Game Over

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Game Over


Unsere Schritte hallten einsam durch die verlassenen Flure des Radley Sanatorium, die mit getrockneten Blättern gesäumt waren. Mein Herz schlug von Sekunde zu Sekunde schneller, je näher wir dem Dach des Gebäudes kamen. In dieser Nacht war so unendlich viel passiert, dass sich alles um hundertachtzig Grad gewandelt hatte. Plötzlich hatten wir das Gesicht zu dem Monster, dass uns solange terrorisiert hatte und noch viel mehr wir hatten einen richtigen Namen, eine Identität. Doch nichts war mehr so, wie noch vor wenigen Stunden, als wir auf dem Abschlussball getanzt und in der Scheune Fotos beurteilt hatten. Völlig außer Atem erreichten Alison, Emily, Aria, Hanna, Spencer und ich nacheinander das verwaiste Dach. ,,Bitte tue das nicht" schrie Alison verzweifelt, als sie mit geweiteten Augen -A erblickte. Die Person im schwarzen Kapuzenpulli stand auf der Betonbrüstung bereit jederzeit dem Ganzen ein Ende zusetzen. Von der Straße unten heulten die Sirenen der Polizeiautos auf, gefolgt von quietschenden Reifen. ,,Ich verspreche dir, ich werde dir helfen." Nur mühevoll konnten wir Alison davon abhalten nach vorne zur Brüstung zu stürzen. ,,Nur weil wir jetzt wissen, wer du bist, muss es doch nicht so enden" fuhr Spencer eindringlich fort. Der kalte Wind, der übers Dach wirbelte, streifte meine nackte Haut. ,,Tue deiner Schwester das nicht an" flehte Emily panisch. ,,Du wolltest dein ganzes Leben zurück zu deiner Familie" setzte ich nachdrücklich an. ,,Es ist nicht zu spät" erklärte Aria bebend. ,,Du hast uns unsagbar viel angetan" sagte Hanna beschwert. ,,Aber jetzt kennen wir deine Geschichte, wir verstehen dich." Ungerührt breitete -A die Arme aus und lehnte sich weiter zum Rand des Daches vor. Geschockt bewegten sich unsere Körper nach vorne. ,,Nein!"


Früher am selben Abend

Ungeduldig warteten Aria, Emily, Spencer und ich auf eine Reaktion von Hanna, die angespannt ihr Handy ans Ohr hielt. Die Musik aus den Boxen schwappte in unregelmäßigen Abständen durch die Äste des Märchenwaldes zu uns. ,,Geht keiner ran" erklärte Hanna entnervt und legte auf. ,,Okay, versuche es weiter" wies ich sie ernst an. Wie ihr geheißen, begann Han erneut die Nummer von Alisons Vater zu wählen. ,,Ist niemand da" sagte sie wehmütig. ,,Vielleicht ist Ali auf dem Dach" warf Emily aufgewühlt ein. ,,Habt ihr da schon nachgesehen?" ,,Leute, wir haben Toby versprochen, dass wir hier bleiben, bis er uns abholt" erwiderte Spencer besonnen, mit verschränkten Armen vor der Brust. Mit raschelnden Schritten kam Sara den verwinkelten Gang entlang auf uns zu. ,,Die Jungs reden mit Clark und Tanner" sagte sie zurückhaltend. ,,Sie hat eine Menge Fragen, an uns alle." Emily atmete schwer aus. ,,Und wie lange sollen wir hier warten? Wir müssten längst weiter nach ihr suchen." ,,Em, wir müssen darauf vertrauen, dass Charles Alison nichts tut. Sie ist seine Schwester" versuchte Aria sie zu besänftigen. ,,Charles ist mit einem Auto in mein Haus gefahren, Aria. Er hätte Belle bei ihrem Autounfall fast getötet" entgegnete Emily schroff. Bei der Erinnerung an den Unfall breitete sich Gänsehaut auf meinen Armen aus. ,,Er würde jeden verletzen, der ihn aufhalten will." Das Klirren von Glassplittern und schwere Schritte zogen meine Aufmerksamkeit auf sich. Alarmiert schaute ich durch mein Spiegelbild hinter mich und erkannte gerade noch einen roten Mantel, der im Märchenwald verschwand. ,,Leute" meinte ich nervös. ,,Wir sind hier nicht allein." Mit fragenden Gesichtern schauten mich die fünf an. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, deutete ich auf die Weggabelung und setzte mich mit Hanna und Aria im Schlepptau in Bewegung, während Spencer, Emily und Sara den anderen Weg nahmen. ,,Sicher das du jemanden gesehen hast" hakte Spencer nach, als wir in der Mitte des Weges wieder aufeinander trafen, ohne auf einen roten Mantel gestoßen zu sein. ,,Ja, absolut" entgegnete ich entschieden. ,,Belle, es gibt keinen Weg zurück" warf Hanna zweifelnd ein.


Aus dem Nichts ertönte plötzlich ein mechanisches Klicken, was uns allesamt herumfahren ließ. Hinter uns schob sich eine Wand auf und die Äste lichteten sich. Unsere Gesichter spiegelten einen furchtsamen Ausdruck wieder. Emily überwand ihren Schock als erste, setzte sich entschlossen in Bewegung und folgte dem hellen Licht, dass durch die offene Wand auf den Weg fiel. Nach einem kurzen Zögern folgten wir anderen ihr. Umsichtig ließen wir unsere Augen durch den verlassenen Flur wandern, der hinter dem Saal verlief, in dem der Ball noch im vollen Gang war. Ein Schatten zeichnete sich auf der Wand auf der anderen Seite ab, gefolgt von einer vermummten Gestalt, die in einen langen roten Umhang gehüllt war, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, welches mit einer Maske bedeckt war. Unsere Augen weiteten sich bei diesem Anblick panisch. Reflexartig griffen wir nach den Händen unseres Nächsten und rückten enger zusammen. Die in rot gehüllte Gestalt zog mit einer leichtfertigen Handbewegung die Maske von ihrem Gesicht. ,,Oh Gott, Mona" rief ich fassungslos, während wir allesamt aufatmeten. ,,Du hast uns zu Tode erschreckt." ,,Ich war Alison auf den Fersen und habe sie verloren, dank eurer Attacke auf den Cop" erklärte sie unberührt, mit versteinerter Miene. ,,Du wusstest, dass Clark ein Cop ist" fragte Aria verblüfft. ,,Du dachtest wohl, dass er auf dich steht, aber diese Beule in seiner Hose kam mir immer verdächtig vor" antwortete Mona und legte den Kopf schief. Ein elektronisches Piepen unterbrach unser Gespräch augenblicklich. ,,Was ist das" fragte Spencer neugierig, als Mona ein Tablet zur Hand nahm und aufgeregt darauf zu tippen begann. ,,Ich fange Alisons Daten ab, seit sie zurück in der Stadt ist" erwiderte Mona nebensächlich. ,,Seit gestern bekommt sie Nachrichten von Charles." Wir fünf tauschten einen entsetzten Blick, ehe wir uns wieder Mona zuwandten. ,,Ich konnte nicht sehen, von wo sie geschickt wurden und habe versucht die Signalquelle zu entschlüsseln und ..." Monas Stimme versagte abrupt. ,,Was ist das" wiederholte Spencer ihre Frage und trat hinter Mona, um über ihre Schulter zusehen. ,,Mona" rief Hanna aufgebracht, als diese nicht antwortete. ,,Es hat eine Weile gedauert, aber ..." ,,Jetzt beende doch endlich den Satz" platzte es ungehalten aus Emily. ,,Bitte!" ,,Was ist das" fragte Spence nun ungeduldig zum dritten Mal. ,,Charles hat sein eigenes Funknetzwerk" stellte Mona erstaunt fest. ,,Und die Server befinden sich in..." ,,Der Carissimi Group" endete Spencer für sie. Ihre Augen glühten dabei. ,,Ich wusste es" murmelte Hanna erregt. ,,Rhys ist Charles." ,,Emily, wo willst du hin" fragte Aria verwirrt, da Em sich gerade wortlos dem Notausgang zugewandt hatte. ,,Ich werde Ali holen" erklärte sie eisern. ,,Ich ruf Tanner an" warf Sara ängstlich ein. Ich hatte bei all dem Trubel fast vergessen, dass sie überhaupt da war. ,,Gut, aber ich warte nicht hier, um auf ihre Fragen zu antworten" pflichtete ich Emily bei und folgte ihr aus dem Notausgang. ,,Gehen wir" forderte Mona die Anderen auf, ehe auch sie zielstrebig hinter uns her eilten.

Never trust a pretty girl with an ugly secret → 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt