noch immer in ihrer. Es war leer und leise. Lediglich die Laternen am Straßenrand spendeten ein wenig Licht und versuchten vielleicht auch ein wenig Trost zu bieten. Wir irrten ziellos durch zwielichtige Gassen. Nichts schien uns Trost spenden zu können. Beide stumm, mit sich selbst beschäftigt aber dennoch körperlich für den anderen anwesend. Doch wie weit wir uns gedanklich voneinander entfernten, je tiefer wir in unseren Gedanken verloren gingen, konnte ich nicht sagen. Nahm meine Umgebung bloß nebenbei wahr, ohne sie genauer unter die Lupe nehmen zu wollen.

In meinen Gedanken herrschte krieg. Immer wieder spielten sich die Geschehnisse vor wenigen Stunden in meinem Kopf ab, wie in einem Kino auf einer Leinwand, auf dem bunte Bilder projiziert wurden.
Stumm spielten sich die Bilder vor meinem inneren Auge ab. Doch der Ton kam nicht bei mir an. Ich sah wie sich ihre Lippen unter dem schwarzen Tuch bewegten, an der einer ihrer dunklen, fast schwarzen,  Haarsträhnen fest hing, aber ihre Stimme kam nicht bei mir an. Aber dafür die Stimme in meinem Kopf die ihre Wörter wie auf Wiederholschleife wiederholte.
Die Erinnerung an diese stechend eiskalten Augen raubten mir jedesmal die Luft und ließen mich erschaudern, dass sich meine Nacken Haare sträubten. Genauso kalt wie sie selber auch war.

Wer war diese Frau? Was hatten sie und ihre Leute mit meiner Familie oder mit mir zu tun? Was hatte mein Vater vor ihnen versteckt, dass er mit seinem Leben dafür zahlen musste?

Der Drang in mir stieg stetig, mehr über mich und meine Vergangenheit zu erfahren, obwohl dieser Drang in letzter Zeit in Vergessenheit geraten war, war er diesmal umso stärker und fraß mich innerlich auf. Alles in mir arbeitete auf Hochtouren, um etwas brauchbares aufzugreifen, dass mich weiterbringen konnte, doch wurde ich bloß von stechenden schmerzen in meinem Schädel belohnt, die bis in den Nacken zogen.
Ich ließ den Kopf einmal kreisen um mich zu lockern und stieß die Luft in meinen Lungen kräftig und laut aus, da es mich frustrierte keine brauchbaren Erinnerungen aufrufen zu können. Es war noch alles wie gelöscht. Unwiderruflich gelöscht.

Meine Existenz glich dem eines Babys. Es lebte doch es hatte rein gar keine Erinnerung an die einzelnen erlebten Dinge, die es im Laufe dessen Zeit erlebt hatte. Dinge die es gesehen, gehört, gefühlt und empfunden hatte, sind wie feiner Staub verflogen. Irgendwo in der Welt verteilt, wo sie immer wieder durch aufkommende Windstöße weiter von einem, vor allem voneinander weg getrieben und zerstreut wurden, um das zusammenführen unmöglich zu machen. Verloren für die Ewigkeit. Doch das wollte ich nicht zulassen. Ich war kein Baby. Ich war erwachsen. Ich hatte die Kapazitäten an mir zu arbeiten und verlorenes erneut aufblühen zu lassen wie eine nach Wasser lechzende vertrocknete Rose, die durch einen Schluck Wasser erneut aufblühen und strahlen konnte wie zuvor. Mit ein wenig Arbeit, Mühe und Verständnis für mich selber, da war ich mir ziemlich sicher und auch fest davon überzeugt, wäre ich sicherlich in der Lage, wieder mein altes ich zu werden.

Ich wurde in die Realität zurück befördert, als Heathers Schritte sich verlangsamten und sie schließlich komplett zum Stillstand kam.
Fragend sah ich sie an. Mein Blick glitt über ihr  Gesicht und ihre Züge. Sie sah müde aus und älter. Als wäre sie in den letzten Stunden um einige Jahre gealtert. Wenn die Geschehnisse sie so sehr beeinflusst hatten, wollte ich nicht mal wissen, wie ich aussehen musste.

Sie sah sich um, bevor sie auf eine Parkbank zusteuerte, welche verlassen und abseits stand, stellte die Tasche auf den Boden ab und setzte sich erschöpft hin. Sie streckte ihre Beine von sich und blickte in den Himmel, welcher übersät von Sternen war. Alles schien so friedlich, auch wenn es eher Schein war als sein. Denn die Erlebnisse in unserem Krankenzimmer hatte uns beide mitgenommen.

„Was sollen wir jetzt tun? Wo sollen wir hin?", fragte sie desorientiert.

„Wir könnten zur Polizei und ihnen alles erzählen? Wir wären dort sicherer aufgehoben als hier zu sitzen und nichts zu tun.", gab ich angespannt zurück und sah mich unauffällig in der düsteren Gegend um.

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