Tag 3

727 41 4
                                    


Am dritten Tag flackerte das Licht.
Auf dem ganzen Schiff verfiel die Beleuchtung immer wieder in Wackelkontakt, zuckte minutenlang wie ein Blitzgewitter, ehe sie mit halber Intensität wieder ansprang. Stellenweise war das Flackern dauerhaft und dabei von so hoher Frequenz, dass das Auge es kaum verfolgen konnte, das überreizte Hirn jedoch mit Migräneattacken darauf reagierte. Es war, als wäre es dem System nicht mehr möglich, die nächtliche Notbeleuchtung voll gegen das künstliche Tageslicht auszutauschen. Unter Flimmern und Klicken saß die Steuermannschaft auf der Brücke vor den Geräten und kämpfte gegen wachsende Nervosität und Unwohlsein an. Bereits in den frühen Morgenstunden ereignete sich ein erster epileptischer Anfall, der den Austausch eines Crewmitglieds nötig machte.

Weit von einem epileptischen Anfall entfernt, aber dennoch alles andere als heiter gestimmt war an diesem Morgen Tony Stark, als er vor dem kleinen Spiegel in seinem Quartier stand – der im Übrigen kaum groß genug war, um die eigene Nase darin näher zu betrachten – und pünktlich während der Rasur von einem Beleuchtungsausfall überrascht wurde, was ihn zwang, die Morgentoilette zu unterbrechen.
Nur mit einem Feinripp-Unterhemd und Boxershorts und mit dem Gesicht voller Rasierschaum trat er schicksalsergeben vor die Tür und klopfte an die seines Nachbarn.
»Bruce?«, rief er ungeduldig. »He, haben Sie Licht?«
»Kommen Sie rein«, lautete die knappe Antwort von drinnen.
Stark tat wie geheißen und fand Banner zerzaust und müde auf seinem Bett sitzend vor. Der Wissenschaftler schenkte ihm ein mühsames Lächeln. »Lassen Sie sich Zeit. Ich war schon im Bad.«
Stark musterte ihn skeptisch. »Na, munter wie 'n Springmäuschen sehen Sie ja nicht aus. Wo waren Sie gestern Abend?«
»Ich hab geschlafen«, antwortete Banner spröde. »Den ganzen restlichen Tag. Ich weiß auch nicht, was los war. Irgendwas ...« Er hielt inne, befeuchtete sich die Lippen und fuhr mit leiserer Stimme fort: »... Irgendwas stimmt auf diesem Flugzeug nicht, Tony.«
»Das sagen Sie jemandem, der's längst bemerkt hat.« Achtsam ließ Stark vor Banners Spiegel den Klingenaufsatz über seine Wange gleiten. Pepper hasste es, wenn er nicht ordentlich rasiert war. Wie vermutlich die meisten Frauen. Durch die offene Tür des winzigen Badezimmers unterbreitete er dem Kollegen seine Theorie: »Die ganze Atmosphäre in diesem fliegenden Bunker wird übler, seit wir Loki an Bord haben. Und obwohl wir glauben, dass wir uns von seinem Einfluss abgeschottet haben, wird's kein bisschen besser.« Er reckte das Kinn, um auch seinen Hals von Stoppeln zu befreien.
»Sie meinen, er ist es immer noch«, murmelte Banner.
»Jap. Das meine ich. Sie sind der Physiker, Bruce, was sagen Sie dazu? Wir alle fühlen uns mies, wir ... sind unfreundlich zu einander, wenn's nicht nötig ist ...«
»Tony, meistens sind Sie unfreundlich, wenn es nicht nötig ist«, unterbrach Banner ihn von draußen.
Starks Hand mit dem Rasierer stoppte auf halbem Weg.
»Was ich meine«, fuhr Banner wesentlich sanfter fort, »ist, dass die anderen es hin und wieder nicht leicht haben, Ihre Sympathie zu gewinnen. Besonders Rogers lassen Sie ganz gerne mal abblitzen. Ist es nicht so?«
»Finden Sie?« Stark dachte darüber nach. Er hatte sich doch bisher wirklich gut benommen, oder nicht? Seine Abneigung gegen S.H.I.E.L.D., blinden Gehorsam und Experimente an Personen hatte er nicht mehr heraushängen lassen als es nötig gewesen war, um nicht durchzudrehen. Der Rest war einfach ... er. So war er. Ging nicht anders. Deal with it. »Ich geb mein Bestes«, sagte er ehrlich. »Kuscheliger wird's nicht.«
»Das dachte ich mir schon.« Stark hörte, wie der andere aufstand. Damit gab er wohl einer wachsenden inneren Ruhelosigkeit nach. »Wollen Sie wirklich hören, was ich denke?«
»Klar.«
»Das Gerät, mit dem wir Lokis Einfluss messen können, wurde noch nicht erfunden.«
Blinzelnd starrte Stark in sein eigenes braunes Auge. Es kam nicht oft vor, dass jemand anders das aussprach, was er dachte. »Der Kerl schickt irgendwelche Strahlen in unsere Köpfe und in die technischen Geräte. Wollen Sie das damit sagen?«
»Also ... Ich weiß, es klingt absurd, aber ... ja.«
»Gut. Seh ich auch so.« Er hörte, wie Banner sich rührte.
»Haben Sie einen Plan, Tony?«
»Nö, noch nicht. Aber der kommt schon noch.« Schwungvoll klatschte er sich zwei Handvoll Aftershave ins Gesicht. »Ich muss mir das Zepter noch mal ansehen.«
»Immerhin eine Beschäftigung«, seufzte Banner. »Sind Sie dann fertig?«
»Gleich.«
»Ich gehe schon vor. Machen Sie meine Tür einfach zu.«
»Geht klar.« Stark hörte Banner hinausgehen, während er weiterhin in den Spiegel starrte. Eigentlich hatte er gehofft, nach der Rasur wieder etwas frischer und gepflegter auszusehen – natürlich nicht so adrett wie Steve Rogers, das war schließlich unmöglich –, doch das Ergebnis fiel eher mäßig aus. Immer noch sah er, genau wie die anderen an Bord, irgendwie ... erledigt aus. Stumpf. Grau. Abgekämpft. Dabei konnte seit den letzten Tagen von harter Arbeit keine Rede sein. Irgendetwas anderes war hier am Wirken. Und es gefiel ihm nicht.
Irgendwann trocknete er sich die Hände ab und machte sich gleichfalls auf den Weg zur Besprechung.

Five Days-ThorxLokiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt