Prolog
Gandhi hat mal gesagt, ich kann dich nicht verletzten, ohne mich zu verletzten. Ich glaubte stets zu wissen, was es bedeutet. Doch das tat ich nicht. Erst an jenem Tag. Ich glaubte mein Leben zurück zu bekommen, stattdessen warf es mich um Monate zurück. Es zerriss mir das Herz, das ich scheinbar nichts tun konnte, außer zu erzählen und zu warten. Ich glaubte, dass es nie vorbeigehen würde. Aber das tat es. Ob es ein Segen oder ein Fluch war, kann ich nicht sagen. Nur das es weh tat, wie nichts zuvor.
Tränen rannen über meine Wangen, ohne dass ich sie aufhalten konnte. Ich wollte es auch nicht. Mein Herz pochte wild. Eigentlich hätte mir das Sorge bereiten müssen, da ich nach wie vor Probleme mit der Einstellung meiner Medikamente hatte, aber auch das war mir gleich. Ich war unfassbar glücklich. Mein Bruder stand vor mir und ich hielt ihn im Arm. Er war am Leben. Er war bei mir. Zuhause, wo er hingehörte.
Ich lehnte mich ein Stück von ihm weg und sah ihn an. Verwirrung lag auf seinen Zügen. Erst da bemerkte ich, dass er mich nicht umarmt hatte. Nicht wirklich. Er hatte bloß einen Arm um mich gelegt, so wie praktisch Fremde es tun würden.
„Leo? Was ist los?", fragte ich, während bereits ein Verdacht in mir reifte.
Das war nicht der Blick, den ich von ihm gewohnt war. Er war nicht voller Liebe und Zuneigung. Er sah mich an, als wäre ich eine Fremde für ihn.
„Oh mein Gott", flüsterte ich, als ich die blasse Narbe an der linken Seite seines Kopfes entdeckte.
Er sah mich nicht nur an als wäre ich eine Fremde für ihn. Ich war eine Fremde für ihn.
„Es tut mir Leid. Kennen wir uns?", waren seine ersten, unsicheren Worte seit Monaten an mich.
Die ersten Worte, seit er damals zur Tür raus und zu seinem Einsatz gegangen war. Der Klang seiner Stimme war so vertraut und fremd zu gleich, dass es mich erschaudern ließ. Doch die Bedeutung seiner Worte, zog mir den Boden unter den Füßen weg. Leo erkannte mich nicht mehr. Er wusste nicht mehr wer ich war.
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My Brothers Keeper (TNM-#2)
RomanceIch erinnere mich nicht mehr an viel von damals, nur noch an das Gefühl, als sie mich zum ersten Mal in den Arm nahm, nach meiner Rückkehr. Es fühlte sich gut und richtig an. Vertraut. Warm. Ihr Gesicht war mit Tränen übersäht, doch etwas sagte mir...